Mörderische Spiele beim Sonnenkönig. Walter Brendel

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Mörderische Spiele beim Sonnenkönig - Walter Brendel

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Edelleute, welche unter den Auspizien eines schwelgerischen Hofes in der Sittenlosigkeit der Hauptstadt Vergessenheit und Ersatz mit vollen Zügen einschlürften für die verlorenen edlern Güter, für die alte Freiheit und die feudale Unabhängigkeit. Richelieu und sein Nachfolger und endlich Ludwig XIV. hatten mit diabolischem Scharfsinn die Natur des französischen Charakters studiert und denselben Adel, den sie fürchteten, und unter dessen Trotz das Regiment ihrer Vorfahren zitterte, in ein Capua geführt oder in die Höfe des Venusberges, wo sich seine gefährliche Kraft ohne andere Wirkung als die der Selbstvernichtung austobte. Mit demselben französischen Ungestüm, mit welchem die Nation einst zu den Kreuzzügen aufbrach, die Verfolgung der Hugenotten durchführte und später dem Phantom der jakobinischen Freiheit und Gleichheit und der Napoleonschen Glorie nachjagte, stürzte sich der französische Adel in das Meer wüster Sittenlosigkeit, eitlen nichtigen Treibens, welches schlaue Regenten vor ihm auftaten und mit dem Sonnenschein der Majestät beleuchteten. So maßlos war dies Drängen nach der Torheit, dass schon in hundert Jahren das Mark dieses einst allmächtigen Adels dergestalt verzehrt war, dass sein verachtetes und gehasstes Schattenbild dem Sturme weniger Jahre erlag.

      Der Marquis von Brinvilliers verschwindet aus der Geschichte seiner Gattin; seine eigene ist aber nur die der Mehrzahl seiner Standesgenossen. Wo die Grundsätze eines Mannes, eines Offiziers und Kavaliers die sind, aller bürgerlichen Sitte Hohn zu sprechen, wo Liederlichkeit und Verschwendung für adelige Tugend, wo es für lächerlich und philisterhaft gilt, keine Schulden und keine Mätressen zu haben, und ein geordneter Haushalt einen gemeinen Sinn andeutet, wo der Ehegatte bei den Fehltritten der Gattin nicht allein ein Auge zudrückt, sondern ihr selbst den Verführer zuführt und in fürchterlichem Leichtsinn der Verkehrtheit selbst die Stimmen auslacht, welche nur die äußern Konvenienzgesetze wollen erhalten wissen, da wird zwar die Verirrung eines Weibes, wie die der Brinvilliers, nicht gerechtfertigt: aber es ist einzusehen, dass es unter solchen Umständen großer Kraft für ein Weib bedarf, sich aufrecht zu erhalten.

      Die bildschöne Marquise

      Beide waren an Stand und Vermögen sich gleich. Der Marquis hatte ein jährliches Einkommen von 300 000; seine Gemahlin erhielt eine Mitgift von 200 000 Livres und hatte die Hoffnung auf ein beträchtliches Erbe, das sie nach ihrem Vater Tod mit einer Schwester und zwei Brüdern zu teilen hatte.

      Die Familie des Marquis war durch den flandrischen Wollhandel reich geworden. Er selbst war allerdings ein Verschwender, der sich zahlreiche Geliebte genommen haben soll, seiner Frau aber ebenfalls entsprechende Freiheiten einräumte.

      Solange sie Mädchen war, hatte die Welt am Gitter des Schlossparks ein Ende. Die Ehe mit dem vielumschwärmten und reichen Marquis schien der verwöhnten jungen Dame wie ein Abenteuer, das nur glückliche Überraschungen bringen konnte. Leider kam es anders. Der Marquis, viel zu eitel und selbstgefällig, um sich, die Mühe zu machen, das Herz seiner jungen Frau zu erobern, erfüllte seine ehelichen Pflichten mit einer derart herablassenden Blasiertheit, dass alle Gefühle Mann-Madeleines sich in innerer Abwehr verkrampften. Sie war reich, jeder Wunsch wurde ihr erfüllt.

      Reichtum war aber nicht der einzige Vorzug der Marquise. Sie war von der Natur nicht weniger als vom Glück begünstigt. Bei einem Wuchs von mittelmäßiger Größe hatte sie ein rundes freundliches Gesicht, in welchem sich Anmut mit Regelmäßigkeit der Züge und mit dem Ausdruck einer ganz reinen, leidenschaftslosen Seele vereinigte, um ihm den höchsten Reiz zu geben. Diese in allen ihren Zügen herrschende Ruhe, der echte Widerschein eines unbefangenen, arglosen Gemütes, gewann ihr das Zutrauen aller, mit welchen sie umging, während ihre Schönheit die Herzen aller fesselte. Unmut, Laune und Krankheit beherrschten und änderten niemals ihre Liebenswürdigkeit. Ihre Zeitgenossen sagen, wenn ihre Schönheit ihr alle Herzen unterwarf, so gewann der Reiz jener Heiterkeit, welche immer das Kennzeichen einer sanften, reinen, niemals von Gewissensangst beunruhigten Seele ist, ihr das Zutrauen aller, welche sich ihres gesuchten Umgangs erfreuten. Selbst ihr Betragen war bescheiden, zurückhaltend und einnehmend.

      Die Sündhaftigkeit, welche, kaum bedeckt vom Mantel der Religion, in den höheren Ständen grassierte, hatte schon die Jungfrau, vielleicht schon das Kind ergriffen. Sie war reif im Laster, als sie die leichtsinnige Ehe mit dem noch leichtsinnigeren Gatten schloss. Der Wandel desselben bestärkte sie nur in dem ihrigen und erleichterte ihr die Last, welche sie, um den äußern Anstand zu bewahren, auf sich nehmen musste.

      Die Marquise von Brinvilliers lebte mit ihrem Gemahl in Paris, im Hause ihres Vaters.

      Sie gebar in den ersten Jahren drei Kinder und war noch immer so schön wie zu Beginn ihrer Ehe. Ihr kleines Gesicht unter der kunstvollen Frisur hatte regelmäßige Züge und täuschte eine unbefangene Ausgeglichenheit der Seele vor. Die sanften blauen Augen blickten arglos und erstaunt. Ihre Schönheit trug den Stempel der Vornehmheit, die ein Kind sorgenfreien Lebens ist Es war unvorstellbar, dass plötzliche Leidenschaft die Seelenruhe ihres Antlitzes zerstören könnte. Aber in Marie-Madeleine schlummerten unerweckte Leidenschaften, und nach den ersten trägen Jahren der Ehe wurde der Wunsch in ihr immer stärker, den Menschen zu finden, der ihr geheimes Innere, das von ihr selbst noch anerkannte, weckte und entflammte.

      Da lernte sie ihn kennen, einen, der ihre Leidenschaft entfachte, einen gewisser Herr Godin, der sich von Sainte-Croix nannte und Hauptmann bei dem Kavallerieregiment Trossi war. Der Marquis von Brinvilliers, der – wie wir wissen - als Oberst bei dem Regiment Normandie stand, machte seine Bekanntschaft im Felde.

      Godie von Sainte Croix aus Montauban war einer von den Glücksrittern, die, weil sie selbst nichts haben, alles fremde Gut als ihr Eigentum behandeln. Man sprach sehr verdächtig von seiner Herkunft.

      Gemeinsame Liebe zum Experiment

      Man wusste, wo er geboren sei; allein man zweifelte, ob er aus einer guten Familie abstamme oder ein unechtes Kind aus einem vornehmen Hause sei. Das Glück hatte ihn nicht sehr begünstigt, aber die Natur war freigebiger gegen ihn gewesen. Er hatte ein einnehmendes, geistvolles Gesicht, das ihm leicht Vertrauen und Zuneigung verschaffte, und besaß die glückliche Geschmeidigkeit des Geistes, die jede Gestalt mit gleicher Leichtigkeit annimmt und mit eben der Fertigkeit die Rolle des Andächtigen spielt, mit der sie ein Bubenstück ausführt.

      Zum Zeitpunkt dieser Erzählung, öffnet sich gegen Ende von 1665, war Sainte-Croix über 28 oder dreißig, ein schöner junger Mann von fröhlichen und lebhaften Aussehen, ein lustiger Kamerad bei einem Bankett, und eine ausgezeichnete des Tracy Regiment. Er hatte Freundschaften mit anderen Männern und genoss Ansehen im Regiment. In der Liebe war er am auffälligsten, und eifersüchtig bis zum Punkt des Wahnsinns. Sogar über eine Kurtisane, hatte er sie einmal genommen, durfte kein anderer Lust auf diese verspüren. Seine Verschwendungssucht war fürstlich, obwohl er kein Einkommen hatte. Er reagierte sehr empfindlich auf Kränkungen, wie alle Menschen, die, weil sie in eine zweideutige Position befinden, faktisch jeden Hinweis auf ihre Herkunft als eine vorsätzliche Beleidigung ansahen.

      Er war also empfindlich gegen Beleidigungen, reizbar gegen das andere Geschlecht bis zur Leidenschaft und eifersüchtig in der Liebe bis zur Raserei – selbst bei Personen, welche ihr öffentliches Gewerbe zu Freiheiten berechtigte, die ihm nicht unbekannt sein konnten. Bei einem unbegrenzten Hang zur Verschwendung von allen Hilfsmitteln entblößt, war er jeder Schandtat fähig, wodurch er etwas zu gewinnen hoffte. Einige Jahre vor seinem Tode fing er an, den Frömmling zu spielen, und er soll sogar Andachtsbücher in dieser Periode geschrieben haben. Er sprach von Gott wie ein Prophet, während er ihm wie ein Baalspfaffe diente, und gab sich unter dieser Maske, die er nur im Kreise seiner vertrautesten Freunde abnahm, das Ansehen eines ganz frommen Menschen, während er Urheber und Mitverschworner der ungeheuersten Verbrechen war.

      Der Aufmerksamkeit eines solchen Menschen konnte der Marquis von Brinvilliers nicht entgehen, der bei einem lebhaften Hang zum Vergnügen

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