Tot oder lebendig. Kai Althoetmar

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Tot oder lebendig - Kai Althoetmar Kriegsgeschichten

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bat er zusätzlich noch um Überlassung der Aufklärungsabteilung der 1. Gebirgs-Division aus der OKW-Reserve und um weitere Einheiten der „Brandenburger“-Division. Zugleich erbat er das SS-Fallschirmjäger-Bataillon 500.

      Während das OKW die Gebirgsaufklärer für den Einsatz sofort freigab, gab es bei den Fallschirmjägern ein Problem. SS-Reichsführer Heinrich Himmler hatte das Bataillon für einen Gebirgseinsatz in Slowenien eingeplant - „ein Säuberungsunternehmen in der Oberkrain“, wie es im OKW-Kriegstagebuch heißt.45 Auf Bitten der Armeeführung gab er die Einheit jedoch frei. Adolf Hitler bekam die Pläne vom OKW vorgelegt und zeigte sich begeistert. Er stellte klar, was höchste Priorität habe: „den Hauptstab Tito zu stellen und nach Möglichkeit zu zerschlagen“.46 Genau dazu sollte das SS-Fallschirmjäger-Bataillon 500 eingesetzt werden.

      Die mit der Planung befaßten Militärführer waren sich darüber klar, daß Erfolg oder Mißerfolg des Kommandounternehmens in erster Linie von den Luftlandetruppen abhingen, in zweiter Linie vom XV. Gebirgs-Korps. Das Korps sollte mit fünf motorisierten Kampfgruppen sämtliche Zugänge nach Drvar abriegeln, die Partisanenverbände im Raum Drvar binden und niederkämpfen und danach das SS-Bataillon entsetzen.

      Seit Herbst 1941 lagen die deutschen Truppen mit jugoslawischen Partisanen im Kampf, erst mit den königstreuen Tschetniks unter General Draa Mihailoviæ, dann mehr und mehr mit Titos kommunistischer Guerilla. „Die Lage auf dem jugoslawischen Kriegsschauplatz im April 1944 zeichnete sich einerseits durch permanente Abwehrkämpfe in Dalmatien, Montenegro und Albanien gegen Partisanenverbände und alliierte Kommandounternehmen aus, während es andererseits den Deutschen in Serbien, Kroatien und Bosnien gelungen war, Titos Verbände nördlich und westlich der Drina zurückzudrängen“, analysiert Romedio Graf von Thun-Hohenstein.47 Karl-Dieter Wolff umreißt die größere Bedeutung der Operation: „Die militärische Gesamtsituation im Frühjahr 1944 erforderte gerade auch auf dem Balkan eine entscheidende militärische Aktion gegen die kommunistischen Aufständischen, um die Ausweitung des Südostens zu einem regulären Kriegsschauplatz zu verhindern. Es war notwendig, diese Aktion möglichst schnell durchzuführen, da eine durch einen derartigen militärischen Erfolg gestärkte deutsche Position in Südosteuropa Voraussetzung für die Bündnistreue Rumäniens und Bulgariens wie auch für die weitere neutrale Haltung der Türkei war.“48 Zudem mußten die Deutschen immer noch eine Landung der westlichen Alliierten an der Adriaküste befürchten - und ein Zusammengehen von deren Truppen mit den Partisanen.

      „Rösselsprung“ war ein Kommandounternehmen, „mit dem die Initiative seit längerer Zeit zum ersten Mal wieder auf die deutsche Seite überging“, wie es im Tagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht heißt.49 „Der Zeitpunkt hierfür war außerordentlich günstig, da die Tito-Bewegung infolge des gescheiterten Vorstoßes nach Serbien und der (auch in den anderen Schwerpunktgebieten des Kampfes gegen die Besatzungsmacht) erlittenen Rückschläge eine bedeutende Minderung an Macht und Ansehen erfahren hatte“, so der Chef der Heeresabteilung im Wehrmachtsführungsstab des OKW, Horst Freiherr Treusch von Buttlar-Brandenfeld. „Eine erfolgreiche deutsche Aktion mußte sie gerade jetzt empfindlich treffen und der deutschen Führung eine angesichts der gespannten großen Lage sehr erwünschte Entlastung schaffen.“50

      Längst waren Titos Truppen im Land zu weit verstreut, als daß eine „großräumige Umfassungsoperation“ Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. So war beim Wehrmachtsführungsstab die Idee entstanden, „überraschend in den von ihm beherrschten Zentralraum einzudringen und seine Führungsorgane (einschließlich der ausländischen Militärmissionen) zu zerschlagen oder mindestens vorübergehend lahmzulegen; es war nicht ausgeschlossen, daß es hierbei gelingen würde, der Person Titos habhaft zu werden“, heißt es im OKW-Kriegstagebuch.51

      Fast wäre die Operation in die Hände von Himmlers James-Bond-Verschnitt Otto Skorzeny gefallen. Der österreichische Offizier der Waffen-SS und Spezialist für waghalsige Kommandounternehmen hatte im Frühjahr 1944 im Auftrag Hitlers vom OKW den Befehl erhalten, den Unterschlupf Titos aufzuspüren, dessen Hauptquartier zu zerstören und den Partisanenführer gefangenzunehmen. Skorzeny war seit April 1943 im Reichssicherheitshauptamt Leiter der Abteilung VI-S (Schulung und Widerstandsbekämpfung), die auch Sabotage- und Kommandounternehmen ausheckte. Die Abteilung konkurrierte mit der Spezialeinheit „Brandenburg“ der Abwehr. Im Januar 1944 entstand in Skorzenys Abteilung unter dem Codenamen „Theodor“ der Plan, Tito zu kidnappen. Der mit der Operation betraute SS-Hauptsturmführer Rupert Mandl, ein Balkanexperte, stand in engem Kontakt mit kroatischen „Spionage-Gangs“, die mit Waffen, Geld und drahtlosen Funkgeräten ausgerüstet wurden.52 Im April 1944 traf Skorzeny in Belgrad ein.

      „Wo aber hielt Tito sich versteckt? Ich hatte keine Ahnung. Jugoslawien mit seinem gebirgigen und bewaldeten Gelände eignete sich hervorragend für Partisanenkämpfe“, schreibt Skorzeny in seinen Kriegserinnerungen mit dem Titel „Meine Kommandounternehmen“. „Die Informationen, die mir von den entsprechenden Stellen der Abwehr und des SD übermittelt wurden, waren ungenau und widersprachen sich.“53

      Skorzeny flog nach Belgrad und fuhr kurzerhand im Mercedes mit zwei Unteroffizieren quer durchs Partisanengebiet von Belgrad nach Zagreb, damals Agram, und organisierte seinen eigenen Nachrichtendienst mit Hilfe von Angehörigen des SS-Jagdverbandes „Südost“. Vier Wochen war Skorzeny dazu vor allem in Bosnien unterwegs. „Die Kommandeure der deutschen Garnisonen waren äußerst erstaunt, uns nach dieser Reise unversehrt zu sehen: Die Straßen, die wir genommen hatten, wurden von Partisanen kontrolliert. Mir begegneten tatsächlich einige Gruppen bärtiger Partisanen, das Gewehr unter dem Arm. Wir hatten auch unsere Maschinenpistolen am Boden des Wagens - unsichtbar von außen, aber den Sicherungsflügel auf ‘Feuer’ eingestellt“, berichtet Skorzeny in seinen Memoiren. „Mir wurde sofort klar, daß wir damit eine Unvorsichtigkeit begangen hatten, die üble Folgen hätte haben können: ‘Tito entführt Skorzeny!’, eine schöne Schlagzeile für den Daily Mirror im Mai 1944!“54

      Zurück in Berlin erfuhr der Mussolini-Befreier Mitte Mai 1944, wo Tito steckte. Skorzeny erfuhr all die Informationen, die der aus dem 1. Proletarischen Korps ausgebüxte Deserteur Tetariæ ausgeplaudert hatte. Titos Hauptquartier befände sich in einer Höhle in einem schroffen Abhang mit Blick auf Drvar, bewacht von einem 350 Mann starken Bataillon, mit 6.000 Mann unter Waffen in der Umgebung, soll der Überläufer verraten haben. Wo genau aber die angebliche Höhle sich befinden sollte, wurde von den Deutschen nicht geklärt.

      Skorzeny hielt von einem Großangriff auf Drvar nichts. Er war auch überzeugt, daß die Partisanen bereits mit einem Angriff rechneten.55 Offenbar hatte er ein besseres Überrumpelungsmanöver im Hinterkopf: Er selbst wollte mit einem Trupp als Partisanen verkleideter Spezialkräfte Tito in seinem Hauptquartier hochnehmen.56 An den Erfolg einer derart groß angelegten Operation, wie es der „Rösselsprung“ wurde, glaubte Skorzeny nicht. Der Österreicher war sich sicher: Zu viele lose Mundwerke zu vieler Beteiligter plapperten im Vorfeld zu viel aus.

      Der Österreicher schickte seinen Stabschef, Hauptsturmführer Adrian von Fölkersam, zu Ernst von Leyser, den Kommandierenden General des XV. Gebirgs-Korps, nach Banja Luka, um die Operation „Rösselsprung“ anzukündigen. Als Skorzeny sich schon wieder Richtung Balkan aufmachen wollte, erschien von Fölkersam in Friedenthal, dem Standort von Skorzenys Sonderverband „zur besonderen Verwendung“, und brachte schlechte Kunde. „‘Da stimmt etwas nicht!’, sagte von Fölkersam. ‘Der General hat mich sehr kühl empfangen, und ich glaube nicht, daß wir mit seiner Unterstützung bei diesem Einsatz rechnen können!’”57 Eine Funkmeldung aus Zagreb brachte Klarheit: Das XV. Korps bereitete einen eigenen Einsatz gegen das Hauptquartier Titos vor. General Rendulic und Generalfeldmarschall von Weichs hatten Pläne, in denen der schillernde Österreicher keine Rolle spielte. Skorzeny und seine z.b.V.-Truppe waren aus dem Spiel. Erst im September 1944 kam das SS-Fallschirmjäger-Bataillon 500 unter das Kommando des schillernden Österreichers.

      10.

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