Jeder stirbt für sich allein. Ханс Фаллада
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Jeder stirbt für sich allein - Ханс Фаллада страница 13
Der suchende Mann in der Kammer hat unterdes das gefunden, was er längst im Besitz seiner Frau vermutete: ein Postsparkassenbuch. 632 Mark drauf, 'ne tüchtige Frau, aber wozu so tüchtig? Sie kriegt doch mal eines Tages ihre Rente, und was sie sonst gespart hat ... Er wird morgen erst mal jedenfalls 20 Mark auf Adebar setzen und vielleicht 10 auf Hamilkar ... Er blättert weiter in dem Buch: nicht nur 'ne tüchtige Frau, auch 'ne ordentliche. Alles liegt beisammen: hinten im Buch ist die Kontrollmarke, und die Auszahlungszettel fehlen auch nicht ...
Er will das Buch gerade in die Tasche stecken, da ist die Frau bei ihm. Sie nimmt ihm das Buch einfach aus der Hand und legt es aufs Bett. »Raus!« sagt sie nur. »Raus!«
Und er, der eben noch den Sieg fest in seinen Händen glaubte, geht vor ihren bösen Augen aus der Kammer. Mit zitternden Händen, ohne auch nur ein Wort zu wagen, holte er Mantel und Mütze aus dem Schrank, ohne ein Wort ging er durch die geöffnete Tür an ihr vorbei ins dunkle Treppenhaus. Die Tür wurde ins Schloß gezogen, er knipste die Treppenbeleuchtung an und stieg die Stufen hinab. Gottlob hatte jemand die Haustür offengelassen. Er wird in seine Stammkneipe gehen; zur Not, wenn er niemanden findet, läßt ihn der Budiker auf dem Sofa dort schlafen. Er marschiert los, in sein Schicksal ergeben, gewohnt, Schläge einzustecken. Die Frau oben hat er schon wieder halb vergessen.
Sie aber steht am Fenster und starrt in das abendliche Dunkel hinaus. Schön. Schlimm. Auch Karlemann ist verloren. Sie wird es noch mit Max versuchen, dem jüngeren Sohn. Max war immer farbloser, mehr der Vater als sein glänzender Bruder. Vielleicht kann sie sich in Max einen Sohn gewinnen. Und wenn nicht, nun gut, dann wird sie für sich allein leben. Aber sie wird anständig bleiben. Dann hat sie eben das im Leben erreicht, daß sie anständig geblieben ist. Gleich morgen wird sie horchen, wie man es anfängt, aus der Partei herauszukommen, ohne daß die sie ins KZ stecken. Es wird schwerhalten, aber vielleicht schafft sie es. Und wenn es eben gar nicht anders sein kann, geht sie ins KZ. Das ist dann gewissermaßen ein klein bißchen Sühne für das, was Karlemann getan hat.
Sie zerknüllt den angefangenen, verweinten Brief an den Älteren. Sie legt ein neues Briefblatt hin und beginnt zu schreiben:
Lieber Sohn Max! Ich will Dir mal wieder ein Brieflein schreiben. Mir geht es noch gut, was ich auch von Dir hoffe. Vater war eben hier, aber ich habe ihm die Tür gewiesen, er wollte doch nur von mir ziehen. Auch von Deinem Bruder Karl habe ich mich losgesagt, wegen der Scheußlichkeiten, die er begangen hat. Jetzt bist Du mein einziger Sohn. Ich bitte Dich, bleibe immer anständig. Ich will auch alles tun, was ich für Dich kann. Schreibe mir bald auch einmal ein Brieflein. Es grüßt und küßt Dich
Deine Mutter
Otto Quangel gibt sein Amt auf
Die mit etwa achtzig Arbeitern und Arbeiterinnen besetzte Werkstatt der Möbelfabrik, der Otto Quangel als Werkmeister vorstand, hatte bis zum Kriegsausbruch nur Einzelmöbel nach Zeichnungen hergestellt, während die Fabrik sonst in allen ihren andern Abteilungen nur Massenmöbel anfertigte. Mit dem Kriegsbeginn war der ganze Betrieb auf die Herstellung von Heeresgut umgestellt worden, und der Quangelschen Werkstatt war dabei die Aufgabe zugefallen, gewisse, sehr schwere und große Kisten herzustellen, von denen behauptet wurde, sie dienten zum Transport schwerer Bomben.
Was Otto Quangel anging, so war es ihm ganz egal, wozu die Kisten dienten; er fand diese neue, geistlose Arbeit seiner unwürdig und verächtlich. Er war ein richtiger Kunsttischler gewesen, den die Maserung eines Holzes, die Anfertigung eines schön geschnitzten Schrankes mit einem Gefühl tiefer Befriedigung erfüllen konnte. Er hatte bei solcher Arbeit soviel Glück empfunden, wie ein Mensch seiner kühlen Veranlagung nur empfinden kann. Jetzt war er zu einem bloßen Antreiber und Aufpasser hinabgesunken, der nur darauf zu achten hatte, daß seine Werkstatt ihr Soll und möglichst mehr als dieses Soll erfüllte. Seiner Art nach hatte er aber nie ein Wort über diese Gefühle verloren, und sein scharfes, vogelhaftes Gesicht hatte nie etwas von der Verachtung, die er für diese erbärmliche Fichtenholzarbeit empfand, verraten. Hätte ihn jemand genauer beobachtet, so hätte er bemerkt, daß der wenig redende Quangel nun überhaupt nichts mehr sprach und daß er unter diesem Zutreibersystem eher geneigt war, die Sieben grade sein zu lassen.
Aber wer sollte auf einen so trockenen, unausgiebigen Mann wie Otto Quangel groß achten? Er schien zeit seines Lebens nur ein Arbeitstier gewesen zu sein, ohne irgendein anderes Interesse als das für die Arbeit, die er zu verrichten hatte. Er hatte nie einen Freund hier besessen, nie zu jemandem ein freundliches Wort gesprochen. Arbeit, nur Arbeit, ganz gleich, ob Menschen oder Maschinen, wenn sie nur ihre Arbeit taten!
Dabei war er nicht einmal unbeliebt, trotzdem er die Aufsicht über die Werkstatt hatte und zur Arbeit antreiben mußte. Aber er schimpfte nie, und er schwärzte nie jemanden bei den Herren vorne an. Schien ihm irgendwo die Arbeit nicht richtig voranzugehen, so ging er dorthin und beseitigte wortlos mit seinen geschickten Händen das Arbeitshindernis. Oder er stellte sich zu ein paar Schwätzern und blieb, die dunklen Augen fast blicklos auf die Sprechenden geheftet, so lange bei ihnen stehen, bis ihnen die Lust zum Weiterreden vergangen war. Ständig verbreitete er ein Gefühl von Kühle um sich. In den kurzen Ruhepausen suchten die Arbeiter möglichst entfernt von ihm zu sitzen, und so genoß er eine ihm ganz selbstverständlich gezollte Achtung, die ein anderer mit noch so viel Reden und Anfeuern sich nicht verschafft hätte.
Auf der Fabrikleitung wußten sie auch wohl, was sie an Otto Quangel hatten. Seine Werkstatt erzielte stets die höchsten Leistungen, es gab nie Schwierigkeiten mit den Leuten, und Quangel war willig. Er wäre längst aufgerückt, wenn er sich hätte entschließen können, in die Partei einzutreten. Aber das lehnte er stets ab. »Für so was habe ich kein Geld übrig«, sagte er dann wohl. »Ich brauch jede Mark. Ich muß 'ne Familie ernähren.«
Man grinste im geheimen über das, was man seinen schmutzigen Geiz nannte. Dieser Quangel schien ja innerlich über jeden Groschen, den er zu einer Sammlung spenden mußte, vor Leid zu vergehen. Er bedachte gar nicht, daß er durch den Eintritt in die Partei viel mehr an Gehaltszulage gewann, als er durch den Parteibeitrag verlor. Aber dieser tüchtige Werkmeister war eben politisch hoffnungslos, und so hatte man denn auch keine Bedenken, ihn in dieser kleinen leitenden Stellung zu belassen, obwohl er kein Parteimitglied war.
In Wahrheit war es nicht der Geiz Otto Quangels, der ihn von einem Eintritt in die Partei abhielt. Gewiß, er war in Gelddingen sehr genau und konnte sich über einen unüberlegt ausgegebenen Groschen noch wochenlang hinterher ärgern. Aber eben, weil er bei sich genau war, war er es auch bei andern, und diese Partei schien alles andere als genau bei der Durchführung ihrer Grundsätze zu sein. Was er bei der Erziehung seines Sohnes durch Schule und Hitlerjugend erlebt, was er von Anna gehört hatte, wie er selbst erlebt hatte, daß alle gutbezahlten Posten in der Fabrik mit Parteigenossen besetzt wurden, denen die tüchtigsten Nichtparteigenossen stets zu weichen hatten – das alles bestärkte ihn in seiner Überzeugung, daß die Partei nicht genau, das heißt nicht gerecht war, und mit einer solchen Sache wollte er nichts zu tun haben.
Darum hatte ihn ja auch Annas Ruf »Du und dein Führer« am Morgen so sehr gekränkt. Gewiß, er hatte bisher an den ehrlichen Willen des Führers geglaubt. Man brauchte nur alle diese Schmeißfliegen und Speckjäger, denen es nur um Geldscheffeln und Lebeschön ging, aus seiner Umgebung zu entfernen, und alles wurde besser. Aber bis es soweit war, machte er nicht mit, er nicht, und das wußte Anna, die einzige, mit der er wirklich sprach, auch ganz gut. Nun schön, sie hatte es in ihrer ersten Aufregung gesagt, er würde