MAGAZIN für Abenteuer-, Reise- und Unterhaltungsliteratur. Thomas Ostwald
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Verfolgt man die Entwicklung der „Indianergeschichten“ Karl Mays, so müssen auch die „Westmänner“ und die Hauptperson, der Erzähler, mitberücksichtigt werden. Wie bereits erwähnt, weiden auch diese Figuren noch ständig „geformt“.
In der ca. 1877 erschienenen Erzählung „Die ,Both Shatters’“ sind einige interessante Einzelheiten enthalten. Die beiden Westmänner, die hier als die „Two Sams“ auftreten, begegnen uns später als die beiden „Toasts“ wieder, Dick Hammerskull und Pit Holbers (vgl. z.B. Old Shurehand 2, S. 601 ff, Illustr. Ausgabe, Fehsenfeld). Interessant ist, dass einer der beiden eine Perücke trägt, weil er wie Sam Hawkens von den Indianern skalpiert wurde. Die Informationen über den Erzähler sind zwar auch hier noch spärlich, doch können wir folgendes festhalten: Der Erzähler reitet wieder sein Pferd „Swallow“, das uns schon aus der Erzählung „Old Firehand“ bekannt ist, durch den schnellen Ritt aus dem brennenden Tal. Zudem ist die Ich-Person ebenfalls mit einem fünfundzwanzigschüssigen Henrystutzen ausgerüstet, so, dass wir annehmen können, es handelt sich bei diesem „Westmann“ um die gleiche Person wie aus der Firehand-Erzählung. Der Stutzen wurde diesmal von Jake Hawkins in St. Louis gefertigt, der auch die beiden Revolver für den Erzähler baute. Über die Waffen in Karl Mays Romanen wird später eine ausführliche Abhandlung folgen, hier soll zunächst nur der Hinweis auf die Bewaffnung des Erzählers genügen. Als er von den beiden Sams kritisch gemustert wurde, stuften ihn die beiden Westmänner als zu „fein“ für den Westen ein, seine Waffen wurden von ihnen nicht für voll genommen. Ähnliches musste Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi oft erleben, wie sich der May-Leser erinnern wird. Erst die Qualität seines schnellfeuernden Henrystutzens überzeugt die Zweifler. Im Übrigen benimmt sich die Ich-Person noch ganz so, wie wir es aus zahlreichen Indianer-Erzählungen dieser Zeit überliefert bekommen haben, er schießt bedenkenlos seine Feinde nieder. Nachzulesen im Band 71 GW, S. 261: „Vier Schüsse krachten und vier Indianer überschlugen sich…“ Ein anderer wird mit dem Messer „niedergemacht“, zwei Entflohene sofort verfolgt und einer von ihnen mit einem Schuss aus dem Stutzen in den Kopf erschossen (S. 262). Winnetou, von dem der Leser in der Firehand-Erzählung Abschied genommen hatte, wird zumindest wieder als Freund des Erzählers erwähnt. Der Leser erfährt, dass der größte Feind des Apachenhäuptlings, „Schatunga, Häuptling der Yanktons“, einst die Schwester des Apachen tötete, „…weil sie nicht sein Weib, sondern das eines weißen Jägers wurde…“ Trotz des vorher gezeigten harten Auftretens des Erzählers zeigt er starkes Mitempfinden am Untergang der Roten Rasse, als er das Skalplager eines Trappers betritt: „Ich begann die Skalpe zu zählen; zehn – zwanzig – fünfundzwanzig – dreißig – ich hörte auf zu zählen und wandte mich ab.
Ich sah hier ein schlagendes Beispiel von der wilden Energie, mit der gegen eine dem Untergang geweihte und in den letzten Todeszuckungen liegende Menschenrasse der vernichtende Stoß geführt wird. Ich konnte vor Grauen nicht essen, trotz des Hungers, den ich gefühlt hatte“ (S. 269). Eine solche Anmerkung ist jedoch in diesen frühen Indianererzählungen Karl Mays, wie bereits erwähnt, sehr selten.
Erwähnenswert wäre noch die Gestalt eines Mannes, der der „Shatter“ genannt wurde, was mit „Zertrümmerer“ übersetzt wird. Dieser Westmann hatte seinen Namen von seiner Kampfweise erhalten. „Er schlug nicht mit der Schneide, sondern mit dem Kopf seiner fürchterlichen Waffe; (Anmerkung: Es handelt sich um ein Beil) jeder Hieb zerschmetterte den Schädel des Getroffenen unfehlbar in knirschende Stücke“ (S. 272). Es ist möglich, dass Karl May, als er an die „Formung“ seines Helden Old Shatterhand ging, dieses Vorbild wieder aufgegriffen und gemäß der inzwischen erfolgten Wandlung des Old Shatterhand auch seine Waffen änderte. Wie bekannt, schlug Shatterhand mit der bloßen Faust seine Gegner bewusstlos und erhielt auf diese Weise seinen Kriegsnamen. Diese Kampfweise passt auch besser zu dem späteren „Erzähler“, zu der Figur des Old Shatterhand, der eher zum Verzeihen denn zum Töten bereit ist. Im Ganzen betrachtet ist die Erzählung von den beiden „Both Shatters“ nur eine Abwandlung des Firehand-Themas. Man sollte vielleicht noch erwähnen, dass der Anführer dieser Westmänner mit „Cornel“ bezeichnet wird. Man erinnert sich an den „Cornel“ aus dem „Schatz im Silbersee“, der im Gegensatz zu diesem eine Verbrecherbande anführte, die Tramps.
Auch die im Band 71 enthaltene Erzählung „Ein Selfmademan“ spielt in Amerika, hat jedoch einen anderen Inhalt als die bisher erwähnten Geschichten. 1878 wurde sie in den „Frohen Stunden“ abgedruckt. Vom Stil her unterscheidet sie sich schon von den vorher erwähnten insofern, dass der Erzähler den Leser mit einbezieht, als würde er sich direkt mit ihm unterhalten. Das heißt, er spricht den Leser zwischendurch „an“. Erstmalig wird der Name des Erzählers erwähnt: Timm Summerland. Dieser Mann kann jedoch nicht mit den anderen Erzählerfiguren verglichen werden, er ist sozusagen eine „einmalige Schöpfung“ Karl Mays. Summerland trifft Abraham Lincoln und erlebt zwei Abenteuer mit ihm, wobei er sich besonders für seine frühere Freundin, einen Mischling, einsetzt. Von der Veröffentlichung dieser Geschichte bis zum dreiteiligen „Winnetou“ sollten noch rund 16 Jahre vergehen, in denen Karl May hin und wieder die alten Motive aufgriff und umarbeitete, so z.B. das Ölbrand-Thema im Jahre 1883, das Ölprinz-Thema (Der Ölprinz, 1877) für die Jugenderzählung „Der Ölprinz“ 1893. Auch die Erzählung „Der Scout“ (1888) greift einige der alten Themen wieder auf und wird schließlich von May selbst für die erste Hälfte des Bandes „Winnetou II“ umgearbeitet. Auch in dieser Erzählung standen sich der Erzähler und Winnetou anfangs feindlich gegenüber. Nach einem Kampf jedoch wurde daraus echte Freundschaft, und der hier geschilderte Winnetou kommt dem späteren „Edelmenschen“ schon sehr nahe. Zwar ist er auch noch hier ein „richtiger Indianer“, der kämpft und tötet. Der spätere Winnetou hätte Mittel gefunden, das Blutvergießen zu verhindern, doch so erscheint er dem Leser auch noch in der eingearbeiteten Fassung im „Winnetou II, S. 310. Die Wandlung Winnetous zum Christen vollzieht sich für den Leser kaum spürbar mehr im „Hintergrund“ und im Unterschwelligen der Erzählung „Winnetou III“. Für manchen Leser mag daher auch das Bekenntnis des sterbenden Apachen: „Winnetou ist ein Christ“ überraschend gekommen sein. Karl May hat die Wandlung des wilden Kriegers, also des Gewaltmenschen, wie er es später nannte, nicht mit aller Konsequenz durchgeführt. Umso mehr hat er versucht, dies in den späteren Erzählungen, in denen Winnetou wieder erscheint, nachzuholen. May schrieb in einem Brief an seinen Verleger Fehsenfeid (bei: Raddatz, Das abenteuerliche Leben Karl Mays) vom 15.10.1892: „Das, was bis jetzt über Winnetou erschienen ist, könnte später in irgendwelchem Gewand erscheinen; es ist wirklich nicht leicht, diese zusammenhanglosen Einzelerzählungen, die nur für den Mausschatz ‘ berechnet waren, so zusammenzufassen, dass sie als einziger Guss und Fluss erscheinen…“ Aus dem bisher dargestellten kann man schließen, dass May nach Beendigung des Winnetou Komplexes vorerst nicht an weitere Abenteuer mit dem edlen Häuptling gedacht hat, der Leser muss Abschied nehmen, wie schon früher bei den Einzelerzählungen. Dass er (nach der heutigen Ausgabe gemessen) noch in rund 15 Bänden wieder auftaucht (die Bände mit Einzelerzählungen wurden mitgezählt), hatte sich Karl May wohl zur Zeit der Bearbeitung des Romanstoffes (1892) trotz der zitierten Briefstelle nicht gedacht. Eine besonders ausführliche Beschreibung des Apachenhäuptlings finden wir in der Erzählung „Weihnacht“, Bd. 24 (Radebeul, 5970. Tsd.), S. 276 ff.
„Er trug, wie auch ich stets… einen aus Elkkeder gefertigten Jagdanzug von indianischem Schnitt, an den Füßen leichte Mokassins, welche mit Stachelschweinsborsten und seltengeformten Nuggets geschmückt waren… Sein reiches, dichtes, bläulich schwarzes Haar war auf dem Kopfe zu einem hohen, helmartigen Schopf geordnet und fiel von da aus, wenn er im Sattel saß, wie eine Mähne oder ein dichter Schleier fast bis auf den Rücken des Pferdes herab… Einen Bart trug er nicht; in dieser Beziehung war er ganz Indianer. Darum war der sanfte, liebreich milde und doch