Die schönsten Weihnachtsgeschichten I. Charles Dickens

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Die schönsten Weihnachtsgeschichten I - Charles Dickens

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in doppeltes Eisen gelegt!« rief das Gespenst, »nicht zu wissen, daß Zeitalter von unaufhörlicher Mühe sterblicher Geschöpfe vergehen, ehe das Gute, dessen die Erde fähig ist, sich entfalten kann; nicht zu wissen, daß ein christlicher Geist, und wenn er auch in einem noch so kleinen Kreis der Liebe wirkt, in diesem Erdenleben sich selbst belohnende Arbeit genug finden kann! Aber ich ahnte es nicht, ach, ahnte es nicht!«

      »Aber du warst doch immer ein guter Geschäftsmann, Jakob«, stotterte Scrooge zitternd, der jetzt begann, das Schicksal des Geistes auf sich selbst zu übertragen.

      »Geschäft!« rief das Gespenst, seine Hände wieder ringend. »Der Mensch war mein Geschäft. Die allgemeine Wohlfahrt war mein Geschäft; Barmherzigkeit, Versöhnlichkeit und Liebe wären alles mein Geschäft gewesen. Der Fleiß in meinem Gewerbe aber war nur ein Tropfen Wasser in dem weiten Ozean meines wahren Geschäfts.«

      Er hielt seine Kette weit von sich weg, als ob dies die Ursache seines hoffnungslosen Schmerzes gewesen wäre, und warf sie wieder dröhnend nieder.

      »In dieser Zeit des endenden Jahres«, sagte das Gespenst, »leide ich am meisten. Warum ging ich mit zur Erde gesenkten Augen durch das Gedränge meiner Mitmenschen und hob meinen Blick nie zu dem gesegneten Stern empor, der die Weisen zur Wohnung der Armut führte? Gab es nicht arme Heime genug, wohin mich sein Licht hätte führen können?«

      Scrooge war außer sich, das Gespenst so reden zu hören, und begann heftig zu zittern.

      »Höre mich«, rief der Geist. »Meine Zeit ist beinahe vorüber.«

      »Ich will hören«, sagte Scrooge. »Aber verfahre glimpflich mit mir! Sei nicht zu hart, Jakob, ich bitte dich.«

      »Wie es möglich ist, daß ich in einer dir wahrnehmbaren Gestalt vor dich treten kann, weiß ich nicht. So manchen, manchen Tag habe ich unsichtbar neben dir gesessen.«

      Das war keine angenehme Vorstellung. Scrooge schauderte und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

      »Es ist kein leichter Teil meiner Buße«, fuhr der Geist fort. »Heute nacht komme ich zu dir, um dich zu warnen, weil für dich noch eine Aussicht und Hoffnung besteht, meinem Schicksal zu entgehen. Eine Aussicht und eine Hoffnung, die du mir zu verdanken hast.«

      »Du bist immer ein guter Freund zu mir gewesen«, sagte Scrooge. »Ich danke dir.«

      »Du wirst besucht werden«, fuhr das Gespenst fort, »von drei Geistern.« Bei diesen Worten wurde Scrooges Blick noch länger als der des Gespenstes.

      »Ist das die Möglichkeit und die Hoffnung, die du erwähnt hast, Jakob?« fragte er mit bebender Stimme.

      »Ja.«

      »Ich – ich sollte meinen, das wäre aber gerade keine Hoffnung«, sagte Scrooge.

      »Ohne ihr Kommen«, entgegnete der Geist, »kannst du nicht hoffen, den Pfad zu vermeiden, den ich durchwandern muß. Erwarte den ersten am Morgen, wenn die Glocke eins schlägt.«

      »Könnte ich sie nicht alle auf einmal über mich ergehen lassen?« fragte Scrooge.

      »Erwarte den zweiten in der nächsten Nacht um dieselbe Stunde. Den dritten in der folgenden Nacht, wenn der letzte Schlag zwölf verklungen ist. Sieh mich an, denn du erblickst mich nicht wieder; und sieh mich an, daß du dich um deiner Rettung willen an das erinnerst, was zwischen uns geschehen ist.«

      Als es diese Worte gesprochen hatte, hob sich das Gespenst das Tuch vom Tisch und band es sich wieder um den Kopf. Scrooge bemerkte dies durch das Knirschen der Zähne, als die Kiefern zusammenklappten. Er wagte es, die Augen aufzuheben, und sah seinen übernatürlichen Besuch vor sich stehen, die Augen noch starr auf ihn geheftet, und die Kette um den Leib und den Arm gewunden.

      Die Erscheinung entfernte sich rückwärtsschreitend; und bei jedem Schritt öffnete sich das Fenster ein wenig, so daß es weit offen stand, als das Gespenst bei ihm ankam. Es winkte Scrooge, näherzukommen, was dieser befolgte. Als sie noch zwei Schritte voneinander entfernt waren, hob Marleys Geist die Hand empor und bedeutete ihm, daß er nicht näherkomme. Scrooge stand still.

      Er tat dies minder aus Gehorsam als aus Überraschung und Furcht; denn als sich die gespenstische Hand erhob, hörte er wirre Klänge durch die Luft schwirren und zusammenhanglose Töne des Klagens und des Schmerzes unsagbar und reuig. Das Gespenst horchte ihnen eine Weile zu und stimmte darauf in das Klagelied ein. Dann schwebte es in die dunkle Nacht hinaus.

      Scrooge trat an das Fenster, von Neugierde bis zur Verzweiflung getrieben. Er blickte hinaus.

      Die Luft war mit Schemen angefüllt, die in ruheloser Hast klagend hin und wider schwebten. Jeder trug eine Kette, wie Marleys Geist. Einige waren zusammengeschmiedet (wahrscheinlich schuldige Minister), keines war ganz ohne Fesseln. Viele waren Scrooge während ihres Lebens bekannt gewesen. Ganz genau hatte er ein altes Gespenst in einer weißen Weste gekannt, das einen ungeheuren eisernen Geldkasten hinter sich herschleppte und jämmerlich schrie, weil er einem armen, alten Weibe mit einem Kinde nicht helfen konnte, das unten auf einer Türschwelle kauerte. Man sah es deutlich, ihre Pein bestand darin, sich umsonst danach zu sehnen, menschliche Not zu lindern, und die Macht dazu für immer verloren zu haben.

      Ob diese Geschöpfe in dem Nebel zergingen oder ob der Nebel sie verhüllte, konnte Scrooge nicht sagen. Aber sie und ihre Geisterstimmen vergingen zu gleicher Zeit, und die Nacht wurde wieder so, wie sie war, als er nach Hause ging.

      Scrooge schloß das Fenster und prüfte die Tür, durch die das Gespenst hereingekommen war. Sie war noch verschlossen und verriegelt wie vorher. Er versuchte zu sagen: Unsinn, stockte aber bei der ersten Silbe. Da er von der Erregung oder von den Anstrengungen des Tages oder von seiner Schau in die unsichtbare Welt oder der bedrückenden Unterhaltung mit dem Gespenst oder der späten Stunde sehr erschöpft war, ging er sogleich zu Bett, ohne sich auszuziehen, und sank bald in Schlaf.

      Zweites Kapitel

      Der erste der drei Geister

      Als Scrooge erwachte, war es so finster, daß er kaum das das Außenlicht hindurchlassende Fenster von den Wänden seines Zimmers unterscheiden konnte. Er bemühte sich, die Finsternis mit seinen Luchsaugen zu durchdringen, als die Glocke eines Turmes in der Nachbarschaft zu läuten begann. Er horchte auf die Zeit der Stunde. Zu seinem großen Erstaunen ging der Schlag der Glocke von sechs zu sieben, und von sieben zu acht und so weiter bis zwölf; dann stoppte sie.

      Zwölf! Es war nach zwei Uhr gewesen, als er sich zu Bett gelegt hatte. Die Uhr ging wohl falsch. Ein Eiszapfen mußte in das Werk geraten sein. Zwölf!

      Er drückte auf die Feder seiner Repetieruhr, um die irre Glocke in Ordnung zu bringen. Ihr kleiner schneller Puls schlug zwölf und schwieg.

      »Was! es ist doch nicht möglich«, sagte Scrooge, »daß ich den ganzen Tag und bis in die andere Nacht geschlafen haben sollte? Es ist doch nicht möglich, daß der Sonne etwas zugestoßen ist und daß es mittags zwölf Uhr ist.«

      Die Vorstellung alarmierte ihn. Er stieg aus dem Bett und tappte ans Fenster. Er mußte das Eis erst wegschaben und das Fenster mit dem Ärmel seines Schlafrockes abwischen, ehe er etwas sehen konnte. Aber auch danach konnte er nur wenig sehen. Alles, was er wahrnehmen konnte, war, daß es noch sehr neblig und sehr kalt war, und daß man nicht das Lärmen hin und her eilender Leute hörte, das doch gewiß vorhanden gewesen wäre, wenn die Nacht den lichten Tag vertrieben und die Welt beschlagnahmt hätte.

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