Der Fremde und das Dorf; Die Gesichte der Blinden. Helmut H. Schulz
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Читать онлайн книгу Der Fremde und das Dorf; Die Gesichte der Blinden - Helmut H. Schulz страница 4
Die Nacht war hereingebrochen. Es kam kühl von den Bergen her. Der Schirokko, der den ganzen Tag lang heiß geweht hatte, schlief ein. Der Fremde fror. Unter dem Arm hielt er ein Bündel mit Sachen. Er wandte sich an Luca.
"Wo kann ich mich umziehen?", fragte er in reinem Italienisch.
Die Stille in der Schenke hätte ihm auffallen müssen, denn es ist selten still in den Schenken. Alle umstanden ihn, und er erriet, dass die Leute etwas wollten.
Zunächst dachte er, sie bestaunten ihn als Seltenheit als Mann mit einem Auto. Er kannte das von seinen Kreuz- und Querfahrten durch Sizilien.
Er sah sich um, blickte jeden einzeln an, ohne Angst und etwas spöttisch.
Da sagte Luca laut: "Ihm fehlen zwei Finger an der rechten Hand."
Sofort entstand ein Tumult. Alle redeten aufgeregt durcheinander.
Riccis Erstaunen wuchs. Dem Fremden zuckte die bezeichnete Hand, er zwang sie zur Ruhe. Ricci löste sich mit einem Ruck von der Theke und schob sich durch die Menge.
Maria Rossa ging durch den sich öffnenden Kreis der Jungen hindurch und blieb vor dem Fremden stehen.
"Er ist es", sagte sie langsam. Dann fügte sie heftig hinzu: "Sie haben im Sommer vierundvierzig in den Albanerbergen Geiseln erschossen. Sie haben meinen Sohn getötet."
Der Fremde sah sie an, Ricci pfiff leise durch die Zähne.
"Was sagen Sie", meinte der Fremde, "ich soll Geiseln erschossen haben? Ich bin nie in Italien gewesen. Es tut mir leid, dass Sie auf diese schreckliche Art Ihren Sohn verloren haben, aber ich bin, wie gesagt, nicht in Italien gewesen und komme demnach als Täter nicht in Betracht."
"Sie sind es gewesen", sagte die Rossa überzeugt.
"Das ist Unsinn", antwortete der Fremde ärgerlich, "Es ist verständlich, dass Sie über diese Sache nicht hinwegkommen, und ich nehme es Ihnen auch nicht übel, aber nun lassen Sie mich gehen. Wo kann ich mich also umziehen?"
Diese Frage war wieder an Luca gerichtet.
"Hast du nicht gehört", sagte Ricci, "der Herr will wissen, wo er sich umziehen kann."
Ehe Luca antwortete, mischte sich Cesare ein.
"Erlauben Sie", begann er, "Sie sagen, dass Sie nie in Italien waren? Woher können Sie dann so gut Italienisch?"
"Ich bin Sprachlehrer", sagte der Fremde prompt, "ich spreche noch einige andere Sprachen, und Sie sollten sich nicht in Dinge mischen, die Sie nichts angehen. Was ich der Frau verzeihe, könnte ich Ihnen übel nehmen."
"Richtig", sagte Ricci, "geh nach Hause, Cesare, deine Kinder warten. Du bist doch ihr Ernährer. Und was wird deine Frau sagen? Wer soll ihnen Brot bringen, wenn du dich in solche Sachen einlässt, die böse für dich enden könnten."
Cesare überhörte die Drohung.
"Gut", sagte er, "Sie sind Sprachlehrer und waren nie in Italien. Dann werden Sie auch nichts gegen eine Untersuchung haben. Ihre Unschuld muss sich schnell herausstellen."
"Ich denke nicht daran", sagte der Fremde, "Sie werden reichlich unverschämt. Ich genieße Gastrecht in Ihrem Lande. Meine Regierung wird sich ins Mittel legen."
Cesare grinste unverhohlen. "Wir werden die Sache überlegen", sagte er, "kommen Sie, Frau Rossa."
Sie gingen an einen Tisch im Hintergrund der Schenke, Maria Rossa, Cesare und ein paar andere Burschen, wo sie leise miteinander sprachen.
Der Fremde stand unschlüssig und allein mit seinem Bündel in der Mitte der Schenke, nur Ricci blieb dicht bei ihm. Ricci schob eine Zigarette in den Mundwinkel und entzündete sie. Er betrachtete den Fremden aus schmalen Lidern.
Was für ein Gesicht, dachte der Fremde, nach einem flüchtigen Blick in Riccis Augen. War das ein Gegner oder ein Verbündeter? Beides mochte gleich gefährlich sein.
Ricci rauchte, ohne die Hände zu gebrauchen. Die Zigarette im Mundwinkel wippte auf und nieder.
Die meisten der Pächter beobachteten Ricci. Sie warteten ab, was er tun würde. Wo hier das Recht war, lag auf der Hand, aber der Mensch lebt nicht allein vom Recht. Sie saßen auf Pachtland, viele jedenfalls waren Pächter. Sie hingen völlig von ihrem Grundherrn ab, in dessen Haus der Mafioso aus- und einging. Es genügte, dass er an die Tür des Pächters klopfte und freundlich höhere Abgaben verlangte. Zeigte sich der Pächter widerspenstig, brannte ihm die Ernte auf dem Halm, oder es stieß ihm gar Schlimmeres zu.
Die Pächter hatten allen Grund, abzuwarten, was Carlo Ricci tun würde.
Auf die Seite Cesares waren ohne Zögern die Landarbeiter übergegangen, die nichts zu verlieren hatten, dazu die wenigen, die beim Straßenbau oder in den Gruben arbeiteten und an Lohnkämpfe gewöhnt waren.
Die Schenke glich einem Lager. In der Mitte standen der Fremde und Ricci, auf der einen Seite die Entschlossenen, auf der anderen die Abwartenden. Der Mafioso entschied.
Er drehte sich plötzlich auf dem Absatz um, spie den Zigarettenstummel aus und verließ ohne Gruß die Schenke. Langsam gingen die Pächter hinüber auf die Seite der Rossa, nicht ohne Sorgen für die Zukunft, denn wenn der Mafioso auch gegangen war, wie er sich in dieser Sache verhalten würde, schien doch sehr ungewiss.
Der Fremde ging gleich hinter Ricci hinaus. Er setzte sich auf eine Bank an der Hauswand und lehnte den Kopf zurück.
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