Dombey und Sohn. Charles Dickens
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So oft Perch, der Ausläufer, dessen Platz auf einem kleinen Tritt von der Größe eines Zifferblattes war, Mr. Dombey hereinkommen sah – oder vielmehr, so oft er fühlte, daß er komme, denn gewöhnlich empfand er instinktartig dessen Annäherung – so eilte er in das Zimmer des Prinzipals, schürte das Feuer, brachte frische Kohlen aus der Kohlentruhe, hing die Zeitung zum Lüften über den Ständer, rückte den Stuhl zurecht, brachte den Schirm an seinen Platz und hatte bei Mr. Dombeys Eintritt schon rechtsum gemacht, um ihm Hut und Überrock abzunehmen. Dann griff er nach der Zeitung, faltete sie vor dem Feuer zurecht und legte sie ehrerbietig neben Mr. Dombey hin. Ja, Perch hatte so wenig dagegen, im höchsten Grad unterwürfig zu sein, daß er nur um so glücklicher gewesen sein würde, wenn er sich selbst zu Mr. Dombeys Füßen legen oder ihn mit einem Titel hätte anreden können, wie er vorzeiten dem Kalifen Harun al Raschid verliehen wurde.
Da übrigens eine solche Ehrenbezeugung eine Neuerung und ein Experiment gewesen wäre, so mußte sich Perch zufrieden geben, die Phrase »du bist das Licht meiner Äugen – du bist der Atem meiner Seele – du bist der Beherrscher des gläubigen Perch!« so gut er konnte, in seiner eigenen Weise auszudrücken. Mit diesem nur unvollkommen ermutigenden Glücksgefühl pflegte er sachte die Tür zu schließen, auf den Zehen hinwegzuschleichen und seinen großen Häuptling zurückzulassen, damit derselbe durch ein gotisch geformtes Fenster in den Bleidächern, durch häßliche Schornsteinfirste und Hinterhäuser, namentlich aber durch das kecke Fenster eines Haarschneidesalons auf dem ersten Stock angestiert werden könne, wo eine Wachsfigur, am Morgen kahl wie ein Muselmann und mittags nach elf Uhr mit üppigem Haar und Backenbart in der neuesten christlichen Mode, ihm stets die Hinterseite seines Kopfes zeigte.
Zwischen Mr. Dombey und der gemeinen Außenwelt, sofern sie zugänglich war durch das Medium des äußeren Bureaus, auf das Mr. Dombeys Gegenwart in seinem eigenen Zimmer sozusagen wie feuchte oder kalte Luft einwirkte, gab es zwei Höhenabstufungen. Mr. Carker in seinem Geschäftszimmer bildete die erste, Mr. Morfin in dem seinigen die zweite. Jeder von diesen Gentlemen nahm ein kleines Gemach ähnlich einem Badstübchen ein, die beide an der Außenseite von Mr. Dombeys Tür nach dem Flur hinausgingen. Mr. Carker bewohnte als Großvezier dasjenige Gelaß, das dem des Sultans am nächsten war, und Mr. Morfin als ein Beamter von untergeordneter Stellung behauptete das Stübchen, das an das Geschäftslokal der Angestellten grenzte.
Der letztgenannte Gentleman war ein heiter aussehender ältlicher Junggeselle mit nußbraunem Auge, der seine oberen Partien in Schwarz, die Beine aber gewöhnlich in eine Pfeffer- und Salzfarbe kleidete. Sein dunkles Haar zeigte da und dort einen Anflug von Grau, als hätte der Tritt der Zeit seine Sprenkeln zurückgelassen, und sein Backenbart war bereits schneeweiß. Er hatte gewaltigen Respekt vor Mr. Dombey und zollte ihm die gebührende Huldigung; da er aber ein heiteres Temperament hatte und sich in der stattlichen Gegenwart seines Prinzipals nie recht behaglich fühlen konnte, so quälte ihn keine Eifersucht wegen der vielen Konferenzen, deren sich Mr. Carker zu erfreuen hatte. Im Gegenteil, er fühlte sich in seinem Innern befriedigt, daß er Obliegenheiten zu verrichten hatte, die ihm nur selten eine derartige Auszeichnung zukommen ließen. Nach den Geschäftsstunden zeigte er sich als eifriger musikalischer Dilettant, und er hatte eine wahrhaft väterliche Zuneigung zu seinem Violoncello, das jede Woche einmal aus seiner Wohnung zu Islington nach einem gewissen Klubzimmer in der Nähe der Bank geschafft wurde, wo an Dienstagabenden von einer Privatgesellschaft die ohrzerreißendsten Quartette aufgeführt wurden.
Mr. Carter mochte etwa achtunddreißig oder vierzig Jahre zählen. Er war ein Mann von blühender Gesichtsfarbe und hatte zwei ununterbrochene Reihen glänzender Zähne, deren Regelmäßigkeit und Weiße einem eigentlich Besorgnisse einflößten. Es war unmöglich, daß sie sich dem Beobachter entzogen; denn der Besitzer zeigte sie stets, so oft er sprach, und hatte in seinem Gesicht ein so breites Lächeln – ein Lächeln, das sich übrigens selten über die Grenzen seines Mundes hinaus erstreckte – daß man unwillkürlich an das Pfauchen einer Katze erinnert wurde. Nach dem Beispiel seines Prinzipals hatte er eine große Vorliebe für eine steife, weiße Halsbinde; auch war er stets in einen knapp anliegenden und vollständig zugeknöpften Anzug gekleidet. Sein Benehmen gegen Mr. Dombey war tief durchdacht und darnach abgemessen; er stand vertraut mit ihm bis an die äußerste Grenze seines Gefühls der Entfernung, die zwischen ihnen stattfand. »Mr. Dombey, einem Mann von Eurer Stellung gegenüber gibt es für einen Mann von der meinigen in Geschäftssachen keinen Grad von Dienstwilligkeit, den ich für zureichend halten könnte, und sage Euch daher offen, Sir, daß ich das Erforderliche lieber vornweg aufgebe. Ich empfinde, daß ich mein inneres Gefühl doch nicht befriedigen kann, und der Himmel weiß, Mr. Dombey, Ihr seid in der Lage, mir die Mühe zu erlassen.« Wenn er diese Worte auf einem Plakat gedruckt mit sich herumgetragen und auf der Brust seines Rockes unaufhörlich Mr. Dombey zum Lesen dargeboten haben würde, so hätte er sich unmöglich bestimmter erklären können, als dies in seinem ganzen Verhalten ausgedrückt war. Dies war Mr. Carker, der Geschäftsführer, Mr. Carker junior, Walters Freund, war sein Bruder und zwei oder drei Jahre älter als der erstgenannte, stand aber vermöge seiner Stellung weit unter ihm. Der Posten des jüngeren Bruders bildete den obersten Teil in der offiziellen Leiter, die des ältesten den untersten. Der ältere Bruder hatte nie eine Sprosse errungen oder auch nur einen Fuß erhoben, um sie zu ersteigen. Junge Menschen gingen ihm über den Kopf weg, stiegen und fielen; er aber befand sich stets zu unterst. Er hatte sich vollkommen in dieses niedrige Verhältnis gefügt, beklagte sich nie darüber und hoffte auch sicherlich nicht, ihm je zu entkommen.
»Wie befindet Ihr Euch heute morgen?« fragte Mr. Carker eines Tages, als er bald nach Mr. Dombeys Ankunft mit einer Handvoll Papiere in dessen Zimmer trat.
»Wie geht's Euch, Carker?« versetzte Mr. Dombey, sich von seinem Stuhl erhebend und den Rücken gegen das Feuer kehrend. »Habt Ihr da etwas für mich?«
»Ich weiß nicht, ob ich Euch behelligen muß«, entgegnete Carker, indem er in den Papieren blätterte. »Ihr wißt, heute um drei Uhr sollt Ihr einem Komitee beiwohnen.«
»Und einem anderen um dreiviertel auf vier«, fügte Mr. Dombey bei.
»Ja, ehe Ihr etwas vergeßt!« rief Carker noch immer in seinen Papieren blätternd. »Wenn Mr. Paul Euer Gedächtnis erbt, so wird er in diesem Hause ein lästiger Patron werden. Ein einziger ist schon genug.«
»Ihr habt ja selbst ein so gutes Gedächtnis«, sagte Mr. Dombey.
»O, ich?« erwiderte der Geschäftsführer. »Nun, es ist das einzige Kapital eines Mannes von meiner Stellung.«
Mr. Dombey sah nicht weniger pomphaft oder überhaupt mißvergnügt aus, als er so dastand, den Rücken gegen den Kaminsims gelehnt und seinen nichts ahnenden Buchhalter vom Kopf bis zu den Füßen musternd. Das Steife, die Nettigkeit in Mr. Carkers Anzug und eine gewisse Anmaßung in seinem