Moby Dick. Herman Melville

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Moby Dick - Herman Melville

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alle sehen in den Flüssen und Meeren dasselbe Bild. Es ist das geheimnisvolle Bild des Lebens, das wir nicht fassen können.

      Wenn ich nun sage, daß ich nicht als Passagier, wenn ich auch um Augen und Lungen anfange, besorgt zu werden, zur See gehe, so habe ich dafür meine Gründe. Schon weil man als Passagier Geld braucht, und ich keins habe. Was sind auch Passagiere, die seekrank werden, leicht die Haltung verlieren, des Nachts nicht schlafen können und mit der See nicht viel anzufangen wissen!

      Ich möchte auch nicht als Kommandant, als Kapitän oder als Schiffskoch gehen. Ich überlasse den Ruhm und die mit hohen Ämtern verbundenen Ehrungen denen, die darauf Wert legen. Als Koch könnte ich mir ja viel Lob erwerben. Aber ich kann aus irgendwelchen Gründen dem Braten von Geflügel nicht viel Geschmack abgewinnen. Nicht, daß ich für das gebratene Geflügel, wenn es mit Butter geschmort und anständig gesalzen und gepfeffert ist, nicht zu haben wäre! Es gibt niemand, der vor einem gebratenen Stück Geflügel größeren Respekt, ja größere Ehrfurcht hätte als ich! Wie müssen die alten Ägypter in ihre gekochten Ibisvögel und gerösteten Flusspferde vernarrt gewesen sein, daß man die Mumien dieser Tiere als Zeichen der Verehrung in ihren kolossalen Backhäusern, den Pyramiden, vorfindet!

      Wenn ich nun zur See gehe, so will ich einfacher Matrose sein, der seinen Platz am Mast hat, sich in die Vorderkajüte fallen lässt und von da bis zum Oberbramsegel emporsteigt. Natürlich werden sie mich wie eine Heuschrecke auf der Wiese von Spiere zu Spiere springen lassen. Selbstverständlich ist solch ein Leben alles andere als angenehm. Es wird einem schwer, wenn man von den van Renselears, den Randolphs oder den Hardicanutes, alten, ehrwürdigen Familien, abstammt. Und mit der Hand, die jetzt Teereimer anfasst, hat man sich vor den längsten Bengels, als man noch zu Lande Lehrer war, Respekt verschafft. Es ist ein Übergang, der wohl zu merken ist. Man muss viel von einem Seneca und den Stoikern mitgekriegt haben, wenn man nicht mit der Wimper zuckt. Aber auch dieser Vorrat geht mit der Zeit drauf!

      Was soll man tun, wenn ein alter Knacker von Kapitän mir befiehlt, einen Besen anzufassen und das Deck abzufegen? Was bedeutet diese Würdelosigkeit an dem Maßstab des Neuen Testamentes gemessen? Glaubst du etwa, daß der Erzengel Gabriel eine geringere Meinung von mir hat, weil ich dem alten Knacker auf der Stelle und ehrerbietig gehorcht habe? Wer ist kein Sklave? Nenne mir einen! Nun, was die alten Kapitäne mir auch befehlen mögen, wie sehr sie mich auch knuffen und zurechtstauchen, ich weiß, daß alles seinen Sinn hat. Ich weiß, daß jeder auf die eine oder die andere Weise vom physischen oder vom metaphysischen Standpunkte aus den gleichen Dienst leisten muss und daß der Knuff im Weltall weitergegeben wird. Alle sollten sich daher gegenseitig die Schulter reiben und den Mund halten!

      Wenn ich Matrose werde, so geschieht es, weil ich für meine Mühe bezahlt werde. Hast du schon mal gehört, daß man Passagieren einen Pfennig gibt, im Gegenteil, Passagiere haben zu zahlen. Das ist es ja gerade, ob man zahlt oder bezahlt wird. Und das Zahlen ist das peinlichste, was uns die beiden Apfeldiebe aus dem Paradiese eingebrockt haben!

      Aber das Bezahltwerden ist ein vornehmes und wundervolles Gefühl. Besonders wenn man bedenkt, daß das Geld die Wurzel allen Übels ist und kein Reicher in das Himmelreich kommt.

      Und zu guter Letzt gehe ich als Matrose wegen der gesunden Beschäftigung und der reinen Luft, die auf dem Vorderkajütendeck weht. Du weißt wohl, daß Winde vom Vorderdeck häufiger sind, als Winde vom Achterdeck. Und somit bekommt der Kommandant die Winde am Achterdeck erst aus zweiter Hand, wenn sie an den Matrosen auf Vorderdeck vorbeigestrichen sind. Er glaubt, er atmet sie zuerst, aber weit gefehlt.

      Aber weshalb mache ich ausgerechnet eine Walfischfahrt mit, da ich doch schon öfter auf einem Handelsschiff die See durchquert habe?

      Da war als Haupttriebkraft der große Wal vorneweg. Dies urgewaltige und geheimnisvolle Ungeheuer zog meine Phantasie von jeher in seinen Bann. Dann waren es die wilden und fernen Meere, wo sein Riesenleib, diese schwimmende Insel, trieb. Ich hatte ein Verlangen nach den nicht auszudenkenden und namenlosen Gefahren, die um den Wal lauern. Diese und die Wunderwelt des Feuerlandes mit ihren tausend neuen Bildern und Klängen gaben meinem Verlangen neue Nahrung.

      Anderen Menschen hätten diese Dinge nichts bedeutet. Aber ich habe nun mal eine unauslöschliche Sehnsucht nach den entlegenen Dingen! Ich schwärme davon, auf unerschlossenen Meeren herumzufahren und an der Küste der Barbaren zu landen. Ich weiß nicht, ob es das richtige ist. Aber ich möchte mich herzlich gern mit den Wilden herumschlagen, wenn es nicht geboten wäre, mit ihnen gut auszukommen, weil man nun mal auf ihre Gastfreundschaft angewiesen ist.

      Ich habe nun Gründe genug angeführt und es verständlich gemacht, daß mir die Walfischfahrt sehr willkommen war. Die großen Schleusentore der Wunderwelt sprangen auf, und unter den wilden Visionen schwammen endlose Reihen von Walen, je zu zweien, auf mich zu. Und in ihrer Mitte ragte ein Riesenphantom mit einem großen Höcker wie ein Schneeberg in die Luft.

      Zweites Kapitel

      Nantucket!

      Nimm eine Karte zur Hand und betrachte sie. Achte darauf, an welchem Ende der Welt Nantucket liegt, wie es von der Küste entfernt, einsamer daliegt als der Leuchtturm von Eddystone. Es ist ein kleiner Hügel und eine Sanddüne. Man sieht nichts wie Strand, und nicht mal einen Hintergrund. Da liegt mehr Sand, als man in zwanzig Jahren, wenn es kein Löschpapier gäbe, zum Schreiben gebrauchen würde. Einige Schwätzer werden dir sagen, daß man dort sogar Unkraut anpflanzen müsste, weil es das dort nicht gäbe, daß man Saudisteln einführen müsste, und daß man eines Zapfens wegen über See fahren müsste, um ein Loch in ein Ölfass zu schlagen. Sie werden sagen, daß das Holz in kleinen Stücken von weither herangeschafft werden muss, wie Teile des heiligen Kreuzes in Rom, und daß man dort große Pilze vor den Häusern anpflanzt, um im Sommer Schatten zu haben. Sie werden sagen, daß ein Grashalm dort eine Oase, zwei Grashalme eine Prärie bilden, daß man dort eigenartige Sandalen trägt, die mit den Schneeschuhen der Lappländer eine gewisse Ähnlichkeit haben. Man soll dort abgeschlossen, eingeengt und auf der einsamen Insel von dem Ozean so dicht umgeben sein, daß sogar an den Stühlen und Tischen kleine Muscheln kleben wie an den Rücken der Seeschildkröten. Aber diese Eigentümlichkeiten beweisen nur, daß Nantucket kein Illinois ist.

      War es da ein Wunder, daß die Bewohner von Nantucket, an einem Strand geboren, sich ihres Unterhalts wegen auf die See begaben? Erst fingen sie Quallen und Krabben in dem Sande. Wenn sie etwas kühner waren, wateten sie mit Netzen in das Wattenmeer hinaus und fingen Makrelen. Als sie noch mehr Erfahrung hatten, fuhren sie auf Booten hinaus und fingen Kabeljau. Schließlich entdeckten sie mit einer Flotte von großen Schiffen die Welt des Meeres. Sie machten die kühnsten Segelfahrten um den Erdball, kamen bis in die Beringstraße und führten zu jeder Jahreszeit in allen Meeren mit dem allergrößten Tier, das die Sintflut überdauert hat, ewigen Krieg.

      So haben diese einfachen Bewohner von Nantucket, wenn sie von ihrem Ameisenhügel aus in das Meer hineinstießen, die Welt des Meeres erobert, wie so mancher Alexander. Sie haben den Atlantischen, den Stillen und den Indischen Ozean unter sich aufgeteilt. Mag Amerika Mexiko an Texas angliedern und Kuba samt Kanada schlucken, mögen die Engländer ganz Indien überfluten und ihre Flagge in der Sonne glitzern lassen, zwei Drittel der ganzen Welt gehören den Bewohnern von Nantucket; denn ihnen gehört die See, sie beherrschen sie, wie die Kaiser über Reiche herrschen. Die anderen Seeleute haben nur ein Durchfahrtsrecht. Die Handelsschiffe sind nur verlängerte Brücken, die Kriegsschiffe sind nur schwimmende Festungen, die Seeräuber folgen nur der See, wie die Wegelagerer der Landstraße folgen, und sie plündern andere Schiffe, die nur einen Teil des Landes darstellen, wie sie selbst. Sie geben sich keine Mühe und suchen sich nicht den Lebensunterhalt aus der bodenlosen Tiefe selbst.

      Die Bewohner von Nantucket haben auf der See ihren Wohnsitz, sie allein behandeln die See wie ihre eigene Plantage, sie beackern sie und bebauen sie. Da

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