Krieg und Frieden. Лев Толстой
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Wenn die Mitglieder des Kriegsrats glaubten, Kutusow stelle sich nur schlafend, so wurden sie bald eines anderen belehrt, als er bei der Vorlesung der Schriftstücke schnarchte. Weyrother ergriff ein Papier und las mit lauter eintöniger Stimme die Disposition zur bevorstehenden Schlacht vor, unter dem Titel: Disposition zum Angriff der feindlichen Stellungen bei Kopelnitza und Sokolnitza am 20. November 1805.
Die Generale schienen nur widerwillig hinzuhören. Nach der Vorlesung des Schriftstückes, welche mehr als eine Stunde dauerte, bemerkte Langeron, indem er seine Tabaksdose in den Händen drehte, wie schwer es sei, eine solche Disposition auszuführen, wo die Stellung des Feindes unbekannt sei, da der Feind sich in Bewegung befinde. Diese Einwendungen Langerons waren begründet, hatten aber augenscheinlich vor allem den Zweck, dem General Weyrother, der so selbstgefällig sein Werk vorlas, begreiflich zu machen, daß er nicht mit Dummköpfen zu tun habe, sondern mit Leuten, die ihn in kriegerischen Dingen noch belehren könnten. Als die eintönige Stimme Weyrothers schwieg, öffnete Kutusow die Augen, wie ein Müller beim Stillstehen seiner Mühle erwacht. Er horchte auf Langerons Bemerkung, und seine Miene schien zu sagen: »Seid ihr immer noch bei diesen Dummheiten?« Dann schloss er wieder die Augen und ließ den Kopf noch tiefer sinken. Weyrother antwortete auf jede Einwendung Langerons mit einem hochmütigen Lächeln. »Wenn er uns angreifen könnte, so hätte er es heute getan«, sagte er.
»Sie glauben wahrscheinlich, es fehle ihm an Streitkräften?« fragte Langeron.
»Wenn er vierzigtausend Mann hat, ist es viel«, erwiderte Weyrother.
»Dann geht er seinem Untergang entgegen, wenn er unsern Angriff erwartet«, erwiderte Langeron mit ironischem Lächeln. Er blickte den neben ihm sitzenden General Miloradowitsch an, der aber jetzt an andere Dinge zu denken schien.
»Ma foi«, sagte er, »morgen werden wir das auf dem Schlachtfeld sehen.«
»Der Feind hat seine Lagerfeuer ausgelöscht und man hört unaufhörliches Geräusch in seinem Lager«, sagte Weyrother. »Was bedeutet das? Entweder er zieht sich zurück, was uns sehr unangenehm wäre, oder er wechselt seine Stellung. Doch dies würde uns viel Mühe ersparen, und die Disposition bleibt in allen Einzelheiten unverändert.«
»Inwiefern?« sagte Fürst Andree, welcher schon lange eine Gelegenheit erwartet hatte, um seine Zweifel auszudrücken. In diesem Augenblick erwachte Kutusow, hustete und blickte um sich.
»Meine Herren, die Disposition kann man nicht bis morgen, oder vielmehr bis heute – denn es ist schon bald ein Uhr – abändern. Sie haben alles gehört, und wir werden alle unsere Pflicht erfüllen, aber vor einer Schlacht ist nichts wichtiger … als … gut auszuschlafen.«
Er machte Miene aufzustehen. Die Generale verbeugten sich und gingen. Es war nach Mitternacht.
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Der Kriegsrat, auf welchem es Fürst Andree nicht gelungen war, seine Meinung auszusprechen, wie er gehofft hatte, hinterließ ihm einen unklaren und beunruhigenden Eindruck. Welche von den verschiedenen Ansichten die richtige war, wußte er nicht. »Aber konnte denn Kutusow nicht seine Ansicht dem Kaiser offen darlegen? Mußte man etwa einer Phantasie wegen Zehntausende riskieren und darunter auch mein Leben«, dachte er. »Ja, es ist sehr möglich, daß ich morgen falle, ja morgen, morgen!« dachte er. »Morgen ist vielleicht alles für mich zu Ende, und morgen, das fühle ich, werde ich endlich zum erstenmal zeigen können, was ich alles vermag!« Er stellte sich die Schlacht vor mit ihren Verlusten, die Konzentrierung des Kampfes auf einen einzigen Punkt und die Verwirrung in der Oberleitung, und da kommt endlich der glückliche Augenblick, jenes Toulon, das er so lange erwartet hatte. Entschieden und klar spricht er seine Meinung aus gegen Kutusow und den Kaiser. Alle sind erstaunt über die Richtigkeit seiner Anschauungen, aber niemand will es auf sich nehmen, danach zu handeln. Da nimmt er ein Regiment, eine Division, spricht seine Bedingung aus, daß niemand in seine Anordnungen sich einmische, dann führt er die Division zu dem entscheidenden Punkt und erringt den Sieg. »Aber der Tod und das Leiden«, sagt eine andere Stimme, doch darauf gab Fürst Andree keine Antwort. Die Disposition für die folgende Schlacht macht er allein, er wird Generalstabschef der Armee unter Kutusow, aber er allein macht alles. Die folgende Schlacht wird von ihm allein gewonnen, Kutusow wird abgesetzt und er wird an seiner Stelle ernannt … »Nun, und dann«, spricht wieder eine andere Stimme, »was dann?« – »Nun, was dann?« antwortet er sich selbst. »Das weiß ich nicht und will es auch nicht wissen, ich will nur Ruhm! Ich will beliebt und berühmt sein, dafür allein lebe ich, ja, dafür allein! Und ich werde dies niemals jemand sagen, aber mein Gott, was soll ich tun, wenn ich nichts anderes liebe als nur den Ruhm? So teuer auch Vater und Schwester und Frau meinem Herzen sind, ich würde sogleich alles hingeben für eine Minute des Ruhms, des Triumphes, für die Liebe und Verehrung von Menschen, die ich nicht kenne.«
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In dieser Nacht befand sich Rostow mit einer Abteilung Soldaten bei den Vorposten des Heeresteiles unter Bagration. Die Husaren standen paarweise in der Kette, er selbst ritt die Linie entlang und kämpfte mit dem Schlaf. Hinter sich sah er weit und breit im Nebel die brennenden Lagerfeuer unseres Heeres, vor ihm lag die Finsternis. Er dachte, wie im Traum, bald an den Kaiser, bald an Denissow, bald an Erinnerungen aus Moskau. Dann öffnete er wieder die Augen und sah vor sich den Kopf und die Ohren des Pferdes, auf dem er saß, weiterhin aber immer dieselbe nebelhafte Finsternis.
»Warum nicht?« dachte er. »Es ist sehr möglich, daß der Kaiser mir morgen begegnet und mir einen Auftrag gibt: ›Reite dorthin und erkundige dich, was da vorgeht!‹ Ich habe oft erzählen hören, daß auf diese Weise mancher Offizier ganz zufällig in seine Umgebung gekommen ist. Wenn er auch mich zu sich nehmen würde, wie würde ich ihn verehren und behüten! Wie würde ich ihm immer die Wahrheit sagen und die Betrüger entlarven!« Um sich seine Liebe und Ergebenheit für den Kaiser recht lebhaft auszumalen, stellte er sich einen Feind oder so einen deutschen Betrüger vor, den er mit Entzücken vor den Augen des Kaisers nicht nur töten, sondern auch ohrfeigen wollte. Plötzlich erweckte ihn ein Ruf aus der Ferne.
»Wo bin ich? Ich bin in der Kette! Losung und Parole? – ›Deichsel, Olmütz.‹ Wie schade, daß unsere Schwadron morgen in der Reserve stehen wird«, dachte er. Er trieb sein Pferd an, um noch einmal an seiner Abteilung entlang zu reiten. Es schien ihm, daß es heller geworden sei. Zur linken Seite sah er einen steilen, beleuchteten Abhang und diesem gegenüber einen dunklen, steilen Hügel. Auf diesem Hügel war ein weißer Flecken, den sich Rostow nicht erklären konnte. War es eine offene Steile, die vom Monde beschienen wurde? War es Schnee, oder weiße Häuser? Es schien ihm sogar, daß sich auf diesem weißen Flecken etwas rührte. Wieder überwältigte ihn beinahe der Schlaf. Als er die Augen wieder öffnete, hörte er vor sich, dort, wo der Feind war, ein Gewirr von tausend Stimmen. Die Pferde spitzten die Ohren, an der Stelle, von wo die Stimmen ertönten, flammte ein Feuer auf, dann ein zweites, und endlich erschienen Lagerfeuer die ganze französische Linie auf dem Berge entlang, und zugleich wurde es immer lauter. Rostow hörte einzelne französische Worte, am meisten vernahm er: »aaaa rrrr.«
»Was ist das? Was denkst du darüber?« fragte Rostow einen neben ihm stehenden Husaren, »das ist doch beim Feind?«
Der Husar gab keine Antwort.
»Nun, hast du nicht gehört?« fragte Rostow wieder.
»Wer kann's wissen, Eurer Wohlgeboren?« erwiderte der Husar widerwillig.
»Der Richtung nach muß es vom Feinde kommen«, wiederholte Rostow.
»Vielleicht, vielleicht auch nicht«, erwiderte der Husar, »es ist eben Nacht. Ruhig