BeOne. Martha Kindermann

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BeOne - Martha Kindermann BePolar-Trilogie

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Ausreichend groß, um uns Wärme zu spenden, jedoch klein genug, um es vor neugierigen Städtern verbergen zu können. Kerzen in alten Marmeladengläsern sorgen für eine gemütliche Atmosphäre und der Duft von geschmolzenem Käse und gebratenem Stockbrot machen die Stimmung perfekt. Egal wie chaotisch es in mir drin gerade aussieht, dieser Abend holt mich ab.

      »Wächter«, Rafael erhebt einen unversehrten Kaffeepott und alle Anwesenden tun es ihm gleich, »wow, es erfüllt mich mit Stolz, dass unser kleiner Kreis mittlerweile eine so stattliche Anzahl neuer mutiger Anwärter aufweist und ihr alle geblieben seid, nachdem die neusten Infos die ursprünglichen Pläne geändert haben. Danke!« Er fährt sich mit der freien Hand durch die kurzen Haare und zieht den Mund nachdenklich kraus. »Schon morgen werden wir unsere Schläfer zurück in die Höhle des Löwen schicken und den Stein ins Rollen bringen. Es wird kein Zurück mehr geben!«

      Ich sehe in nickende Gesichter und leuchtende Augen wohin ich auch blicke.

      »Es wird verdammt gefährlich und vermutlich sagt auch der ein oder andere den Zellen des NaSPo Hallo, aber wir könnten kein besseres Team in diese Missionen schicken und das ist alles, was zählt. Ihr seid stark, ihr habt die Zukunft vor Augen und seid bereit Opfer zu bringen. Bravo!«

      Er tippt mit dem Zeigefingernagel gegen seine Tasse und als einer nach dem anderen einstimmt, erklingt ein verrücktes Orchester, dass mir beinahe die Tränen in die Augen treibt. Ich für meinen Teil sehe die Zukunft nicht vor Augen. Ich vertraue Rafael nicht und lasse mich trotzdem auf seinen waghalsigen Plan ein. Ich muss Tristan nach nur einem Tag wieder verlassen, ohne zu wissen in welches Minenfeld er aufbrechen wird und von Tam fehlt weiterhin jede Spur. Ich hatte seit Wochen keinen Kontakt zu meinen Eltern und vermisse sie ganz schrecklich. Egal wie ich es drehe und wende, diese Mission ist ein Himmelfahrtskommando und ich werde ohne Widerworte mitmachen. Moreno hat uns vielleicht manipuliert, aber Rafaels Motivationsansprache kommt diesem Effekt ebenfalls beängstigend nah. Warum bin ich nur so verdammt ruhig?

      »Heute Abend werden keine Karten mehr gewälzt, keine Überwachungsbänder ausgewertet und keine Motorräder poliert! Genießt die letzten freien Stunden und lasst uns gemeinsam feiern. Die Welt in der wir leben mag auseinanderbrechen, aber nicht heute Abend und nicht hier in dieser wunderbaren Gemeinschaft, für die ich unendlich dankbar bin. Mögen die Sterne für uns leuchten und die Dunkelheit vertreiben. Be Polar!«

      »Be Polar!«, rufe ich aus vollem Hals und lasse mich von seiner prophetischen Art mitreißen. Selbstmitleid und Angst haben mich in den letzten Wochen, Monaten, vielleicht sogar Jahren gebremst, aber dieses Feuer hat mich entfacht und ich werde den Weg ins Unbekannte wagen. Absolut bescheuert, ich weiß!

      »Elvis, Lio, Iso? Holt die Klampfen raus. Wir brauchen Musik!« Und dann nimmt er einen kräftigen Schluck Bier und kommt geradewegs auf mich zu, während die Runde sich auflockert und in johlende Lagerfeuerstimmung verfällt.

      »Darf ich mich setzen?« Fenja springt auf, bietet Rafael ihren Platz an und zieht Tristan auf die Beine.

      »Komm Taniboy, wir holen mal neue Getränke?«

      »Taniboy?«, entfährt es mir und Tristan wirft mir einen genervten Blick zu.

      »Frag deinen Bruder.« Und schon sind die beiden verschwunden und überlassen mich meinem Schicksal.

      Eine Weile lauschen wir der Musik, dem Klang von Elvis rauchiger Stimme und dem zackigen Beat, den Iso auf seiner geschundenen Gitarre vorgibt. Ich stiere wie hypnotisiert in die Flammen des prasselnden Feuers und wage es nicht, Rafael eine Frage zu stellen. Wir beide sind so wunderbare Vertraute geworden, nachdem er wieder in mein Leben getreten war und nun könnte die unausgesprochene Kluft zwischen uns kaum größer sein. Ich will glauben, dass alles ein Missverständnis ist, das Rafael eine Rolle spielen musste und in Wahrheit immer noch mein großartiger und tapferer großer Bruder ist, aber es ist verdammt schwer.

      »Los, Roya! Löcher mich, verurteile mich, schlag mich meinetwegen, aber sag bitte etwas. Ich möchte dich morgen nicht gehen lassen, wenn es so zwischen uns ist.«

      »So?«, frage ich.

      »Ja, so. Du kannst mir ja kaum in die Augen schauen. Und wenn du es doch tust, dann sehe ich nichts als Verachtung und Angst. Was habe ich falsch gemacht, was dich so wahnsinnig verletzt hat?« Wenn ich es doch nur in Worte fassen könnte. Alles. Nichts. Ich weiß es nicht.

      »Ehrlich gesagt bin ich mittlerweile nicht mehr sicher, ob du überhaupt etwas falsch gemacht hast.«

      »Ach so? Das sieht aber ganz anders aus.« Er lacht und ext sein Bier.

      »Du warst der Schatten auf den Überwachungsbildern, der Taranee befreit und Tristan verführt hat. Du warst der BePolarist mit den unzähligen Gesichtern und einer Beziehung zu Josi, die mit Caris Tod in Verbindung stand. Du warst der Typ, der unseren Eltern vor Jahren das Herz brach und schließlich der Bruder, der seine Schwestern nicht beschützen konnte.« Und du hast mich zurückgelassen. Ich schlucke und suche die entschuldigenden Worte in den tanzenden Flammen.

      »Moreno hat dich als Sündenbock für all diese Taten hingestellt und ich habe ihm geglaubt. Ich habe dem psychopathischen Herzensbrecher mehr vertraut als meinem eigenen Bruder, weil dein Berg an Geheimnissen einfach zu groß und zu unüberwindbar für mich ist und ich fühle mich schrecklich. Ich weiß nicht, ob eine Geburtsurkunde oder ein DNA-Test die Lösung gewesen wären, aber ich habe dich zu unrecht verurteilt und mit dir Tristan und eure gemeinsame Sache. Nun möchte ich gern wieder deine Schwester sein und hoffe, du…«

      »Komm her, Kleine!« Und dann zieht er mich so ruckartig in seine Arme, dass meine Tasse samt Inhalt zu Boden geht und die Roths ihr Scherbenkonto erneut füllen. Wir kichern gemeinsam über das entstandene Glück und halten uns aneinander fest.

      »Du darfst mich weiterhin Kleine nennen, wenn du mir die Taniboy Geschichte erzählst, Deal?« Ich werde von seinem kernigen Lachen erschüttert und er zerzaust mir liebvoll die Haare.

      »Dein Freund ist einfach so herrlich zu reizen, ich konnte nicht widerstehen.«

      »Dann hast du ihm diesen hirnrissigen Namen nur verpasst, um ihn zu ärgern?« Ich boxe ihn und stemme dann belustigt die Hände in den Schoß. »Du Arsch!«, sage ich mit einem breiten Grinsen auf den Lippen.

      »Sieh ihn dir an, deinen Tristan.« Nur zu gern denn es macht mich glücklich ihn mit Fenja lachen zu sehen und in Freiheit zu wissen. Er musste in seinem jungen Leben schon so viel Leid erfahren, dass er es mehr als verdient hat in den Wächtern ein neues zu Hause zu finden. Hoffentlich bleibt auch für mich noch ein Platz in seiner neuen Welt. Immerhin weiß er noch nichts von meinen neusten Verfehlungen.

      »Vor ein paar Wochen war er der verängstigte, bockige Taniboy, der nur wegrennen wollte, um auf eigene Faust seine Jugendliebe zu retten und nun –«, er stockt und legt mir beschützend einen Arm um die Schulter, »geht er morgen auf gefährliche Mission und vertraut mir, als dem Anführer sein und natürlich dein Leben an. Ich glaube, er ist rausgewachsen aus dem Taniboy und bereit ein Tristan zu sein, was meinst du?« Eine rethorische Frage, die ich nur mit einem schiefen Mundwinkel beantworte ohne den Blick von Tristan abzuwenden.

      »Bring ihn mir bitte wieder zurück, Rafael!« Er zieht mich näher an sich und ich lasse ihn dankbar gewähren.

      »Ich kann dir nichts versprechen.«

      »Ich weiß«, bringe ich mit gebrochener Stimme hervor, »aber du kannst ihn vor selbstlosen Spontanaktionen bewahren, wenn es um mich geht und ihn ausreichend beschäftigen, damit er nicht auf dumme Ideen kommt.« Eine dicke heiße Träne

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