GEN CRASH. Peter Schmidt

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ist also nur unser Zuarbeiter?"

      "Riesenbaby, ha, ha – nimmt uns die Muskelarbeit ab", bestätigte er. "Kopf freihalten von allen Nebensachen. Ich rate Ihnen: Stellen Sie sich gut mit Rie-sen-ba-by. Und nicht bloß, weil er den Fahrer macht oder die Sahneschnittchen besorgt. Seine alte Mutter hat mir anvertraut, er sei manchmal 'n bisschen verwirrt. Drückt sich so aus, dass er Freund und Feind verwechselt."

      2

      Als wir draußen am Strand waren, heulten hinter den Deichen Atomsirenen auf – ein Geräusch, das mir auf den Magen schlug (ich habe manchmal Probleme mit der Verdauung, und der Gedanke, jetzt sei es doch noch passiert, ist wohl nicht mehr aus unseren Köpfen zu vertreiben).

      Die Luxusausgabe eines offenen japanischen Geländewagens jagte auf uns zu. Eines dieser chromblitzenden Ungetüme mit Allradantrieb, dicken Rohren, die zu wer weiß was taugen, und schwarzer Metalliclackierung. Staubfahnen wirbelten hinter seinen Reifen hoch. Er kam über den gepflasterten Weg, der schräg vom Deich zwischen ein paar geschlossenen Fischbuden im Sand endete, und sah aus wie ein aufgemotzter Kampfpanzer ohne Kanone. Ich versuchte mich instinktiv zu ducken oder sonst wie zu verkrümeln. Aber über uns war nur der freie Himmel, und um uns her, so weit das Auge reichte, erstreckten sich ein paar tausend Quadratmeter gelben Sands. Die Pünktchen in roten und gelben Anoraks waren alle weit weg.

      "Keine Gefahr", brummte Sehlen. Seine schönen Augen, diese dunkelbraunen Spiegel der Seele, weiteten sich belustigt. Er hatte mich in einem Moment der Schwäche erwischt, und das bereitete ihm offensichtlich Vergnügen.

      Der Mann am Steuer schien Riesenbaby zu sein, seiner lässigen Art nach zu urteilen.

      Er hing am Lenkrad wie zweihundert Pfund Lebendgewicht, die sich möglichst schnell zur Ruhe betten wollten. Seine rosigen Wangen leuchteten noch greller als seine Schuhspitzen, und die mussten mit dem glänzendsten Eierweiß poliert worden sein, das die chemische Industrie jemals hergestellt hatte. Sehlen beugte sich in den Wagen und ließ sich berichten. Ich bemerkte, dass er seine Stimme dämpfte, als die Präludien vorüber waren.

      Einmal wandte er sich nach mir um und nickte mir so aufmunternd zu, dass jeder, der ihn kannte, sofort irgendeine Hinterfotzigkeit vermuten musste, falls er nicht von allen guten Instinkten verlassen war. Die blaurote Narbe unter seinem linken Wangenknochen phosphoreszierte im versinkenden Licht – oder die untergehende Sonne und die Wellen spiegelten sich darin. Er hatte etwas von einer metaphysischen Erscheinung bei dieser Beleuchtung, mit seinem altmodischen Hut auf dem Kopf, der aus der untersten Kleiderkiste eines Secondhandshops zu stammen schien.

      "Bin in zwei Stunden wieder zurück. Machen Sie's sich schon mal im Haus bequem", sagte er und schwang sich aufs Trittbrett, während Riesenbaby mir einen ebenso abschätzigen Blick zuwarf wie sein Herr und Meister, den Fuß aufs Gaspedals fallen ließ – den linken Mittelfinger lässig zwischen den Lenkradspeichen, die Rechte außen am Ring – und mit durchdrehenden Reifen startete.

      Ich stand da auf dem weit und breit verlassenen Strand, wischte mir den hochgewirbelten Sand von der Jacke und dachte darüber nach, warum ich hergekommen war.

      Dann ging ich langsam zum Haus zurück.

      Er kam weder an diesem Abend noch am folgenden Morgen. Ich hatte genügend Gelegenheit zum Nachdenken.

      Aber wenn man nicht ganz sicher sein kann, dass man Zeit hat, nutzt man sie auch nicht. Man glaubt, man könnte überrascht werden bei seinen Gedanken, und dann stünden sie einem so verräterisch auf der Stirn, dass man sich eine Anklage wegen Ketzerei oder Gotteslästerung einhandelte.

      Angesichts von soviel sinnlosem Leerlauf fragte ich mich natürlich, ob ich nicht schon bald meinem frischgeweißten, aufgeräumten Büro im Allerheiligsten am Südrand von München nachtrauern würde. Dem Blick durch die Bäume mit den Wagen des Außendienstes, die wie Fahrzeuge auf der Geisterbahn in der Tiefgarage verschwanden und irgendwann wieder auftauchten. In anderen Farben oder mit anderen Nummernschildern, je nachdem, von welchem Standpunkt aus man die Sache betrachten wollte.

      Klarissa, meine Lieblingssekretärin, verstand es meisterhaft, mich von allem abzuschirmen, was nicht zu meiner Arbeit gehörte.

      "Um ein Feld wie die Ostpolitik zu beackern", pflegte sie zu sagen, "brauchen Sie Ruhe und noch einmal Ruhe, Adrian. Und viel schwarzen Kaffee."

      Sie kochte vorzüglichen Kaffee. Sie beherrschte das Geheimnis, ihn weder nach Entkalker noch wie Spülmittel schmecken zu lassen.

      Gegen Mittag läutete ein Kurier an der Pforte und warf zwei Briefe durch den Schlitz. Als ich die Tür öffnete, hatte er schon sein Mofa bestiegen und machte sich über den Sandweg durch die Dünen davon.

      Der eine war eine Aufforderung Sehlens, mich noch ein wenig zu gedulden – bis zum Abend, wo wir in den Zandvoorter Kneipen kräftig einen draufmachen und "ein paar strohblonde holländische Meisjes" aufreißen würden. Er sei nach Belgien gerufen worden, Konferenz der Eierköpfe. Unter seinem Namen leicht verschmiert, als wäre die Kugelschreibermine ausgelaufen: "PS: Holen Sie sich was zu futtern in den Büdchen am Strand. Matjes ist am besten bei 'De Windroos'". Im anderen befand sich ein leeres, weißes Blatt Papier.

      Ich hielt den Umschlag gegen das Licht, roch daran und prüfte, ob er mit einer chemischen Flüssigkeit getränkt war, um Nachrichten unsichtbar zu machen. Oder ob es winzige Zeichen gab, die sich nur mit einer starken Lupe entziffern ließen. Aber weder auf dem Blatt noch am Umschlag fanden sich irgendwelche Spuren. Vielleicht war man ja endgültig über das Stadium solcher Albernheiten hinausgelangt – oder jemand erlaubte sich einen Scherz mit mir.

      Sehlen musste längst wissen, was ich über unsere Methode, den Stein des Sisyphus auf den Berggipfel zu rollen, dachte. Er machte sich keine Illusionen darüber. Er hörte die Greise husten und sah, wie viel Grabesschleim sie von sich gaben, um einen Ausdruck aus der Literatur zu gebrauchen. Ich verkörperte für ihn den neuen Aufbruch, einen Typ von Kanalarbeitern, die nicht mehr in den alten Kategorien dachten.

      Spionage und politische Beeinflussung – Desinformation und Diffamierung – sind zwar ursprüngliche menschliche Verhaltensweisen. Ein Kind lenkt man gern von seinem Schmerz ab, indem man seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes richtet, den Schnuller, die Rassel: das Grundmuster der Desinformation, nämlich einen glauben zu machen, man habe keinen wundgelegenen Hintern, sondern fühle sich ausgezeichnet.

      Aber seitdem Gorbatschows frischer, neuer Wind durch die Politik wehte, waren die alten Methoden in Verruf geraten. Man praktizierte sie weiter, wenn auch in dem Gefühl, nicht mehr ganz auf der Höhe der Zeit zu sein. Man argwöhnte, die Entwicklung könnte leicht über einen hinweggehen, und dann stände man genauso belämmert da wie die alte Garde im Ostberliner Politbüro, nachdem sie in die Verbannung geschickt worden war.

      Also lieber Flexibilität demonstrieren, nachgeben, wo es nicht viel kostet. Ein paar liberale Sprüche klopfen; düstere Kommentare zum kalten Krieg; Einsichten über die Schwächen der menschlichen Psychologie. Verführbarkeit, Rücksichtnahme. Dumpfes Unbehagen schon immer gehabt und so weiter.

      Forum hatte mich dazu auserkoren, die Fahne des neuen Denkens vor uns herzutragen. Aber Rücksichtnahme auf die Gefühle der Veteranen. Man kann durchaus darauf verzichten, bei der Parade immer in vorderster Reihe zu laufen, manchmal genügt auch das vierte oder fünfte Glied.

      Nicht einmal Michail Sergejewitsch Gorbatschow gehörte zu den Unsterblichen, bei aller Gottähnlichkeit. Um einen Platz im marxistischen Olymp zu erlangen und wie die anderen Klassiker in den Himmel gehoben (und später geköpft) zu werden, musste

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