Reisen Band 1. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Reisen Band 1 - Gerstäcker Friedrich страница 3
Als sich dem Mann erst einmal der starre Schmerz gelöst, als er Worte gefunden hatte, gerieth er fast außer sich, und die Thränen stürzten ihm die bleich gehärmten Wangen nieder. Ich that allerdings Alles was in meinen Kräften stand, ihn zu trösten; was aber konnte ich ihm als Trost sagen. Ein Schiff zu finden, das ihn zurücknähme, darauf durfte er gar nicht rechnen, denn wenn wir wirklich eins trafen, wie das auch später geschah, so hätte ihn das gar nicht so ohne Weiteres aufnehmen dürfen. Alles was ich ihm rathen konnte, war, sich den Schritt, den er gethan, noch einmal recht zu überlegen und dann, wenn wir nach Rio kämen, entweder alle trüben Gedanken bei Seite zu werfen und in das Leben, das er sich jetzt einmal gewählt, mit beiden Füßen zugleich hineinzuspringen, oder - wenn er fühle, daß er unrecht gehandelt habe und den Schritt bereue, oder auch nicht im Stande sei die Trennung zu ertragen, von Rio de Janeiro aus, wo er fast jeden Tag Gelegenheit habe, wieder heimzukehren in die Arme der Seinen.
Der Mann beruhigte sich endlich. Als wir einige Tage später ein Schiff trafen, erwähnte er nichts weiter von seiner früheren Absicht, und noch vor Rio antwortete er mir auf meine Frage danach, daß er sich entschlossen habe, seinen Plan durchzuführen und nach Californien zu gehen. Als er aber später in Rio de Janeiro die heimwärts bestimmten Schiffe /14/ sah, und gar Menschen sprach, die sich darauf freuten nun bald wieder zu Hause bei den Ihrigen zu sein, da mochte das Heimweh wohl wieder mit der alten gewaltigen Kraft ausgebrochen sein und alle seine anderen Entschlüsse über den Haufen geworfen haben. Er nahm seine Sachen vom Bord des Talisman und ging als Passagier an Bord eines dorthin bestimmten Schiffes, nach Bremen zurück.
Wir befanden uns jetzt ziemlich unter der Linie und kamen auch unter die hier fast unvermeidliche Windstille. Die Hitze hatte ich mir aber viel schlimmer gedacht, denn bei einem kaum bemerkbaren Luftzug war sie ganz erträglich und selbst ohne diesen kaum drückend. Am heißesten Tag hatten wir im Schatten 27 Grad Reaumur. Eins der vielen Seemärchen ist es, daß die Schiffe bei Windstille unter dem Aequator alle halbe Stunden oder alle Stunden mit Wasser begossen werden müssen, wenn sie nicht „springen" sollen. Unsere Decks wurden nur Morgens wie gewöhnlich gewaschen. Regenschauer sind übrigens hier ziemlich häufig und besonders in der Nacht störend, wo die Schläfer am Deck fast jede Nacht durch einen Guß geweckt und in ihre dunstigen Kojen mit den nassen Betten hinabgeschickt werden.
Unsere Fahrt ging von da an still und günstig vorwärts. Bei Cap Frio hatten wir allerdings einen kleinen Sturm durchzumachen, der aber nur einige Tage dauerte. Am 12. Mai erreichten wir endlich die lang' ersehnte Einfahrt von Rio de Janeiro, und hatten am Nachmittag das ganze prachtvolle Panorama, das den schönsten Hafen der Welt umschließt, vor uns. Schon konnten wir den „Zuckerhut", der als treffliche Landmarke das linke Ufer des Eingangs bildet, unterscheiden. Je mehr wir uns dem Land näherten, desto deutlicher traten die einzelnen Gruppen, endlich die Umrisse der Vegetation und zuletzt sogar das so lang' entbehrte lebende Grün der Bergrücken und Wälder, aus denen hochstämmige Palmen aufragten, empor. An den beiden kleinen Inseln Paya und Maya (Vater und Mutter) segelten wir dicht vorüber, und erreichten gerade nach Sonnenuntergang den Platz, von dem wir, wäre es hell gewesen, Alles hätten überschauen können, was das Auge in dieser neuen Welt /15/ überrascht und entzückt. - Unter den Tropen folgt aber dem Sonnenuntergang auch fast augenblickliche Nacht, und als wir vom Fort Santa-Cruz angerufen wurden, lag schon tiefe Nacht auf dem Meere, und nur unzählige Lichter verriethen die Nähe einer volkreichen Stadt, eines belebten Hafens.
Es war bis dahin an Bord die Befürchtung ausgesprochen, daß die Passagiere der fremden Schiffe, ohne einen vom brasilianischen Consul in Deutschland visirten Paß zu haben, nicht würden an's Land gelassen werden. Glücklicher Weise zeigte sich das aber anders; denn als am nächsten Morgen das sogenannte Visitenboot zu uns an Bord kam, wurde uns bald die summarische Erlaubniß zu Theil, so rasch und so zahlreich an Land zu fahren, wie wir nur wollten. Man kann sich denken, daß wir schnell genug davon Gebrauch machten, und es dauerte nicht lange, so ruderten wir (am 13. Mai Morgens) im herrlichsten Sonnenlicht dem freundlichen Ufer entgegen. „Brasilien ist nicht weit von hier", sangen Einige, und Alle freuten sich der prachtvollen Natur, die uns umgab.
Der Hafen von Rio de Janeiro ist übrigens schon zu oft beschrieben, als daß ich noch einmal etwas versuchen sollte, was eigentlich doch unmöglich ist - diese wunderbare Natur, die stille Bai, die am Ufer bald zerstreuten, bald zu Massen zusammengedrängten Gebäude, die hohen, bald schroffen, bald mit der herrlichsten Vegetation bedeckten Hügel und Gebirge, die zahlreichen Schiffe und Boote, die Flaggen aller Länder und Erdtheile, die Forts und Bastionen mit ihren Kirchen und Kanonen - das Alles läßt sich wohl schildern und ausmalen, aber dem Leser einen wirklichen Begriff, ein treues Bild davon zu geben, das, glaub' ich, ist unmöglich. /16/
2.
Rio de Janeiro und weiter!
Die Stadt selber - und mit wie Manchem auf der weiten Gotteswelt geht es nicht ebenso - verliert indessen gewaltig, wenn man erst ihre nähere Bekanntschaft macht. Die Straßen sind, mit wenigen Ausnahmen, eng und schmutzig. Die Menge der Sclaven, mit ihren unzähligen farbigen Abstufungen, die dem Auge überall in den Weg tritt, macht einen zu widerlichen Eindruck auf den Europäer, um ihn in dem scharfen Contrast nicht selbst die herrliche Natur vergessen zu machen, der man übrigens in den schmalen Straßen auch fast entrückt ist.
Am nächsten Morgen beschloß ich, eine kleine Landpartie zu machen, und ritt mit einigen Freunden zusammen hinaus in's Freie.
Die brasilianischen Pferde sind kleine muntere, ausdauernde Thiere und gehen meistens, was ich wenigstens davon sah, Paß oder Galopp. Die auf dem Lande wohnenden Pflanzer und Kaufleute aber, die Morgens in die Stadt kommen und Abends wieder Hinausreiten, gebrauchen nicht selten Maulthiere - ebenfalls eine kleinere Race, als ich sie in Nordamerika gefunden habe - und erreichen mit diesen ihr Ziel wohl nicht ganz so rasch, aber doch jedenfalls weit bequemer und sicherer.
Die Umgegend von Rio ist wirklich paradiesisch - die stille Bai mit ihren zahlreichen Masten und lebendig hin- und wiederschießenden Booten - die niedlichen Gärten mit ihren Orangen, Bananen und Palmen, Kaffeebäumen und Blumenbüschen - die hohen pittoresken Berge und Felskuppen, die weit übereinander herüber schauen - die eigenthümliche Tracht und Farbe der Eingeborenen und Sclaven, die zu Markt ziehenden Neger, die Viehtreiber und Verkäufer, das Alles macht mit seinen wechselnden phantastischen Gestalten auf den Fremden /17/ einen eigenthümlichen, wohl kaum zu vergessenden Eindruck. Der Unterschied mit der Heimath ist zu auffallend; man fühlt, daß man in einem fremden, tropischen Lande ist, und jeder Schritt, jede Biegung der Straße, jede uns begegnende Persönlichkeit bringt dem mehr und mehr erregten Geiste, dem gierig umherschweifenden Auge Neues, Interessantes.
Leider konnte ich aber nicht lange in diesem schönen Lande verweilen, denn ein neuer, erst in den letzten Tagen an Bord flüchtig gefaßter Plan war mir so lieb geworden, daß ich beschloß, ihn durchzuführen, es koste was es wolle.
An Bord des Talisman war nämlich ein junger Italiener, von englischen Eltern geboren, der, mehr aus Prahlerei wahrscheinlich als einer ernsten Absicht wegen, eine Wette gemacht hatte (und zwar mit Eins gegen Zwanzig), daß er die Landreise durch Südamerika durchführen wolle. Mir selber war die Landreise