Die Sprache des Traumes – Symbolik und Deutung des Traumes – Teil 2 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Wilhelm Stekel

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Die Sprache des Traumes – Symbolik und Deutung des Traumes – Teil 2 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Wilhelm  Stekel gelbe Buchreihe

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fast seinen Atem; es reißt mich mit, ich stürze ihm nach, die großen Tore des Hauses springen auf, wie von Geisterhand geöffnet. Der Bürgermeister ruft erregt: Wo ist der Kaiser? Man bedeutet ihm, der Kaiser hätte bei einer Seitentür das Rathaus verlassen und fahre gerade vis-à-vis beim Burgtheater. Ich sehe den Wagen noch ganz deutlich in der Volksmenge verschwinden. Aber jetzt regt sich kein Laut… dann bin ich erwacht!“

      Der Traum eines Dichters, voll von dramatischem Leben, voll von plastischen Gestalten, der anscheinend politische Verhältnisse behandelt. Ein junger Mann hat ihn geträumt, der ein armes Mädchen heiraten will. Seine Eltern sind dagegen. Sein Vater (der Kaiser!) ist jetzt mittellos und auf seine Unterstützung angewiesen. Am Vorabend des Traumes sann er lange verzweifelt nach, wie er sich aus dieser bitteren Lage befreien könne. Der Traum hat ihm die Lösung gebracht. Im Hause der Braut, wo er sich gut beraten wähnt (Rathaus), ist großer Empfang. Bei der Analyse schwebt ihm ein Ball, eine Hochzeit vor. Er soll heiraten (Empfängnis). Aber zuerst muss der Vater (Kaiser) abfahren (sterben), dann ist das Hindernis beseitigt. Ein Todeswunsch gegen den Vater. Die vieltausendköpfige Menge, die widrigen Verhältnisse. Vor dem Rathause wachen drei Gestalten. Der eiserne Mann ist wieder der Vater (überlebensgroße!), der trotz seiner Rüstigkeit nichts verdient. Daher die Rüstung. — Das blendendweiße Licht, das von ihm ausgeht, ist eine Verspottung seiner Glatze und seiner geringen hausbackenen, philiströsen (kleinbürgerlich-engstirnig) Verstandes. Die schweigsame Figur ist in goldenen Gewändern ist sein goldiges Mutterl, ebenfalls verdoppelt, die ihm keine Vorwürfe macht; der eiserne Mann (eiserne Gesundheit!) ist nervös und spielt sich immer auf den Haustyrannen heraus. Der Kaiser kommt! Weiter entwickelt dieser wunderbare Traumbau die Gefühle in der Brust des jungen Mannes; der Vater soll das entscheidende Wort sprechen, die Verhältnisse sprechen ihr gewaltiges Wort. Der Vater hat seinen Posten als Beamter verloren (die drei vor dem Tore haben den Posten verloren), dadurch sind die Verhältnisse unleidlich geworden. Jetzt kommt die Wunscherfüllung in strahlender Form. Ein Meer von Licht blendet die Augen. Der Bürgermeister ist seine Geliebte, seines bürgerlichen Herzens Meisterin, die goldene Kette die Ehekette und die roten Ordensbänder — die roten Ordensbänder bedeuten Blut — sagt die Analyse. Deutet, wie ihr‘s wollt, je kühner desto besser. Wie beschreibt er die Macht der Geliebten? Ich spüre fast seinen (ihren) Atem, er reißt mich mit, ich stürze ihm (ihr) nach, alle Hindernisse sind überwunden, die Tore des großen Hauses springen auf, wie von Geisterhand geöffnet. Der Kaiser fährt beim Burgtheater vorbei. Dort sah er vor einigen Tagen einen großen Leichenzug. Das Burgtheater als Symbol des Elternhauses ist nun ein überwundener Standpunkt. — Kaiser und Burgtheater — beide überwundene Standpunkte.

      Er war im Traume ungeheuer erregt. Aber Kaiser und Bürgermeister lassen ihn im gewöhnlichen Leben kalt. Nur weil sie hier Symbole sind, weil der Kaiser sein größtes Hindernis, seinen Vater, und der Bürgermeister sein sehnlichstes Ziel, seine Geliebte, symbolisieren, verknüpfen sich mit diesen Traumgedanken so ungeheure Affekte. Sehr hübsch ist der Satz: Der Bürgermeister ruft erregt: Wo ist der Kaiser. Das ist gleichsam der Höhepunkt des kleinen Dramas, das sich vor uns abgespielt hat, die große Szene zwischen dem Vater und der Geliebten. Natürlich siegt sie. Wer jedoch glauben würde, dass diese Analyse einigermaßen erschöpfend ist, der würde sich einer argen Täuschung hingeben. Der Traum zeigt uns das Rätsel seiner Liebe. Er bat eine Identifizierung seiner Mutter mit der Geliebten vollzogen. Das Rathaus bedeutet ebenso die Mutter als die Geliebte; es bedeutet eben die geliebte Mutter oder die Geliebte, die die Mutter seiner Kinder werden soll. Die Mutter empfängt den Vater (Kaiser) — natürlich am Abend. Die tausendköpfige Menge bedeuten immer die rebellischen Wünsche, die unzähligen bösen Gedanken und infolgedessen natürlich auch auf dem Wege des Gegensatzes ein Geheimnis. Die drei Gestalten, die Wache halten, symbolisieren wie die meisten Drei den Penis und die beiden Hoden. Hier ist der Penis der „eiserne Mann mit der Lanze“; die Hoden (eigelb) sind durch goldene Gewänder („Die goldenen Kugeln“ als Testikel „Anthropophyteia. II, Bd. S. 142.) charakterisiert. Einer rechts, der andere links. Es entspricht einer uralten Traumsymbolik, dass der Vater auch den Gebärvater, d. h. den Penis bedeutet. Die Hoden sind natürlich „unbeweglich“, nur der Penis will, dass es ihm „kommen“ soll.

      „Ich und einige andere haben das Glück eingelassen zu werden.“ (Er hat zwei Geschwister. Sie sind drei Kinder in der Familie.) Natürlich, es war ja im Mutterleibe drinnen. Nun macht er aus der Vergangenheit die Gegenwart. Er wird alle Vorgänge belauschen können. (Ein Thema, das uns noch oft beschäftigen wird: die Mutterleibsphantasie!)

      Die Wünsche werden immer drängender. Die drei eines anderen — werden seine Dreieinigkeit (Interessantes Material zur Symbolik findet sich in dem Buche: „Ancient Pagan and Modern Christian Symbolism“ by Thomas Juman. M. D. Second Edition. New York. Pater Ecker, Publisher. Nach diesem Autor stellt das Kreuz die Vereinigung von 4 Phalli dar, ist phönizischen Ursprungs und hat von Haus aus nichts Christliches an sich. Der Cruxansatz repräsentiert die Kombination der Dreifaltigkeit mit der Einheit. Es ist dasjenige Symbol, das man in der ägyptischen Kunst am häufigsten antrifft.). Der Kaiser verlässt durch eine Seitentüre das Haus (d. h. er stirbt; sein Wagen verschwindet in der Volksmenge) die Situation wird immer mehr einem Coitus ähnlich (treppauf – treppab) und unser Träumer erwacht.

      Natürlich mengt sich die Geburtsphantasie mit der Deflorations-Phantasie. Er will nicht so lange warten. Der „Eiserne Mann“ ist ungeduldig. –

      Ein anderes Bild:

      Der Traum vom zügellosen Leben

       Der Traum vom zügellosen Leben

      (23.) „Ich bin in einem Tramwaywaggon, der zur Franz-Josef-Bahn fährt. Ein Pferd ist vorgespannt mit einem Zügel aus einem dünnen Strick. Der Strick zerreißt...“

      Diesen Traum träumte ich im Herbat nach Rückkehr meiner Frau aus einer Sommerfrische an der Franz- Josef-Bahn. Eine deutliche Wunscherfüllung, das zügellose Leben eines Strohwitwers fortzuführen; offenbar eine dunkle Unterströmung des Unbewussten. In Wirklichkeit war ich glücklich darüber, dass meine Frau die Zügel des Haushaltes wieder in die Hand genommen hatte und ich in geordneten Verhältnissen leben konnte. Meine Strohwitwerfreiheiten habe ich niemals ausgenützt. –

      Aber ein geheimer Wunsch war doch vorhanden!

      Das Zugpferd bin natürlich ich. Eine beliebte Symbolik für den Ehemann im Gegensatze zur Frau, die als Wächter erscheint. Die Bande, die mich an die Ehe knüpfen, sind in diesem Traume sehr dünne. Der Strick reißt. (Doppelsinnig: der Strick, d. h. der leichtsinnige Kerl reißt aus!) Auch der Todeswunsch dringt durch die Traumgedanken. Die Parzen (Schicksalsgöttinnen) durchschneiden den Lebensfaden (Der Lebensfaden heißt im Volksmunde auch der Penis. (Anthropophyteia. II. Bd. S. 112.) Das Schuldbewusstsein sich durch Onanie (Ziehen am Lebensfaden) das Leben verkürzt zu haben, ist ebenfalls ein latenter Traumgedanke. Die Vorwürfe, die man sich wegen der infantilen Onanie macht, spielen in den Neurosen eine große Rolle und finden sich als schwer aufzulösende Vexierbilder gleich den Todesgedanken in den meisten Träumen). Der Lebensfaden reißt.

      Die infantile Schichte ist durch die Franz-Josef-Bahn — (Kaiser Franz Josef = Vater) bezeichnet. Ich komme wieder in das Jugendland, ich kehre zur Mutter zurück und... verlasse meine Frau.

      Wir haben gesehen, wie der Traum unsere geheimen Wünsche erfüllt oder… unsere geheime Angst enthüllt. Angst und Wunsch sind Geschwister. Es gibt im Traume keine Angst, die nicht einmal ein Wunsch gewesen. Ich habe in meinem Buche „Nervöse Angstzustände“ (Urban und Schwarzenberg 1908) an einer großen Reihe von Angstträumen den Beweis erbracht, wie die geheimen Wünsche der Neurotiker im Traume als Angst auftreten.

      Ich möchte dieses Kapitel mit einem kurzen, aber lehrreichen Traum beschließen, der die Beziehungen zur Angst in einwandfreier Weise klarlegt.

      Ein ca. 80jähriger Mann leidet

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