Blinde Liebe. Уилки Коллинз
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Читать онлайн книгу Blinde Liebe - Уилки Коллинз страница 6
»Ja,« sagte sie traurig und niedergeschlagen, »ich habe ihn zum zweitenmale abgewiesen.«
Sir Giles verlor seine Ruhe.
»Was in aller Welt haben Sie denn an Hugh auszusetzen?« brach er los.
»Mein Vater sagte dasselbe zu mir,« entgegnete sie, »fast mit den nämlichen Worten. Ich erzürnte ihn, als ich versuchte, ihm meine Gründe auseinanderzusetzen. Ich habe keine Lust, Sie auch noch böse zu machen.«
Er nahm keine Notiz von diesen letzten Worten.
»Ist Hugh nicht ein guter Junge?« fuhr er zu fragen fort. »Ist er nicht freundlich und gutherzig und ehrenhaft? Ist er nicht ein hübscher Mensch, wenn wir auch darauf kommen wollen?«
»Hugh ist alles das, was Sie sagen. Ich habe ihn gern, ich bewundere ihn, ich verdanke seiner Güte einige der glücklichsten Tage meines traurigen Lebens und bin ihm dankbar – o, von ganzem Herzen bin ich Hugh dankbar!«
»Wenn das wahr ist, Iris –«
»Jedes Wort davon ist wahr.«
»Wenn das wahr ist, sage ich – dann gibt es für Sie keine Entschuldigung, Iris. Ich hasse bei einem jungen Mädchen Eigensinn. Warum heiraten Sie ihn dann nicht?«
»Versuchen Sie es, wie ich zu fühlen,« antwortete sie sanft; »ich kann ihn nicht lieben.«
Der Ton ihrer Stimme sagte dem Bankier mehr, als ihre Worte hätten ausdrücken können. Den geheimen Kummer ihres Lebens, der ihrem Vater bekannt war, kannte auch Sir Giles.
»Jetzt sind wir endlich auf das Richtige gekommen,« sagte er. »Sie können also meinen Neffen Hugh nicht lieben. Und Sie wollen mir den Grund dafür nicht sagen, weil Ihr empfindliches, zartes Gemüt davor zurückschreckt, mich zu erzürnen. Soll ich Ihnen den Grund nennen, mein Kind? Ich kann es mit zwei Worten – Lord Harry.«
Sie antwortete darauf nicht und gab überhaupt durch kein Zeichen zu erkennen, daß sie seine Worte verstanden hatte. Sie neigte den Kopf ein wenig und faltete die Hände auf ihrem Schoß; das hartnäckige Stillschweigen, das alles ertragen kann, machte ihr Gesicht hart und ihre Gestalt steif – das war aber auch alles.
Der Bankier war entschlossen, ihr nichts zu ersparen.
»Es ist leicht ersichtlich,« fuhr er fort, »daß Sie in Ihrer thörichten Verblendung für diesen Lump noch immer befangen sind. Er mag gehen, wohin er will, an die verrufensten Orte und unter die gemeinsten, schlechtesten Menschen, er zieht Ihr Herz stets mit sich. Ich bin erstaunt, daß Sie sich nicht einer solchen Neigung schämen.«
Diese Worte trafen sie doch. Sie erhob sich lebhaft und antwortete ihm.
»Harry hat ein wildes Leben geführt,« sagte sie; »er hat sich schwere Vergehen zu schulden kommen lassen, und er mag es auch jetzt noch toller treiben, als er bisher gethan hat. Zu welcher Erniedrigung, in welche schlechte Gesellschaft und Schule dies ihn bringen mag, das sich auszumalen überlasse ich seinen Feinden. Ich sage Ihnen aber dies eine: er besitzt Eigenschaften, die das alles vergessen machen, die Sie und Leute Ihrer Art indessen niemals entdecken werden, weil Sie dazu viel zu wenig gute Christen sind. Er hat Freunde, die ihn noch würdigen können – Ihr Neffe Arthur Mountjoy ist unter ihnen. O, ich weiß es durch Arthurs Briefe an mich! Verdammen Sie Lord Harry, so viel Sie wollen, er hat noch die Fähigkeit zu bereuen, sage ich Ihnen, und eines Tages – wenn auch wahrscheinlich zu spät, wie ich leider hinzusetzen muß – wird er es beweisen. Ich kann niemals seine Frau werden. Wir sind getrennt für immer; niemals wird es für uns wieder einen Anknüpfungspunkt geben. Aber er ist der einzige Mann, den ich jemals geliebt habe, und er wird auch der einzige sein, den ich in Zukunft lieben werde. Wenn Sie glauben, daß diese Liebe den Beweis liefert, daß ich ebenso schlecht bin wie er, ich werde Ihnen nicht widersprechen. Weiß denn überhaupt einer von uns, wie schlecht er ist? Haben Sie neuerdings etwas von Harry gehört?«
Der plötzliche Uebergang von der so ernsten und warmen Verteidigung des Mannes zu einer so gewöhnlichen, bedeutungslosen Frage nach ihm überraschte Sir Giles.
Er wußte im Augenblick nichts darauf zu erwidern; Iris hatte ihm zu denken gegeben. Sie hatte bewiesen, daß sie ihre heftigsten Gefühle zu beherrschen verstand gerade in dem Moment, wo sie sie zu überwältigen drohten, und das findet man selten bei jungen Mädchen. Wie man sie beeinflussen und leiten könnte, das war eine Aufgabe, deren Lösung ruhiger Ueberlegung bedurfte. Sein Eigensinn mehr noch als seine Ueberzeugung hatten den Bankier immer noch an der Hoffnung einer schließlichen Heirat seines Neffen mit Iris festhalten lassen, selbst dann noch, als Hughs Werbung zum zweitenmale einen abschlägigen Bescheid erhalten hatte. Sein ebenso starrköpfiges Patenkind war gekommen aus eigenem Antrieb, ihn zu besuchen. Sie hatte die Tage ihrer Kindheit nicht vergessen, in denen er einigen Einfluß auf sie gehabt und sich ihr liebevoller gezeigt hatte, als ihr Vater jemals gewesen war. Sir Giles erkannte, daß er gegen Iris einen falschen Ton angeschlagen. Sein Aerger hatte sie nicht beunruhigt, seine Meinung nicht beeinflußt. In Hughs Interesse beschloß er, zu versuchen, was Ueberlegung und Nachsicht thun könnten, um sein Ansehen bei ihr zu vergrößern. Nachdem er gehört, daß ihr Mädchen und ihr Gepäck im Gasthof zurückgeblieben waren, bestand er darauf, daß sie in seinem Hause Wohnung nehme, und ließ das Mädchen samt den Sachen holen.
»So lange Sie in Ardoon bleiben, Iris, sind Sie mein Gast,« sagte er.
Sie machte ihm die Freude, seine Einladung bereitwillig anzunehmen, ärgerte ihn aber gleich nachher durch die nochmalige Frage, ob er nichts von Lord Harry gehört habe.
Er antwortete kurz und scharf:
»Ich habe nichts gehört. Was sind denn Ihre letzten Nachrichten über ihn?«
»Nachrichten,« sagte sie, »die, wie ich zuversichtlich hoffe, sich als unwahr erweisen werden. Eine irische Zeitung wurde mir zugesandt, welche meldete, er sei der geheimen Gesellschaft beigetreten, die, wie ich fürchte, nichts Besseres ist als eine Mörderbande. Sie ist bekannt unter dem Namen der ›Unüberwindlichen‹.«
Gerade als sie diese furchtbare Verbindung erwähnte, kehrte Dennis Howmore von dem Polizeiamt zurück. Er brachte die Meldung, daß ein Sergeant da sei, um die Befehle Sir Giles' zu empfangen.
Fünftes Kapitel.
Iris erhob sich, um zu gehen. Ihr Pate aber hielt sie höflich zurück.
»Warten Sie, bitte, hier so lange,« sagte er, »bis ich mit dem Sergeanten gesprochen habe. Ich werde Sie dann selbst in mein Haus bringen. Mein Commis wird alles Nötige im Hotel besorgen. Sie sehen nicht sehr befriedigt aus. Gefällt Ihnen das von mir vorgeschlagene Arrangement nicht?«
Iris versicherte ihn, daß sie vollständig damit einverstanden sei. Zugleich aber gestand sie, daß sie die Entdeckung seines Verkehrs mit der Polizei etwas überrascht habe.
»Ich erinnere mich aber jetzt, daß wir in Irland sind,« fuhr sie fort, »und ich bin thöricht genug, zu fürchten, Sie könnten in irgend welcher Gefahr schweben. Ich hoffe jedoch, daß es sich nur um einen schlechten Scherz handelt.«
Nur ein schlechter Scherz! Außer anderen, zarteren Gefühlen, die Iris' herber Natur fehlten, hatte Sir Giles auch noch bemerkt, daß das junge Mädchen nur sehr unvollkommen seine angesehene soziale Stellung zu würdigen verstand. Das war ein neuer Beweis dafür. Der Versuchung zu widerstehen,