Silberschatten. Катя Брандис
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„Der Junge da... das ist Prinz Kendan!“, hörte ich jemanden sagen, und auf einmal flüsterte es von überall her: „Der Prinz ist hier... der Prinz... hier in unserem Dorf!“
Neugierig beobachtete ich Kendan. Nie hätte ich gedacht, dass ich ihn einmal mit eigenen Augen sehen würde – Burg Aquilar, wo er und sein Vater Giélo III. lebten, lag viele Tagesreisen weit im Süden. „Was hat er da auf der Nase?“ fragte ich eine junge Amme, die neben mir stand.
„Das sind seine Augengläser, hast du nie davon gehört? Er soll sie selbst erfunden haben. Ohne sie ist er fast blind, heißt es.“
„Ach so“, sagte ich. Eigentlich hatte ich mir Kendan anders vorstellt. Größer vielleicht, und stärker. Und doch wirkte er wie ein Herrscher. Selbstbewusst und aufrecht saß er im Sattel und ließ die Augen über unseren Dorfplatz aus festgestampfter Erde schweifen. Die Begleiter des Prinzen wirkten ungeduldig, blickten abwesend oder gereizt auf uns herab. Nur Prinz Kendan nicht. Er stieg von seinem grauen Hengst, gab die Zügel einem seiner Leute und ging auf uns zu.
Es war totenstill geworden auf dem Dorfplatz, alle Augen waren auf den Prinzen gerichtet. Wie gebannt blickte ich Kendan entgegen.
„Seid gegrüßt“, sagte Prinz Kendan. Er hatte eine ruhige, freundliche Stimme. „Ich freue mich, euch kennenzulernen, Bürger von Otija. Vielleicht könnt ihr mir helfen. Ich bin auf einer Suche, die mich durch ganz Gabrún führt und darüber hinaus. Einen Drachen muss ich finden, sonst werde ich das Erbe meines Vaters nicht antreten können, wenn er stirbt. Weiß einer von euch etwas, das mir helfen kann?“
Mein Herz entschied für mich, entschied sich für diesen Prinzen. Ich trat vor und sagte laut und deutlich: „Ich weiß, wo ein Drache zu finden ist.“
Köpfe wandten sich mir zu, ungläubige Blicke trafen mich. Was sie wohl dachten, die Nachbarn, die schon so oft gutmütig über mich gespottet hatten? Jeskos neuste Spinnerei? Doch Kendan musterte mich interessiert. „Wie heißt du?“
„Jesko Tevanian“, sagte ich und ärgerte mich darüber, dass meine Stimme spröde klang vor Aufregung. „Ich lebe auf einem Hof am Rande des Dorfes und bin oft in den Bergen unterwegs. Dabei habe ich den Drachen entdeckt.“
„Komm mit“, sagte der Prinz und führte mich zurück zu seinen Leuten. Sie blickten mir erstaunt entgegen, stiegen nun ebenfalls von ihren Pferden. Ich erzählte, was ich erlebt hatte, und beschrieb ihnen den Weg zur Höhle, den ich damals genommen hatte. Neugierig und ohne mich zu unterbrechen, hörten die Männer mir zu. Prinz Kendan war bester Laune. „Hervorragend“, sagte er. „Ich hatte fast schon nicht mehr daran geglaubt, dass wir einen finden würden. Jesko, kannst du uns hinführen zu dieser Höhle?“
„Es wird mir eine Ehre sein – ich hoffe, der Weg ist inzwischen wieder passierbar“, hörte ich mich sagen.
„Gut.“ Kendan betrachtete mich durch seine Augengläser, und ich schämte mich meiner einfachen, geflickten Sachen, meines schartigen Schwerts aus billigem Stahl, meiner weißblonden Haare, wegen denen mich die anderen Jugendlichen neckten und die viel zu lange nicht mehr gestutzt worden waren. Doch Kendan sagte einfach nur: „Sir Palek, gebt ihm Euer Ersatzschwert. Er wird es brauchen, wenn der Drache noch da ist.“
Ich bedankte mich. Doch meine Freude über das Geschenk verflog schnell, und zurück blieb eine eigenartige Leere. Schon so lange hatte mein Geheimnis mir Kraft gegeben, das Leben auf dem Hof zu ertragen, die endlose Schufterei Tag um Tag um Tag. Ich hatte lernen müssen, meine Träume festzuhalten, sie auszukosten bis zur Neige. Nun hatte ich sie hergegeben, einfach so, an jemanden, den ich seit einer Minute kannte.
Um mich zu trösten, schaute ich mir das Schwert an, das ich bekommen hatte. Es war eine schlichte, aber edle Waffe mit dem Zeichen des Königs im Griff. Zum Glück wusste ich damit umzugehen. Mein ehrgeiziger Bruder hatte irgendwann entschieden, dass ich gefälligst sein Übungspartner zu sein hatte, und ich hatte gelernt, mich zu wehren, wenn ich dabei nicht allzu viele blaue Flecken abbekommen wollte. Im letzten Sommer war ich noch dazu ein ganzes Stück gewachsen. Inzwischen hatte Fendec so etwas wie Respekt vor mir bekommen, ebenso wie unsere fledermausohrigen, wilden Izu, die mein Vater aus den Bergen geholt hatte, um den Hof vor Kobolden, den bösartigen Grimbalds und menschlichem Gesindel zu schützen. Izu dienen nur demjenigen, der sie besiegen kann. Mit Fünfzehn hatte ich es endlich geschafft, einen von ihnen auf den Boden zu ringen und dort zu halten – seither hörten sie auch auf meine Befehle.
Im Morgengrauen sollte die Suche nach dem Drachen losgehen. Kendan verabschiedete sich, seine Leute würden für sich und ihn ein Nachtlager außerhalb des Dorfs errichten. Mir blieb jetzt das Spießrutenlaufen durch die Menge. „Oh, wir sind so stolz auf dich!“ schwärmte eine alte Händlerin, die mich früher im Rechnen unterrichtet hatte. Ein Bauer, der zwei Höfe weiter lebte, schalt mich, warum ich nicht schon viel früher von dem Drachen erzählt hatte. Und mein Bruder rempelte mich an und fragte: „Bist du denn sicher, dass das Vieh noch da ist? Sonst blamierst du dich und uns alle bis auf die Knochen!“
Ich erschrak. „Äh, nein, ich bin nicht sicher, ob er noch da ist. Aber... sind Drachen nicht ortstreu? Sie haben doch ein festes Revier, oder?“
„Wart nur ab, bis ich das Vater erzähle.“ Fendecs Stimme war schadenfroh. Obwohl er den Hof erben würde und ich nur zwei unserer vier Izu, gönnte mir Fendec nichts. Und ganz besonders nicht die Gunst des zukünftigen Königs.
„Was will der Prinz eigentlich mit dem Drachen?“ fragte Rikki. Ich spürte, wie mein Gesicht heiß wurde. Jedesmal, wenn ich sie ansah, kam die peinliche Erinnerung an unsere Treffen hoch. Warum hatte ich nicht früher gemerkt, dass sie mich nur benutzt hatte, um an meinen umschwärmten Bruder heranzukommen?
„Frag den Prinzen am besten selbst“, sagte ich ihr, drehte mich um und ging zum Hof zurück.
Am nächsten Morgen hing dichter Frühnebel über dem Tal. Noch vor Sonnenaufgang machte ich mich auf zum Lager des Prinzen, streifte durch das vom Tau feuchte Gras der Wiesen und genoss es, mit meinen Gedanken allein zu sein. Mein Vater hatte mir angeboten, die Izu mitzunehmen. Doch gegen einen Drachen konnten selbst sie mit ihren kräftigen Gebissen nichts ausrichten. Außerdem waren die Izu im Frühling immer etwas reizbar, und ich wollte nicht, dass sie womöglich die Leute des Königs angriffen.
Im Lager des Prinzen herrschte schon rege Betriebsamkeit, und wir konnten uns bald auf den Weg zum Norl-Pass machen. Als die Pfade schmaler und steiler wurden, mussten Kendan und seine Leute ihre Pferde zurücklassen. Nur ein Bergpony, das Gepäck tragen konnte, nahmen sie mit. Ich schritt kräftig aus, merkte aber, dass die anderen ins Keuchen kamen und bremste mich wieder etwas. Kendan versuchte nicht, neben mir zu gehen oder sich mit mir zu unterhalten. Sobald er wieder etwas zu Atem gekommen war, lachte und scherzte er mit seinen Begleitern.
Der Weg über den Pass war inzwischen wieder benutzbar, es gab einen neuen Pfad, und ich ärgerte mich darüber, dass ich nicht früher versucht hatte, zur Höhle vorzudringen. Trotzdem war es schön, wieder einmal die kalte, klare Luft der Berge zu atmen. Hier und da lagen noch schmutzigweiße Schneereste, aber der Frühling hatte die Berge schon erreicht, an vielen Stellen leuchteten Bergveilchen und zartrosa Mondblumen durchs kurze Gras.
Wir erreichten die Stelle gegen Mittag. Sie lag unterhalb eines Nebengipfels, verborgen unter einer Felsplatte, die aus dem Gestein ragte. Ich signalisierte Kendan, dass wir da waren, und bedeutete ihm, vorsichtig zu sein. Auf den ersten Blick sah ich, dass vor dem Eingang der Höhle der Schnee geschmolzen war. Jetzt erst spürte ich ein Prickeln der Furcht im Nacken. Der Drache ist da.
Seine Leute ließ Prinz Kendan in einiger