Grün ist das Leben. Wolfgang Bendick
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Es verging kaum ein Tag, den wir ohne 10 Minuten Verspätung begannen. Der Chef meinte, das läge am alten Backofen. Doch später, mit den zwei neuen, ging es auch nicht anders. Für mich war das mehr eine Taktik, um die Mannschaft auf Hochtouren zu halten…
Seit diesem Tag führte ich ein Doppelleben: Tagsüber in der Stadt und auf den Straßen, nachmittags manchmal etwas am Hof, denn meist hatte ich so gegen 4 Uhr Feierabend. Die Bäcker hörten schon mittags auf. Auch der Chef machte nachmittags seinen Mittagsschlaf, nur der Konditor arbeitete so bis drei, weil er die inzwischen weniger heißen Backöfen zum Backen seiner Böden und Nussecken und andere Spezialitäten benutzte. Bei Gebäck gab es nach einer Vollbremsung kein Schweinefutter. Die Überreste wurden zu ‚Granatsplittern‘ verwandelt, diesen mit schwarzer Schokolade überzogenen Kegeln, in denen man alles verschwinden lassen konnte. Die übrigen Semmeln wurden eingefroren und mussten herhalten, wenn mal ein unerwarteter Kaufwahn herrschte. Ansonsten wurde, anhand des Kalenders (hier aber kein Mondkalender!) gut vorausgeplant, wieviel man an besonderen Tagen von allem benötigen würde. Das grenzte für mich schier an Hellseherei, besonders, wenn Feiertage bevorstanden!
Rausschmiss
Samstagnachmittag radelte ich weiterhin zu meinem Heilpraktiker, sonntags wanderten wir nach einem etwas längeren Schlaf meist durch die Wälder und Wiesen der Umgebung. Außer, wenn eine besondere Konstellation uns und den Bauern auf den Acker rief… Wir arbeiteten mehr, als eigentlich ausgemacht war, denn wir wollten nicht, dass der Bauer mal sagen könnte, wir hätten ihn ausgenutzt und nur eine kostenlose Bleibe gesucht!
Doch dieses war wohl unvermeidlich. Sonntagvormittag, als ich durch den Stall ging, merkte ich, dass irgendwas mit dem Bauern anders war. Die Kühe hatten heute nichts zum Lachen! Doch hörte ich sie vorher auch nicht oft lachen. Die Bäuerin hatte anscheinend auch schon ihren Teil abgekriegt, denn mir schien, ich sähe Tränen in ihren Augen. Und dann war ich dran! Ich fragte mich, ob das eine Konjunktion oder Opposition verschiedener Zeichen war, denn einen konkreten Grund fand ich keinen, auch nicht im Mondkalender. „Ihr taugt zu nichts anderem, als zum Fressen!“, schien er vor sich hinzugrummeln. „Alles muss man selber machen!“ Ich tat, als hätte ich nichts gehört. Er wurde lauter: „Schaut euch doch mal bei der Arbeit zu, wie Schnecken!“ Und er ahmte uns irgendwie nach, mit ganz langsamen Bewegungen. Ich spürte, da war Krieg im Anmarsch! „Ich hätte euch niemals nehmen sollen, außerdem sind ja auch so viele andere da, die helfen wollen! Beim Rödelberger, im Schwarzwald, da zahlen sie noch fürs Helfen, schlafen in ungeheizten Schlafsälen auf selbstgemachten Strohsäcken…“ Diese Leier kannten wir schon auswendig. „Dann können wir ja gehen!“, schlug ich als Lösung vor. Das brachte ihn erst recht in Fahrt. „Darauf habe ich schon seit Wochen gewartet! Da sieht man, wie ihr seid! Erst liest man euch von der Straße auf, dann lasst ihr einen im Stich! Erst gebt ihr einem das Wort, die Saison zu machen, dann haut ihr mittendrin ab! Bald wird der Hof pleite sein, und das wegen euch, weil ihr nur rumhängt, ihr dreckiges Hippiepack, verschwindet nur schnell, setzt ja keinen Fuß mehr in meinen Hof!“ Das war´s dann wohl, das Ende unserer Bio-Laufbahn! Ich bereitete mich darauf vor, es Doris beizubringen, die noch irgendwo bei einer nicht aufschiebbaren Arbeit auf dem Feld war, und ging in unser Zimmer.
Die Bäuerin hatte das Geschrei mitbekommen, denn laut genug war es ja gewesen. Sie suchte mich auf. „Nehmen sie das nicht ernst!“, flehte sie, „er meint es doch gar nicht so!“ „Genauer hätte er es aber nicht ausdrücken können!“, antwortete ich. „Ach, sie wissen gar nicht, wie schwer ich es manchmal habe!“ Doch das hatten wir beide schon mitbekommen. „Überlegen sie es sich bis morgen, sie werden sehen, dann ist er wieder ganz anders!“ „Ich habe ihn nicht oft anders erlebt!“, warf ich ein. „Sie müssen wissen, warum er manchmal so ist. Damals, vor Kriegsende war er fünf Tage in einem eingestürzten Bunker verschüttet gewesen. Seitdem hat er manchmal diese Krise. Sie werden sehen, morgen geht es wieder besser, aber sagen sie ihm ja nichts von dem, was ich ihnen erzählt habe!“
Am Nachmittag ließen Doris und ich die Arbeit liegen, da wir ja offiziell rausgeschmissen waren, und wanderten durch die nach Leben riechenden Hügel. Für uns stand fest: selbst, wenn der Bauer morgen wieder klar wäre, müssten wir uns doch möglichst bald eine andere Wohnung suchen. Er konnte uns wirklich von heute auf morgen vor die Tür setzen!
Als ich am Montagnachmittag von der Arbeit zurückkam, war am Hof alles normal. Der Bauer war etwas brummig, wie eigentlich immer. Doris berichtete mir, dass sie hatte Schachtelhalmbrühe rühren dürfen, in einem Fass mit Regenwasser, eine Stunde lang. Mit einem Reisigbesen musste sie so lange rühren, bis sich ein Trichter in der Flüssigkeit gebildet hatte, dann entgegengesetzt, bis sich ein neuer gebildet hatte, und dann wieder umgekehrt. Eine Stunde lang. Dabei hatte sie ihren Gedanken freien Lauf gelassen. Ich hätte bestimmt Mantras dabei gemurmelt. Dann hatte der Bauer die Brühe in Wasser verdünnt mit seinem Spritzfass in den Obstpflanzungen ausgebracht, um Pilzbefall vorzubeugen. Das wunderte mich. Denn Präparate zubereiten war bisher immer Männersache gewesen! Diese waren ja, laut Steiner, empfänglicher für die kosmischen Kräfte. Vielleicht sollte diesmal ein wenig Erdbezogenheit hinzugefügt werden…
Der Bodenseeraum hat ein besonderes Klima, was vor allem für den Obst- und Gemüsebau genutzt wird. Überall trifft man auf Obstanlagen, die aber meist industrieller Art sind. Die Höhe der Stämme ist einer mechanischen Bearbeitung angepasst, die Pflanzen stehen in engen Reihen und in Monokultur. Biologische Richtlinien werden dabei in keiner Weise beachtet. Zu bestimmten Zeiten fahren in S-artigen Schleifen Traktoren, ausgerüstet mit turbinenbestückten Spritzfässern, durch die engen Baumreihen und hüllen diese und auch die ganze Nachbarschaft in einen übelriechenden, giftigen Nebel. Um zu beweisen, dass diese unschädlich sind, tragen die Bauern weder Atemmasken, noch Schutzkleidung. Diesen ‚Soldaten der Spritzkanonen‘ sind die Biobauern ein Dorn im Auge, denn deren Obstwiesen betrachten sie als Brutherde von Seuchen und Schädlingen. Wenn man diesen schon nicht ihre Arbeitsweise verbieten kann, dann kann man zumindest, vorbeugend, mal einen Strahl in deren Richtung schicken… Eigentlich war fast das ganze Land des Hofes von Gift-Bauern umgeben. An einer Stelle bildete ein Bach die Grenze zu der Sauerkirsch-Plantage eines Großbauern. Dieser spritzte sein Ufer mit einem Unkrautmittel ‚sauber‘. Nichts, außer stellenweise noch etwas sonderbar gefärbtem Moos wuchs noch auf der Böschung. Das bedingte, dass das Ufer wegrutschte, unterspült vom Wasser und durch das Gewicht der Maschinen und dass der Bach öfters ausgehoben werden musste. Auf unserer Seite war die übliche Ufervegetation, Gras, verschiedene ‚Un-Kräuter‘, die hier aber an ihrem Platz waren, und mit ihren Wurzeln das Ufer befestigten und Insekten Lebensraum gaben. Fische gab es schon lange nicht mehr in diesem Bach. Und auch auf unserer Seite gab stellenweise das Ufer nach, weil der Nachbar-Bauer es zu gut mit dem Bio-Bauern meinte, und ab und zu mal einen Strahl rüberschickte. Das nannte sich dann ‚Windverwehung‘ und war Anlass zu nicht endenden, fruchtlosen Prozessen.
Seit dem nicht ausgeführten ‚Rausschmiss‘ war die Lage gespannt. Wir befürchteten, dass ein weiterer Anfall des Bauern jederzeit möglich war, und das lastete auf der Stimmung. Auch erwarteten wir so etwas wie eine Entschuldigung, zumindest einen Versuch. Doch auch Bio-Bauern sind nur Menschen und können nicht aus ihrer Haut. Und was blieb ihm von einem solche Vorfall überhaupt in Erinnerung? Jedenfalls schaute ich mich während meines Ausfahr-Jobs nach einer neuen Unterkunft um und wir durchstöberten das wöchentliche