Die eiserne Ferse. Jack London

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Die eiserne Ferse - Jack London

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von Tatsachen. Mit Tatsachen stellte er ihnen eine Falle, mit Tatsachen überfiel er sie, mit den Breitseiten von Tatsachen bombardierte er sie.

      »Sie scheinen den Altar der Tatsachen anzubeten«, spöttelte Doktor Hammerfield.

      »Es gibt keinen Gott außer der Tatsache, und Herr Everhard ist ihr Prophet«, zitierte Doktor Ballingford. Ernst lächelte zustimmend.

      »Ich bin wie der Mann aus Texas«, sagte er, und um eine Erklärung gebeten, fuhr er fort: »Ja, der Mann aus Missouri sagt immer: ›Sie müssen es mir zeigen.‹ Der Mann aus Texas aber sagt: ›Sie müssen es mir in die Hand legen.‹ Was beweist, daß er kein Metaphysiker ist.«

      Als Ernst einmal geradezu sagte, daß die metaphysischen Philosophen nie den Wahrheitsbeweis erbringen könnten, fragte Dr. Hammerfield hastig: »Was ist der Wahrheitsbeweis, junger Mann? Wollen Sie uns freundlichst erklären, worüber klügere Leute als Sie sich solange den Kopf zerbrochen haben?«

      »Gern«, antwortete Ernst. Seine absolute Sicherheit irritierte die andern. »Die klugen Leute haben sich den Kopf so über der Wahrheit zerbrochen, weil sie auf der Suche nach ihr ins Blaue gerieten. Wären sie auf dem festen Boden geblieben, so würden sie sie leicht gefunden haben – ja, sie hätten entdeckt, daß sie selbst mit allem praktischen Tun und Denken ihres Lebens eben den Wahrheitsbeweis erbrachten.

      »Den Beweis, den Beweis«, wiederholte Dr. Hammerfield ungeduldig, »ohne Umschweife. Geben Sie uns, was wir solange gesucht haben: den Wahrheitsbeweis. Geben Sie ihn uns, und wir werden Götter sein.«

      Seine Worte und sein ganzes Benehmen zeigten einen unhöflichen, höhnischen Skeptizismus, an dem jedoch die meisten bei Tische heimliches Gefallen fanden. Nur Bischof Morehouse schien aufgebracht.

      »Dr. Jordan Ein bekannter Pädagoge vom Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung. Er war Recktor der Stanforder Universität, ein Wohltäter der Menschheit seiner Zeit. hat es ganz klar ausgesprochen«, sagte Ernst. »Sein Wahrheitsbeweis ist: ›Wird es wirken? Willst du dein Leben daran wagen?‹«

      »Pah!« höhnte Dr. Hammerfield. »Sie haben nicht mit Bischof Berkeley Idealistischer Monist, der lange die Philosophen seiner Zeit dadurch in Aufregung versetzte, daß er die Existenz der Materie leugnete, dessen einfache Argumente aber schließlich widerlegt wurden, als die neuen empirischen Tatsachen der Wissenschaft philosophisch verallgemeinert wurden. gerechnet. Er wurde nie widerlegt.«

       »Der prächtigste Metaphysiker von allen«, lachte Ernst. »Aber Ihr Beispiel ist unglücklich gewählt. Berkeley bezeugt selbst, daß seine Metaphysik wirkungslos sei.«

      Jetzt war Dr. Hammerfield zornig, rechtschaffen zornig. Es war, als hätte er Ernst bei einem Diebstahl oder einer Lüge ertappt.

      »Junger Mann,« stieß er hervor, »diese Behauptung ist allen andern Äußerungen, die sie heute Abend getan haben, ebenbürtig. Sie ist eine niedrige, unverantwortliche Anmaßung.«

      »Ich bin ganz zerschmettert«, murmelte Ernst demütig. »Nur weiß ich noch nicht, wodurch. Sie müssen es mir in die Hand legen, Herr Doktor.«

      »Das will ich, das will ich«, sprudelte Doktor Hammerfield heraus. »Woher wissen Sie das? Woher wissen Sie, daß Bischof Berkeley bezeugte, seine Metaphysik sei wirkungslos. Sie haben keinen Beweis dafür, junger Mann, sie war immer wirksam.«

      »Ich halte es für einen Beweis für die Unwirksamkeit von Berkeleys Metaphysik, daß« – Ernst hielt einen Augenblick inne – »daß Berkeley die unabänderliche Gewohnheit hatte, durch Türen statt durch Mauern zu gehen. Daß er sein Wohl Brot und Butter und gebratenem Fleisch anvertraute. Daß er sich mit einem Messer rasierte, welches wirkte, indem es die Haare aus seinem Gesicht entfernte.«

      »Aber das sind wirkliche Dinge«, rief Doktor Hammerfield. »Metaphysik ist etwas Geistiges.«

      »Und sie wirkt – geistig?« fragte Ernst ruhig.

      Der andere nickte.

      »Dann können also unzählige Engel auf einer Nadelspitze tanzen – geistig«, fuhr Ernst sinnend fort. »Und ein pelzgekleideter, speckfressender Gott kann existieren und wirken – geistig; und es gibt keine Gegenbeweise – geistig. Ich nehme an, Herr Doktor, daß Sie geistig leben?«

      »Mein Geist ist mein Königreich«, lautete die Antwort.

       »Mit andern Worten, Sie leben im Blauen. Aber ich bin überzeugt, daß Sie zur Erde herabkommen, wenn Essenszeit ist, oder wenn ein Erdbeben stattfinden sollte. Oder, sagen Sie, Herr Doktor, fürchten Sie beim Erdbeben nicht, daß Ihr unkörperlicher Leib von einem unkörperlichen Ziegelstein getroffen werden könnte?«

      Im selben Augenblick fuhr Doktor Hammerfields Hand unbewußt nach dem Kopfe, wo er eine Narbe unter dem Haar hatte. Zufällig hatte Ernst ein passendes Bild gewählt. Doktor Hammerfield wäre bei dem Großen Erdbeben Das Große Erdbeben von 1906, das San Franzisco zerstörte. fast von einem herabstürzenden Schornstein erschlagen worden. Alles brach in schallendes Gelächter aus.

      »Nun?« fragte Ernst, als sich die Heiterkeit gelegt hatte. »Ihre Gegenbeweise!«

      Aber Doktor Hammerfield hatte für einen Augenblick genug bekommen, und der Kampf nahm eine andere Wendung. Punkt für Punkt forderte Ernst die Geistlichen heraus. Behaupteten sie, die arbeitende Klasse zu kennen, so sagte er ihnen gründlich die Wahrheit, bewies ihnen, daß sie die arbeitende Klasse gar nicht kannten, und forderte sie auf, ihn zu widerlegen. Er wartete ihnen mit Tatsachen auf, bremste ihre Ausflüge ins Blaue und holte sie mit seinen Tatsachen auf den festen Boden zurück.

      Wie klar sehe ich die Szene vor mir! Noch jetzt kann ich ihn mit dem kriegerischen Ton in seiner Stimme hören, wie er seine Gegner mit seinen Tatsachen quälte, deren jede ein Peitschenhieb war, und er war unerbittlich. Er verlangte keinen Pardon und gab keinen Dieses Bild ist den Gewohnheiten jener Zeit entnommen. Wenn in den wilden tierischen Kämpfen auf Tod und Leben ein Getroffener die Waffe senkte, war es dem Sieger überlassen, ihn zu erschlagen oder zu schonen.. Nie vergesse ich den Hieb, den er ihnen zum Schlusse versetzte.

      »Sie haben mehrmals, teils offen, teils unbewußt, bewiesen, daß Sie die arbeitende Klasse gar nicht kennen. Aber daraus mache ich Ihnen keinen Vorwurf. Wie könnten Sie etwas von ihr wissen? Sie wohnen nicht mit ihr zusammen. Sie wohnen mit der kapitalistischen Klasse zusammen in andern Gegenden. Und warum nicht? Die kapitalistische Klasse bezahlt Sie, ernährt Sie, gibt Ihnen die Kleidung, die Sie tragen. Und dafür predigen Sie eben die Metaphysik, die Ihren Brotherren angenehm ist. Und diese Metaphysik ist Ihnen wiederum angenehm, weil sie die hergebrachte Gesellschaftsform nicht bedroht.«

      Bei diesen Worten erhob sich lärmender Widerspruch am Tische.

      »Oh, ich stelle Ihre Lauterkeit nicht in Frage«, fuhr Ernst fort. »Sie sind ehrlich. Sie predigen, was Sie glauben. Darin liegt eben Ihre Kraft und Ihr Wert – für die kapitalistische Klasse. Sollten Sie aber Ihrem Glauben irgendeine Richtung geben, die bedrohlich für die bestehende Ordnung wäre, so würde man Ihre Predigten unangenehm empfinden und Sie Ihres Amtes entheben. Hin und wieder geschieht das ja auch wohl, nicht wahr In jener Zeit wurden viele Geistliche aus der Kirche ausgeschlossen, weil sie unannehmbare Lehren predigten. Namentlich geschah das, wenn ihre Predigten einen sozialistischen Einschlag hatten.?«

      Diesmal erhob sich kein Widerspruch. Die Geistlichen saßen stumm ergeben da, und nur Dr. Hammerfield sagte:

      »Wenn ihre Anschauungen unrichtig sind, werden sie ersucht, ihren

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