Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Mittelalter – I. Römisches Reich Deutscher Nation –. Ricarda Huch

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Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Mittelalter – I. Römisches Reich Deutscher Nation – - Ricarda Huch gelbe Buchreihe

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auch der wirtschaftliche Nutzen, den die Zisterzienserklöster brachten, ihre rasche Aufnahme, so war doch fast in jedem einzelnen Fall ein religiöses Gefühl der Antrieb der Stiftung, Reue über vergossenes Blut, Einsicht in die Flüchtigkeit irdischer Güter oder auch nur die Meinung, dass ein wirkungsvoller Akt der Frömmigkeit zur Vollendung eines christlichen Edlen gehöre.

       Die enge Verbindung des kriegerischen Adels mit der Kirche wird erst recht verständlich, wenn man bedenkt, dass die frühmittelalterliche Kirche einen heidnischen Charakter hatte. Sie hatte ihn nicht nur, weil ihre Glieder zum großen Teil erst kürzlich bekehrte Heiden waren, nicht nur, weil zahlreiche Elemente des Heidenglaubens in die Kirche aufgenommen und übergegangen waren. Christus kam in eine erstarrte Welt, die er das Sterben lehrte. Er ist der Gott des Todes, darum waren seinem Antlitz von Anfang an Züge tiefster Trauer eingegraben. Vielleicht erlebte in ihm die Menschheit zum ersten Mal bewusst den Tod. Das junge Germanenvolk war noch nicht erstarrt, sein Dasein vollzog sich jenseits von Gut und Böse, zwischen seinen strömenden Kräften des Hasses und der Liebe, des Frevels und der Reue konnte die Selbstsucht nicht zu hemmender Schranke gerinnen. Der spätere Mensch sieht mit Staunen, wie in der mittelalterlichen Welt entsetzlicher Blutdurst und zarte Himmelssehnsucht, Hochmut und Demut sich kreuzen, wie schwerste Verbrechen durch ein gelindes Priesterwort gesühnt werden, wie hohe Kirchenfürsten ihre irdischen Leidenschaften austoben, ohne sich dadurch beschwert zu fühlen. Blutrote Sünde wusch eine Träne ab. Diese junge Welt, in der der Tod nicht schmerzte, weil sie so voll Leben war, dass der Tod nur ein Überströmen in neues Leben bedeutete, erlebte das Christentum anders als die antike Welt, die vergessen hatte, dass nichts auferstehen kann, was nicht zuvor gestorben ist. Dementsprechend musste die Kirche sich wandeln.

      Das Gudrunlied erzählt, wie nach der blutigen Schlacht auf dem Wülpensand die überlebenden Helden die Toten zu bestatten beschließen, nicht nur die Freunde, sondern auch die Feinde, damit sie nicht den Raben und Wölfen zur Speise werden.

Grafik 362

      Das im bayerisch-österreichischen Raum um 1230/40 entstandene Werk beruht zum Teil auf älteren Quellen aus dem Sagenkreis der Nordsee.

      Damit ihres tapferen Endes ewig gedacht werde, stiften sie ein Kloster mit einem Hospital, zu dessen Gunsten die Verwandten der Gefallenen Gaben beisteuern. Auch der Armen wird gedacht: ihnen soll der Erlös aus den Pferden, Rüstungen und Gewändern der Gefallenen zugutekommen. Eine Anzahl von Pfaffen, die dem Kloster zugewiesen wurde, soll betend und singend die Seelen der Erschlagenen Gott empfehlen. Vor der Schlacht hatten sie, weil es ihnen an Schiffen fehlte, einer Pilgerschar, die auf der Insel gelandet war, ihre Schiffe weggenommen; diesem Frevel schrieben sie den unglücklichen Ausgang des Treffens zu, und damit sie beim nächsten Gefecht besseres Glück hätten, beeilten sie sich nun, den Schaden zu ersetzen. Dann segelten sie heim, das Herz erfüllt von Rachegedanken, ungeduldig gespannt auf neues Blutvergießen. So war das Christentum der Edlen: zuweilen wurde ein härenes Gewand über den strahlenden Harnisch gezogen, dann, nachdem es wieder im Gepäck versorgt war, schlug das wilde heidnische Herz, ganz eins mit sich, dem nächsten Turnier, der nächsten Fehde, neuen Taten und Untaten entgegen. Die Kirche war mit diesen Söhnen zufrieden, und es ist anzunehmen, dass Gott es auch war.

      * * *

      Die Ottomanen

       Die Ottomanen

      Die Familie der Arnulfinger, die rasch in leuchtenden Stufen zu ihrem Gipfel aufgestiegen war, verfiel sofort nach dem Tode des größten, wenn sie auch noch lange nicht erlosch, als hätte das weithin weckende Licht, das von ihm ausging, vom Horizont sich nicht lösen mögen und in einem langen Abendrot dem Untergange nachgeglüht. Trotz der Teilung unter die Söhne Ludwigs des Frommen erhielt sich noch das Bewusstsein des Zusammenhanges der west- und ostfränkischen Reichshälften durch die Dynastie, wie sie denn auch unter Karl dem Dicken noch einmal vereinigt wurden. Immerhin, obwohl das häufige Vorkommen germanischer Namen im 9. Jahrhundert der westfränkischen Hälfte noch ein germanisches Gepräge gab, beweisen die Eide, die bei Gelegenheit der Verträge von Verdun und Mersen über die Trennung geleistet wurden, dass im westfränkischen Reich Französisch, im ostfränkischen Deutsch gesprochen wurde.

      Die endgültige Trennung der deutschredenden Stämme vom Westfrankenreich wurde offenbar, als im Jahre 911 der letzte ostfränkische König, Ludwig das Kind, starb. Die Deutschen dachten nicht daran, sich nun wieder dem westfränkischen Karolinger anzuschließen, sondern ein Teil wählte Konrad zum König, der als Herzog von Franken und Anverwandter der karolingischen Familie der geeignete Nachfolger zu sein schien. Während seiner kurzen Regierung bemühte sich Konrad vergeblich um den Anschluss aller Stämme; außer in Franken und Schwaben wurde er nirgends anerkannt. Seine edle Gesinnung bewies er dadurch, dass er sterbend seinem Bruder Eberhard empfahl, auf die Nachfolge zu verzichten und die Krone seinem bisherigen Gegner, dem Sachsenherzog Heinrich, anzubieten.

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      (* um 876; † 2. Juli 936 in der Pfalz Memleben) aus dem Adelsgeschlecht der Liudolfinger war ab 912 Herzog von Sachsen und von 919 bis 936 König des Ostfrankenreiches.

       Als mit dem Tod Karls des Großen der Mittelpunkt erschlaffte, in dem die Reichsglieder zusammengefasst waren, wurde das Grundwesen der Germanen wieder wirksam, denen weniger der Trieb nach Einheit im Blut liegt als der Drang des einzelnen oder der Gruppe nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit. Der romanische Staat betont die Vertretung des Ganzen, schafft einen Beamtenapparat, der vom Mittelpunkt ausgehend die Glieder von oben nach unten erfasst und bewegt, wodurch für diesen die Möglichkeit entsteht, sich der beherrschten Teile zu bedienen, sie mit großer Kraft nach außen zu verwenden, sie auszubeuten. Der germanische Staat geht von den einfachen unteren Gliedern, der Familie, der Sippe, der Gemeinde aus und begegnet allmählich der von obenher beherrschenden Vertretung des Ganzen. Die Entfaltungsmöglichkeit und Freiheit des Individuums ist dem Germanen unendlich wichtig, und er opfert davon nur so viel wie nötig ist, damit ein Ganzes überhaupt sich bilden kann, während nach romanischer Auffassung der Staat im Besitz der Allgewalt ist und dem einzelnen an Befugnissen möglichst wenig überlässt. Die Vorteile des zentralisierten Staates sind Straffheit, Ordnung, Möglichkeit der Machtentfaltung nach außen, die des gegliederten Staates Mannigfaltigkeit, Reichtum an eigenartigen Individualitäten, Fülle der Natur, des schöpferischen Lebens. Im Hinblick auf den Beamtenapparat kann man den zentralisierten Staat auch den mechanischen nennen, worauf der häufig gebrauchte Ausdruck Staatsmaschinerie oder Staatsmaschine hinweist, während der organische von innen heraus wächst und sich verzweigt. Zu Karls des Großen Zeit konnte allerdings von einer Staatsmaschine im modernen Sinne nicht die Rede sein, sowohl aus technischen wie aus Gründen der Auffassung: er ließ den unterworfenen Stämmen ihr eigenes Recht, das er nur stellenweise ausbildete, und vermied Eingriffe in ihr kulturelles Leben. Der auf die Sachsen ausgeübte Zwang sollte nur dauern, bis die Christianisierung einigermaßen gesichert war. Immerhin zentralisierte er bis zu einem ziemlich hohen Grad, indem er das ganze Reich in Gaue einteilte, Grafen als Vorsteher derselben einsetzte und diese durch Königsboten beaufsichtigen ließ. Als Gegenwirkung gegen diese dem germanischen Geist widerstrebende Bindung an das Ganze bildete sich nach Karls Tod in den einzelnen Teilen des ostfränkischen Reiches das Stammesherzogtum wieder aus, und zwar mit besonderer Kraft in den beiden Ländern, die auch in anderer Hinsicht einander ähnlich waren, in Sachsen und Bayern. Beide Länder bedurften nach dem Verfall der Karolinger vorzugsweise einheimischer Führer, weil sie mehr als die anderen den Einfällen feindlicher Völker ausgesetzt waren, Sachsen der Normannen und Slawen, Bayern der Avaren und Magyaren. Der Herzog von Sachsen, Brun, fiel im Jahre 880 in der Nordsee gegen die Normannen, Luitpold, Graf in Bayern, im Jahre 907 gegen die Ungarn. Das große gemeinsame Erlebnis von Gefahr, Opfer und Sieg knüpfte das Volk fest an diese Familien. Wie nun die Germanen dazu neigen, nirgends ein absolutes Recht aufkommen zu lassen und andererseits nicht absolute Rechtlosigkeit zu dulden, so bestanden die

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