AYESHA - SIE KEHRT ZURÜCK. Henry Rider Haggard
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Bei genauerem Hinschauen konnten wir jetzt auch eine kleine Stadt entdecken; ihre verschneiten Häuser standen auf einem flachen Hügel, an dessen Fuß ein breiter Fluss vorbeiströmte. Es musste eine größere Bevölkerung auf dieser Ebene leben, denn mit Hilfe unseres Feldstechers, einem der wenigen Ausrüstungsgegenstände, die wir durch all die Jahre gerettet hatten, sahen wir das Grün frischer Saaten durch die tauende Schneedecke sprießen, erkannten dunklere Streifen als Bewässerungskanäle und mit Büschen und Bäumen bestandene Raine.
Ja, vor uns lag das Gelobte Land, und dort erhob sich aus ihm der mystische Berg; wir brauchten jetzt nur noch die schneebedeckten Hänge der Berge hinabzusteigen, um es zu betreten.
So dachten wir in unserem Optimismus und ahnten nicht, dass die größten Schwierigkeiten uns noch bevorstanden, welche Strapazen und Schrecken wir noch erleiden mussten, bevor wir endlich im Schatten des Lebenssymbols standen.
Kälte und Erschöpfung waren vergessen; wir gingen rasch zum Zelt zurück, schlangen etwas von unserer Trockennahrung hinunter, zusammen mit ein paar Klumpen Schnee, der so eisig kalt war, dass er neue Kälteschauer durch unsere Körper jagte und unsere Zähne schmerzen machte; doch wir waren gezwungen, mit ihm unseren Durst zu löschen. Schließlich zerrten wir das arme Yak auf die Beine, beluden es und brachen auf.
Wir hatten so große Eile, endlich unser Ziel zu erreichen, und waren so mit unseren eigenen Gedanken beschäftigt, dass wir, wenn ich mich recht erinnere, kaum ein Wort miteinander wechselten. Rasch und ohne zu zögern schritten wir den Berghang hinab, denn auf dieser Seite des Gebirges war die Straße zu beiden Seiten mit Steinsäulen markiert. Der Anblick dieser Markierungen wirkte äußerst beruhigend auf uns, sagten sie uns doch, dass wir uns auf der Straße befanden, die ins Gelobte Land führte.
Doch war es eine Straße, die offensichtlich nicht mehr begangen wurde, da wir außer den Spuren von Wildschafen, Bären und Bergfüchsen keine Anzeichen ihrer Benutzung entdecken konnten. Das ließ sich wohl damit erklären, sagten wir uns, dass die Straße wohl nur während des Sommers benutzt wurde. Oder die Menschen, die jetzt in diesem Land lebten, waren Stubenhocker, die ihre kleine Stadt nicht verließen.
Die Berghänge erwiesen sich als länger, als wir angenommen hatten, und als es dunkel wurde, hatten wir den Fuß des Berges noch längst nicht erreicht. Also waren wir gezwungen, noch eine Nacht im Schnee zu verbringen und schlugen unser Zelt im Schutz einer überhängenden Felsplatte auf. Da wir einige tausend Fuß tiefer gestiegen waren, wurde es nicht ganz so kalt, wie in den vorangegangenen Nächten; ich glaube, dass wir nicht mehr als zehn Grad unter Null hatten. Tagsüber hatte die Sonne den Schnee auch schon an einigen günstigen Stellen weggeschmolzen, so dass wir Trinkwasser fanden und das arme, alte Yak seinen Magen mit trockenem Bergmoos füllen konnte.
Wieder zog ein neuer Tag herauf, die aufgehende Sonne warf ihr rotes Licht über die endlosen, verschneiten Bergmassen, und wir krochen unter den Decken hervor, aßen etwas von den Resten unserer Vorräte und brachen auf.
Jetzt war uns der Ausblick auf die Ebene versperrt; wir konnten nicht einmal mehr den alles überragenden Vulkan sehen; er war hinter einem langgestreckten, steilen Grat verborgen, der von einem engen Einschnitt durchbrochen war, und auf diesen Hohlweg bewegten wir uns nun zu. Und die Pfeiler zu beiden Seiten bewiesen uns, dass auch die Straße direkt darauf zuführte. Gegen Mittag schienen wir dem Einschnitt schon sehr nahe gekommen zu sein, und wir gingen rascher. Aber es bestand keinerlei Grund zur Eile, wie wir eine Stunde später feststellen sollten.
Zwischen uns und dem Hohlweg lag eine breite Schlucht, die drei- bis vierhundert Fuß tief zu sein schien; und auf ihrem Grund hörten wir das Rauschen von Wasser.
Die Straße führte offensichtlich bis zum Rande dieser Schlucht, denn einer der Markierungspfeiler stand hart am Abgrund; doch wie konnte eine Straße durch diese Schlucht führen? Wir standen fast eine Minute lang reglos und starrten in die Tiefe. Dann fiel uns eine mögliche Erklärung ein.
»Siehst du nicht«, sagte Leo mit einem bitteren Lachen, »dass dieser Spalt sich geöffnet haben muss, nachdem man die Benutzung der Straße aufgegeben hatte? Vulkantätigkeit wahrscheinlich.«
»Vielleicht. Oder es hat an dieser Stelle eine Holzbrücke oder eine Galerie gegeben, die inzwischen verrottet ist. Das spielt jetzt keine Rolle; wir müssen versuchen, einen anderen Weg zu finden, das ist alles«, sagte ich so optimistisch, wie es mir möglich war.
»Ja, und zwar sehr bald«, antwortete Leo, »wenn wir nicht für immer hier hängenbleiben wollen.«
Also wandten wir uns nach rechts und gingen am Rand der Schlucht entlang, bis wir nach etwa einer Meile einen kleinen Gletscher erreichten, dessen Oberfläche mit eingefrorenen Steinen gesprenkelt war. Der Gletscher hing über den Rand der Schlucht wie ein gefrorener Wasserfall, doch ob er bis zum Grund reichte oder nicht, konnten wir nicht beurteilen. Es war aber auf jeden Fall unmöglich, über ihn auf den Grund zu gelangen. Von unserem Standpunkt aus konnten wir erkennen, dass das Eis immer weiter überhing und auf dem letzten Stück, das wir einsehen konnten, fast senkrecht abfiel.
Also gingen wir zur Straße zurück und weiter in die andere Richtung. Hier schoben sich die Bergflanken immer näher und steiler an die Schlucht heran, die an dieser Stelle aber ebenso breit und grundlos erschien wie auf ihrer übrigen Länge. Da es dunkel zu werden begann, sahen wir uns nach einem passenden Platz für unser Zelt um und entdeckten, etwa eine Meile entfernt, einen kahlen Felsen, der unmittelbar am Rand der Schlucht stand. Wir gingen so rasch wir konnten darauf zu, in der verzweifelten Hoffnung, von seiner Höhe aus vielleicht doch eine Stelle zu entdecken, an der wir auf den Boden der Schlucht gelangen könnten.
Als wir endlich völlig ausgepumpt den flachen Gipfel des etwa hundertfünfzig Fuß hohen Felsens erreicht hatten, stellten wir fest, dass auch hier, genau wie jenseits des Gletschers, die Schlucht erheblich tiefer, und ihre Wände noch steiler waren, als an der Stelle, wo die Straßen an ihrem Rand endete, so tief, dass wir nicht den Grund sehen konnten. Doch auch hier hörten wir das Tosen von Wasser. Außerdem war die Schlucht hier eine gute halbe Meile breit.
Während wir in das bodenlose Dunkel hinabstarrten, verschwand die Sonne hinter den Bergen, und da der Himmel verhangen war, wurde es so plötzlich dunkel, als ob man eine Kerze gelöscht hätte. Für einen Abstieg von dem Felsen war das wenige Licht längst nicht ausreichend, vor allem, da wir an einer Stelle wegen des Yaks eine Art Steintreppe benutzen mussten, die wir in der Dunkelheit ungern hinabsteigen wollten. Da wir außerdem nur die Wahl hatten, die Nacht auf diesem flachen Felsplateau oder im Schnee an seinem Fuß zu verbringen, wo es genauso kalt war wie hier, und wir außerdem ziemlich erschöpft waren, beschlossen wir, die Nacht hier oben zu bleiben, und das rettete, wie wir bald erfahren sollten, uns das Leben.
Wir sattelten das Yak ab, schlugen unser Zelt im Windschatten einer kleinen Felsennase auf und aßen etwas Trockenfisch und Maiskuchen. Es war der letzte Rest der Vorräte, die wir aus dem Lama-Kloster mitgenommen hatten, und wir sagten uns, dass wir tags darauf unbedingt irgendein Wild schießen mussten, falls wir nicht auf die allerletzte Reserve zurückgreifen und unseren alten Freund, das Yak essen wollten. Dann wickelten wir uns in unsere dicken Felle und Decken und vergaßen unsere missliche Lage im Schlaf.
Es kann nicht lange vor Tagesanbruch gewesen sein, als wir von einem berstenden Krachen aufgeschreckt wurden, das wie Kanonendonner klang, gefolgt von tausend anderen Geräuschen, die sich wie Salvenfeuer von Musketen anhörten.
»Mein Gott! Was ist das?«, rief ich erschrocken.