Curriculum Prothetik. Jörg R. Strub
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35.5 Scharnier- und Resilienzgelenke
Diese gelenkigen Verbindungen gehören im Grunde nicht zu den Geschieben. Sie werden aber aus didaktischen Gründen zusammen mit ihnen abgehandelt.
Scharniergelenke sind starre Verbindungselemente, die eine Kippung (Rotation) des Prothesensattels um eine transversale Achse erlauben.
Bei Resilienzgelenken handelt es sich um bewegliche Verbindungselemente, die neben der Scharnierbewegung als zweiten Freiheitsgrad eine vertikale Translation ausführen können, die die im Vergleich zur Intrudierbarkeit von Pfeilerzähnen (nur ca. 20–50 µm) größere Resilienz der Kieferkammschleimhaut (300–500 µm) ausgleichen soll.
Allerdings zeigte eine klinisch-experimentelle Studie, dass die Gesamteinsenkung der Schleimhaut unter starr abgestützten Prothesensätteln viel geringer ist als eine punktuell gemessene Resilienz eines kleinen Schleimhautbezirks (Körber 1983). Daher werden diese Elemente der beweglichen Lagerung heute im Allgemeinen skeptisch beurteilt. Vor allem besteht die Gefahr, dass sie die zahnlosen Kieferkämme überstark belasten und diese daher in vermehrtem Maße einem Abbau unterworfen sind. Zudem kommt es nicht selten relativ rasch zu einer materialbedingten Minderfunktion dieser Gelenke.
35.6 Adhäsivattachments (extrakoronale Adhäsivverankerungen)
Adhäsiv befestigte, extrakoronale Attachments (Geschiebe) zur Befestigung abnehmbaren Zahnersatzes wurden erstmals 1986 von Marinello und Schärer beschrieben. Hierbei ist das Primärteil eines Geschiebes an dem Adhäsivflügel befestigt. Von Vorteil ist es, wenn ein ausbrennbares Semipräzisionsgeschiebe verwendet wird und so Adhäsivflügel und Geschiebeanteil aus derselben NEM-Legierung, vorzugsweise einer CoCr-Legierung, gegossen werden können.
35.6.1 Indikationen und Kontraindikationen von Adhäsivattachments
Indikationen:
Uni- oder bilateral verkürzte und/oder unterbrochene Zahnreihen bei (weitgehend) karies- und füllungsfreien vitalen Pfeilerzähnen (Kern et al. 2019). Der Platz für einen ausreichend großen (30 mm2) und starken (0,7 mm) Adhäsivflügel muss vorhanden sein oder geschaffen werden (vgl. Kap. 29).
Die Kombination eines Adhäsivattachments (Attachment nach distal) mit einer Adhäsivbrücke (Extensionsglied nach mesial) ist möglich, wenn z. B. mesial eines Eckzahnpfeilers noch ein lateraler Schneidezahn zusätzlich zu ersetzen ist (Puschmann und Kern 2009).
Adhäsivattachments eignen sich sehr gut zur Reparatur von vorhandenen Doppelkronenarbeiten, wenn bei Pfeilerzahnverlust eines Doppelkronenankers der daneben verbliebene Nachbarzahn kariesfrei ist (Cretsi et al. 2006). Nach Herstellung des Adhäsivattachments wird dessen Matrize in die entsprechend ausgeschliffene Außenkrone des verlorenen Zahnes geklebt.
Leider gehören Adhäsivattachments nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland (Gemeinsamer Bundesausschuss 2016). Allerdings erhält der Patient inzwischen von vielen gesetzlichen Krankenkassen einen befundorientierten Festkostenzuschuss für die Anfertigung einer Modellgussprothese, während die Adhäsivattachments immer über einen Privatplan mit dem Patienten abgerechnet werden müssen. Im Interesse der Patienten ist es nach Ansicht der Autoren aber anzustreben, dass zukünftig Adhäsivattachments zur Verankerung von Teilprothesen als andersartige Versorgung im Rahmen der Zahnersatzrichtlinien anerkannt werden und damit mittels Festkostenzuschuss bezuschusst werden können.
Kontraindikationen wie bei Adhäsivbrücken (siehe Kap. 29.4.2):
Im Unterschied zu Adhäsivbrücken stellen Lücken mit größerer Spannweite bei Adhäsivattachments keine Kontraindikation dar. Weiterhin kann die Verwendung kariesfreier Pfeilerzähne mit keilförmigen Defekten im Zahnhalsbereich als eine relative Kontraindikation angesehen werden. Bei Zähnen mit Zahnhalsdefekten von mehr als 1 mm Tiefe wird von der Verwendung als Pfeilerzähne für extrakoronale Adhäsivattachments abgeraten.
35.6.2 Prinzipien bei Adhäsivattachments
Extrakoronale Adhäsivattachments aus einer CoCr-Legierung stellen – richtige Indikationsstellung und korrektes Vorgehen vorausgesetzt – eine echte Alternative bei der Versorgung des reduzierten Lückengebisses mit abnehmbaren Teilprothesen dar. Folgendes Vorgehen wird empfohlen (Kern und Simons 1999, Kern 2005):
Abb. 35-17 Schematische Darstellung eines Adhäsivattachments (Stabgeschiebe).
Abb. 35-18 Das Adhäsivattachment bietet eine Führungsfläche für das Interdentalbürstchen. Das Stabgeschiebe kann bis auf 3 mm gekürzt werden. Okklusal werden mindestens 1 mm Platz für ein unverblendetes Sekundärgerüst (Kaufläche teilweise in Metall), besser aber 2 mm für ein verblendetes Gerüst benötigt.
1 Pfeilerzahnpräparation wie für einflügelige metallkeramische Adhäsivbrücken mit je einer konischen approximalen Retentionsrille (vgl. Kap. 29). Approximal wird die Präparation so weit wie möglich extendiert, d. h. im dem Geschiebe gegenüber liegenden Approximalbereich bis knapp vor den approximalen Kontaktpunkt. Die beiden vertikalen Retentionsrillen liegen innerhalb der Flügelpräparation.
2 Ein semipräzises Stabgeschiebe mit Kunststoffgleiteinsatz wird empfohlen, da auftretende Kräfte leicht abgepuffert werden (z. B. Preci Vertix, Alphadent NV, B-Waregem) (Abb. 35-17 und 35-18).
3 Eine Auflagemulde sollte im Klebeflügel eingearbeitet sein. Dies gewährleistet die axiale Übertragung der Kaukräfte direkt auf den Pfeilerzahn. Um exzentrische Belastungen des Stabgeschiebes zu vermeiden, sollte dieses okklusal leicht entlastet (= hohl gelegt) werden.
4 Wenn es die Platzverhältnisse erlauben, sollte eine Umlauffräsung angelegt werden. Diese darf aber den Adhäsivflügel nicht zu stark schwächen (Mindeststärke: 0,7 mm), weswegen auf eine zervikale Hohlkehle der Umlauffräsung verzichtet wird. Auch auf einen Interlock wird aus Platzgründen immer verzichtet.
5 Zwei zusätzliche parallele Rillenfräsungen an der als Führungsfläche gestalteten Approximalfläche des Adhäsivflügels haben Kippmeiderfunktion. Sie dürfen aber dort nur