Die schönsten Weihnachtsgeschichten I. Charles Dickens
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An alledem fiel nichts Besonderes auf. Es waren keine hübschen Gesichter in der Familie; sie waren nicht prächtig angezogen; ihre Schuhe waren alles andere als wasserdicht; ihre Kleider waren ärmlich, und Peter mochte recht wohl wissen, wie ein Pfandleihgeschäft von innen aussah. Aber sie waren glücklich, genügsam und dankbar für ihre bescheidenen Freuden, verträglich untereinander und zufrieden, und als ihre Gestalten vergingen und in dem scheidenden Licht der Fackel des Geistes noch glücklicher aussahen, haftete Scrooges Blick immer noch auf ihnen und vor allem auf Tiny Tim.
Inzwischen war es dunkel geworden, und es fiel starker Schnee in hellen Haufen.
Als Scrooge und der Geist durch die Straßen schritten, entzückte sie der Glanz der flammenden Feuer in Küchen, Wohnstuben und aller Art Zimmer über alle Maßen. Hier verkündete die flackernde Flamme die Vorbereitungen zu einem traulichen Mahl, die heißen Teller, die sich an dem Feuer durch und durch wärmten, und die dunkelroten Gardinen, die bereit waren, zugezogen zu werden, um Kälte und Finsternis fernzuhalten. Dort rannten alle Kinder des Hauses hinaus auf die beschneite Straße, ihren verheirateten Schwestern, Brüdern, Vettern, Basen, Onkeln und Tanten entgegen, um sie zuerst willkommen zu heißen. Hier zeigten sich an den Fenstern Schattenrisse der eingetroffenen Gäste und dort eine Gruppe hübscher Mädchen in Pelzkragen und Pelzstiefeln, alle zugleich plaudernd und mit leichten Schritten dem Nachbarhaus entgegentrippelnd. Wehe dem Hagestolz, der sie dort in jugendlicher Glut eintreten sah! Und die kleinen Spitzbübinnen wußten das recht gut.
Wenn man nach der Zahl der Leute hätte schließen wollen, die zu freundschaftlichen Einladungen eilten, hätte man glauben können, es sei niemand da, sie zu bewillkommnen. Aber jedes Haus erwartete Gäste und in jedem Kamin loderte das Feuer. Guter Himmel, wie sich der Geist freute! Wie er seine breite Brust entblößte und seine volle Hand öffnete, um freigebig seine heitere und harmlose Lust über alle in seinem Bereich auszustreuen! Selbst der Laternenanzünder, der durch die dunklen Straßen eilte, um den trüben Nebel mit Lichtinseln zu erhellen, und der bereits im Festanzug war, um den Abend irgendwo zuzubringen, lachte hell auf, als der Geist vorüberschwebte.
Nun aber, ohne daß der Geist vorher etwas gesagt hätte, standen sie auf einer kahlen, öden Heide, wo riesige Felsblöcke umherlagerten, als wäre hier eine Grabstätte von Riesen. Wasser breitete sich aus, wo es wollte – oder würde es getan haben, wenn es der Frost nicht festhielt. Nur Moos und Ginster und hartes Gras. Tief im Westen hatte die untergehende Sonne einen Streifen feurigen Rots zurückgelassen, der einen Augenblick auf die öde Steppe leuchtete, wie ein dräuendes Auge, und immer tiefer und tiefer sank, bis er sich im Dunkel der schwärzesten Nacht verlor.
»Was für ein Ort ist das?« fragte Scrooge.
»Ein Ort, wo Bergleute leben, die in den Tiefen der Erde fronen«, antwortete der Geist. »Aber sie kennen mich. Sieh!«
Ein Licht leuchtete auf aus dem Fenster einer Hütte, und schnell bewegten sie sich darauf zu. Als sie durch die Wand aus Lehm und Steinresten hindurchgeschwebt waren, fanden sie eine vergnügte Gesellschaft um ein wärmendes Feuer sitzen. Ein alter, alter Mann und eine Greisin mit ihren Kindern und Kindeskindern, alle in festlichen Kleidern. Der alte Mann sang mit einer Stimme, die nur selten das Heulen des Sturmes auf der Einöde übertönte, ein Weihnachtslied; es war schon ein sehr alter Sang gewesen, als er noch ein Knabe war; und in bestimmten Zeiträumen sangen alle im Chor mit. Und jedesmal, wenn sie ihre Stimmen erhoben, wurde der Alte lustig und laut; und immer wenn sie aufhörten, sank seine Kraft wieder.
Der Geist blieb hier nicht lange, sondern befahl Scrooge, sich an seinem Gewand festzuhalten. Sie schwebten über die Heide; aber wohin? Doch nicht aufs Meer? Aufs Meer! Zu seinem Entsetzen sah Scrooge hinter sich auch das letzte Land, einen starren Felsengürtel, verschwinden, und sein Ohr wurde betäubt von der Brandung der Wogen, die in den grausigen Höhlen, die sie ausgenagt hatten, heulten, brüllten und wüteten und die Erde mit wildem Grimm zu unterhöhlen trachteten.
Auf einem einsamen, halb im Wasser versunkenen Riff, wohl eine Meile vom Land, stand ein Leuchtturm. Das ganze lange Jahr hindurch schäumten und tosten rundum die Wellen. Große Haufen von Seetang umschlangen sein Fundament, und Sturmvögel, geboren vom Winde, konnte man glauben, wie Seetang von den Wellen, hoben sich und flogen wieder um den Turm wie die wogenden Wellen drunten, ob denen sie segelten. –
Aber selbst hier hatten die zwei Männer, die den Leuchtturm bewachten, ein Feuer angezündet, das durch das Lugloch in der dicken, steinernen Mauer einen hellglänzenden Strahl auf das nächtliche Meer warf. Sie reichten sich die harten Hände über den Tisch hin, an dem sie saßen, wünschten sich eine fröhliche Weihnacht und stießen mit den Groggläsern an; und einer der beiden, der Ältere, mit einem Gesicht, das Wind und Wetter gebräunt und gefurcht hatten wie die Galionsfigur eines alten Schiffes, stimmte einen machtvollen Gesang an, der wie ein Sturmesrauschen schallte. –
Wieder schwebte der Geist über die dunkle, wallende See davon, immer weiter und weiter, bis sie, fern von jeder Küste, wie der Geist zu Scrooge sagte, auf einem Schiff sich niederließen. Sie standen neben dem Steuermann am Steuerrad, dem Ausluger im Mastkorb, neben den Offizieren, die Nachtdienst hatten. Wie dunkle, gespenstische Gestalten ragten diese auf ihrem Posten. Aber jeder von ihnen summte ein Weihnachtslied oder hatte einen Weihnachtsgedanken oder sprach leise mit den Kameraden von einem früheren Weihnachtsabend und heimatlichen Hoffnungen, die sich damit verbanden. Und jeder Mann an Bord, wachend oder schlafend, gut oder schlecht, hatte an diesem Tage ein freundlicheres Wort für seine Kameraden gehabt, als an jedem andern Tage des Jahres, und wenigstens einigermaßen das Fest gefeiert. Er hatte an die gedacht, die sich jetzt seiner in der Ferne erinnerten, und hatte gewußt, daß sie jetzt seiner liebevoll gedachten.
Es war eine große Überraschung für Scrooge, während er dem Stöhnen des Windes lauschte und nachsann, wie überwältigend es doch sei, durch die öde Nacht über einen unbekannten Schlund zu schiffen, dessen Geheimnisse so verborgen waren wie der Tod, – eine große Überraschung war es für Scrooge, sagte ich, plötzlich ein herzliches Lachen zu hören. Noch größer war Scrooges Überraschung, dieses als das Lachen seines eigenen Neffen wiederzuerkennen. Er stand im geräumigen, hellen, behaglich durchwärmten Raum, während der Geist an seiner Seite stand und mit beifälligem, freundlichem Lächeln auf diesen selben Neffen herniederschaute.
»Haha!« lachte Scrooges Neffe. »Hahaha!«
Wenn ihr durch einen unwahrscheinlichen Zufall das Glück haben solltet, einen Menschen kennenzulernen, der sich glücklicher fühlt, wenn er lacht, als Scrooges Neffe, so kann ich euch nur sagen, ich möchte ihn ebenfalls kennen. Stellt mich ihm vor, und ich werde mich um seine Freundschaft mühen.
Es ist doch eine anständige, ausgleichende und noble Einrichtung des Lebens, daß ebenso wie Krankheit und Kummer ansteckend sind, in der ganzen weiten Welt nichts so unwiderstehlich ansteckend wirkt wie Lachen und Fröhlichkeit.
Als Scrooges Neffe lachte und sich die Seiten hielt und mit dem Kopfe wackelte und die allermerkwürdigsten Gesichter machte, lachte auch dessen Frau, Scrooges angeheiratete Nichte, so herzlich wie er. Und die versammelten Freunde mischten sich