Medizinstatistik für den beruflichen Alltag. Christoph Thiele
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Auf das obige Marmeladenbrotbeispiel angewendet, wäre die Nullhypothese “Ein Marmeladenbrot, das vom Tisch fällt, landet gleich oft oder weniger oft auf der Marmeladenseite als auf der Rückseite“ (somit genau das Gegenteil dessen, was ich beweisen möchte) und die Alternativhypothese wäre meine ursprüngliche Aussage “Ein Marmeladenbrot, das vom Tisch fällt, landet öfter auf der Marmeladenseite als auf der Rückseite“.
Nun führe ich wieder das Experiment durch – bei 100 Fallversuchen landet es 65 Mal auf der Marmeladenseite und 35 Mal auf der Rückseite. Somit wäre meine Nullhypothese nicht erfüllt und die Alternativhypothese muss wahr sein. Hätte der Versuch das umgekehrte Ergebnis ergeben, wäre die Nullhypothese erfüllt, aber es wäre keine Aussage über die Alternativhypothese möglich.
Auf medizinische Studien übertragen bedeutet das: Soll in einer Studie eine bessere Wirksamkeit (Überlegenheit) eines Medikaments A gegenüber einem Medikament B nachgewiesen werden, wird als Nullhypothese angenommen “Medikament A wirkt gleich gut oder schlechter als Medikament B“ und als Alternativhypothese “Medikament A wirkt besser als Medikament B“.
Soll dagegen gezeigt werden, dass Medikament A nicht schlechter wirkt als Medikament B (Nichtunterlegenheit), wird als Nullhypothese “Medikament A wirkt schlechter als Medikament B“ und als Nullhypothese “Medikament A wirkt genauso gut oder besser als Medikament B“ gewählt.
Zudem gibt es noch die Möglichkeit, dass es einen Unterschied (egal ob besser oder schlechter) in der Wirksamkeit des Medikaments A gegenüber Medikament B gibt (Gleichheit). Die Nullhypothese lautet in dem Fall “Medikament A wirkt gleich gut wie Medikament B” und die Alternativhypothese “Medikament A wirkt besser oder schlechter als Medikament B”.
Bei der Formulierung der Null- und Alternativhypothese muss darauf geachtet werden, dass keine Überschneidungen stattfinden, d. h. es dürfen keine Elemente auftreten, auf die beide Hypothesen zutreffen. So ist z. B. das Hypothesenpaar: Nullhypothese = “Wiederkäuer stoßen gleichviel oder weniger Methan aus als Haustiere” und Alternativhypothese = “Wiederkäuer stoßen mehr Methan aus als Haustiere” unzulässig, da Rinder sowohl zur Gruppe der Wiederkäuer als auch zur Gruppe der Haustiere gehören.
Nice to know
Das Marmeladenbrot fällt beim Herunterfallen vom Tisch tatsächlich öfter auf die Marmeladenseite als auf die Rückseite. Dies liegt allerdings nicht an Murphys Gesetz, sondern lässt sich durch die Physik erklären. Wenn das Brot vom Tisch fällt erhält es einen Drehimpuls. Die Fallhöhe von ca. 1m bedingt jedoch, dass das Brot häufig nur eine halbe Drehung vollziehen kann und landet somit auf der Marmeladenseite. Würde man im Experiment das Marmeladenbrot aus größerer Höhe fallen lassen – statt vom Tisch fällt es nun z. B. vom Balkon – erhält man eine ziemliche Gleichverteilung der Seiten, auf die das Brot fällt. [1]
5. Randomisierung
In mehrarmigen Studien ist eine Anforderung, dass die Patienten zufällig auf die einzelnen Studienarme verteilt werden. Zudem soll die Studie balanciert sein, das heißt in jedem Studienarm sollen bei einer 1:1-Randomisierung gleich viele Patienten enthalten sein. Durch die Randomisierung soll erreicht werden, dass bekannte und unbekannte Störgrößen zufällig verteilt werden und somit keine Verzerrung (Bias) auftritt. Dabei wird in Randomisierungslisten festgelegt in welcher Reihenfolge die Patienten auf die einzelnen Arme verteilt werden. Die Randomisierung muss nicht zwangsläufig in jeden Arm gleich viele Patienten verteilen. Es können auch Randomisierungen in vorher festgelegten Verhältnissen erfolgen. Bei einem hohen zu erwartenden Nutzen der experimentellen Therapie wird häufig im Verhältnis 2:1 randomisiert. Dabei werden auf zwei Patienten im experimentellen Arm ein Patient im Vergleichsarm zugeordnet.
© wilhei (via pixabay.com), Pixabaylizenz
Quasi-Randomisierung
Die Quasi-Randomisierung ist keine echte zufällige Verteilung, da bei ihr die Verteilung auf einen starren Mechanismus (z. B. rein abwechselnde Zuteilung in die Studienarme oder nach Anfangsbuchstaben des Namens oder nach Wochentag der Diagnosestellung) beruht. Durch die Quasi-Randomisierung mit abwechselnder Verteilung ist zwar sichergestellt, dass die Studie balanciert ist und somit in jedem Studienarm gleich viele Patienten enthalten sind, jedoch ist die Zufälligkeit aufgehoben, da die Zuteilung auf die einzelnen Studienarme leicht vorhersehbar ist. Somit hätte der Prüfarzt einen direkten Einfluss darauf, welche Patienten in welchem Arm rekrutiert werden.
Einfache Randomisierung
Die einfache Randomisierung entspricht im Prinzip einem Münzwurf. Bei jedem neuen Studienpatienten wird dieser unabhängig von weiteren Parametern zufällig auf einen der Studienarme verteilt. Bei der einfachen Randomisierung sind die Studienarme jedoch nicht zwingend ausbalanciert, da bei ihr durch Zufall mehr Studienpatienten in einen bestimmten Studienarm zugeteilt werden könnten. Erst ab ca. 1.000 Patienten kann davon ausgegangen werden, dass die Studie ausbalanciert ist.
Blockrandomisierung
Bei einer Blockrandomisierung wird die Randomisierungsliste in Blöcke mit einer vorher festgelegten Anzahl an Studienpatienten aufgeteilt. Die einfachste Form der Blockrandomisierung ist, dass mit einem Block alle Studienpatienten erfasst werden. Eine solche Liste könnte folgendermaßen aussehen:
A – B – B – A – B – A – A – A – B – A – B – B
Bei dieser Form der Randomisierung ist eine Balanciertheit jedoch erst bei größeren Patientenzahlen sichergestellt. Um diese zu gewährleisten kann die Blockrandomisierung auf mehrere einzelne Blöcke aufgeteilt werden. In jedem dieser Blöcke ist dann sichergestellt, dass in jedem Studienarm gleich viele Patienten zugeteilt werden. Hierdurch wird erreicht, dass z. B. bei einer wegen schlechter Rekrutierung vorzeitig abgebrochenen Studie trotzdem gewährleistet ist, dass in jedem Arm in etwa gleich viele Patienten sind. Eine Blockrandomisierung könnte folgendermaßen aussehen:
A – B – A – B A – A – B – B B – A – A – B
Die einzelnen Blöcke müssen nicht zwingend gleich groß sein. Es ist auch möglich Blöcke unterschiedlicher Größe miteinander zu kombinieren.
Adaptive Randomisierung
Bei einer adaptiven Randomisierung erfolgt die Zuteilung der Patienten auf die einzelnen Studienarme nicht einem starren Schema, sondern kann im Laufe der Studie an die sich ändernden Gegebenheiten angepasst werden.
So kann z. B. in Abhängigkeit von den bereits randomisierten Patienten eine dynamische Anpassung der Randomisierung erreicht werden (Baseline Adaptive Randomisierung). Vor der Zuteilung eines neuen Studienpatienten in einen der Studienarme wird ermittelt, wie viele Patienten jeweils in den einzelnen Studienarmen rekrutiert sind. Der Patient wird dann nicht mit einer gleichen Wahrscheinlichkeit über alle Studienarme einem bestimmten Studienarm zugeteilt, sondern die Wahrscheinlichkeit, in den Studienarm mit weniger bereits rekrutierten Patienten zugeteilt zu werden, wird erhöht und dementsprechend die Wahrscheinlichkeit in den Studienarm mit bereits mehr rekrutierten Patienten eingeschlossen