Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Friedrich Gerstäcker: Blau Wasser - Gerstäcker Friedrich страница 19
„Der Steuermann, ein alter tüchtiger Seemann, wollte nun zwar wieder umkehren und nach Rio einlaufen, um dort zu reparieren, denn es war Winterszeit wie jetzt, und mit dem Cap ist manchmal nicht viel zu spaßen. Der Kapitän aber hatte seinen Sinn dick- und starrköpfig darauf gesetzt, die schnellste Reise nach Kalifornien zu machen, und wenn das Leck nicht ärger wurde, konnten wir's auch recht gut, mit ein paar Mal Pumpen den Tag über in den einzelnen Wachen, zwingen. Nicht weit von Staten Island kamen wir in ein schweres Wetter; eine See stand da, wie wir sie hier noch nicht einmal gehabt haben; von Segeleinnehmen war der Alte auch gerade kein Freund, und so jagte uns der Sturm denn auch richtig einmal in einer Nacht bei einem eisigen Schneegestöber, das uns die scharfen Flocken wie Nadeln ins Gesicht trieb, beide Masten über Bord. Durch die Erschütterung natürlich verschlimmerte sich das Leck, und bis wir das Wrack nur frei von Holz und Tauwerk hatten, das drum herumhing, fasste uns die See gerade in der Flanke, wusch die ganze eine Wache über Bord und Kombüse und Reling so rein vom Deck herunter, als ob im Leben nichts darauf gewesen wäre. Wie wir damals dem Tod entgangen sind, ist mir noch jetzt ein Rätsel; aber auf die eine oder die andere Art hielt Gott seine Hand über uns.
„An dem Stumpf des Vormastes, der vielleicht zehn Fuß über Deck abgebrochen war, richteten wir einen Notmast auf und brachten an Leinwand hinauf, was wir eben wagen durften zu führen, bis sich der Sturm gegen Morgen legte. Indessen war uns aber das Schiff halb voll Wasser gelaufen, und nun hieß es an die Pumpen, wenn uns nicht das Deck unter den Füßen weg sinken sollte. Jungens, Jungens, das war eine schwere Zeit, und die See schien zuletzt ordentlich müde zu werden, mit uns zu spielen, während wir selber Tag und Nacht an den Pumpen unsere Glieder kaum mehr regen konnten. Einmal wär's auch beinahe alle gewesen, denn ein paar von den jungen Burschen, die von den Pumpen herauf einen Branntweingeruch in die Nase kriegten, weigerten sich plötzlich, weiter zu arbeiten, und sprangen in den Raum hinunter, um die Rumfässer anzuzapfen, von denen wir, wie sie recht gut wussten, ein paar an Bord hatten; aber der Kapitän hatte glücklicherweise das vorhergesehen und ihnen den Boden eingeschlagen. Als wir's nachher mit dem Salzwasser herauspumpten, hatten sie's gerochen, aber zu trinken war nichts mehr, und die Leute kehrten zu ihrer Arbeit zurück.“
„Und bekamt ihr das Schiff in einen Hafen?“ fragte ein anderer.
„Ich glaube nicht, dass wir's so lange ausgehalten hätten“, sagte der Alte leise. „Zwei wurden uns noch während der Arbeit über Bord gewaschen, denn da uns die Schanzkleidung vorn von Bord geschlagen war, kamen die Wellen herüber, wie's ihnen gerade gefiel, und zwei andere wurden krank, fingen an zu phantasieren und mussten ins Logis gebracht werden. Einer kam wieder herauf und sprang über Bord, der andere lag ohne Besinnung, bis uns am neunten Tage ein Schiff, eine englische Barke, traf und anlief. Wir hatten auch nichts mehr zu versäumen, denn kaum an Bord des Engländers und noch selbst in Sicht vom Wrack, das jetzt langsam füllte, sank es weg.“
„Ach was! Lasst den traurigen Salm, wenn draußen der Sturm ebenfalls an die Planken pocht!“ rief der Rhode Isländer da ärgerlich. „Das ist eine Geschichte, die uns alle Tage selber passieren kann, weshalb sich die Wache damit verderben. – Wenn euch das Schiff gesunken wäre, hättet ihr euch immer noch mit Schwimmen Tage lang oben halten können, und der Engländer hätte euch doch gefunden.“
„Schwimmen, hier in See?“ sagte der Alte kopfschüttelnd; „ja, wenn Fische und Vögel nicht wären! Wer hier über Bord geht, dem wäre besser, dass er gar nicht schwimmen könnte; er sparte lange Qual und Todesangst.“
„Und das sagt Ihr mir?“ lachte Rhode Island, „mir, der sich erst auf der vorigen Reise mit Schwimmen gerade am Leben erhalten hat? Bah, Kamerad, das ist der Alteweiberspruch an Bord vieler Schiffe, dass ein Matrose eigentlich nie sollte schwimmen können, um nicht so schwer zu sterben. Ich habe mich aber schon volle vierundzwanzig Stunden über Wasser gehalten, als wir vor New-York mit dem Schiff nachts zusammenstießen, und bin dann doch noch von einem französischen Schiff aufgelesen worden. – Wo wär' ich jetzt, wenn ich nicht schwimmen könnte, heh?“
„Vielleicht besser aufgehoben“, sagte der Alte trocken; „wir sind alle noch nicht im Hafen!“
„Haha haha“, lachte Rhode Island, „die alte Krähe will weissagen. Aber ich erzähle euch einen Spaß, Kameraden, den ich an Bord des Franzosen hatte, kaum vier Wochen später, nachdem sie mich aufgefischt, und wenn ich nicht schwimmen könnte und es ihnen vorher bewiesen hätte, wäre es mir damals schlecht gegangen, obgleich ich mit keinem Fuß ins Wasser kam.“
„Unsinn, Rhode Island!“ riefen ein paar der Kameraden, „du willst uns wieder eine von deinen Rhode Island-Geschichten erzählen; aber nur zu; veer away und lass es uns haben, mein Junge, verlange nur nicht, dass wir's glauben.“
„Glauben? Der Teufel dank's euch!“ rief der junge Bursche; „was für andere Beweise wollt ihr, als eines Mannes Wort? Ich könnte euch übrigens die ganze Mannschaft zu Zeugen bringen, wenn ich sie eben hier hätte.“
„So komm einmal flott, zum Henker!“ rief ein anderer; „unsere Wache ist bald aus, und wir wollen die Geschichte hören.“
„Nun, sie ist einfach genug“, sagte Rhode Island. „Natürlich wurde ich an Bord von den Franzosen gleich einer Wache zugeteilt, zu der ich von da an, so lange ich an Bord war, gehörte, und wir liefen damals nach Rio hinunter. Unter der Linie nun, bei Windstille und blauem Himmel, ließ unser Alter das Schiff auswendig malen, und ich saß hinten allein auf dem Gerüst am Heck, gerade unter einer offenen Luke, die in die Vorratskammer führte. Nebenbei muss ich euch sagen, dass wir nicht einen Tropfen Spirituosen an Bord bekamen, weder Brandy noch Whisky, nicht für Liebe noch für Geld, nur solch verdammt saures Zeug, Claret glaube ich nannten sie's, das sie aus Blechbechern soffen und das mir jedes Mal Leibschneiden machte. Aus dem Vorrats-Spintge heraus roch es aber unmenschlich gut nach echtem Cognac, von dem der Alte wohl genug an Bord haben mochte, und mich plagt der Henker, dass ich, wie ich an Deck oben gerade niemand gehen höre, von der Stelling ab und in die Luke hinein krieche. In dem großen schwarzen Farbeneimer, den ich draußen bei mir hatte, konnte ich recht gut ein paar Flaschen unterbringen, die nachher schon aus dem Weg zu schaffen waren.
„Die Sache ging auch ganz vortrefflich; gleich in der nächsten Ecke stand eine offene Kiste mit der deutlichen Aufschrift Cognac. Ich hatte aus dieser schon zwei Flaschen in mein Hemd vorn geschoben und noch eine andere Flasche mit Pikles aufgepackt, und war eben wieder im Begriff, auf die Stelling draußen zurückzukehren, als ich den Ruf ‚Mann über Bord‘ oben an Deck und Stimmen höre, die gerade da, wo ich wieder zu Tage musste, laut über Bord sprachen. Einen ordentlichen Schlag gab's mir in die Kniekehlen, und ich wusste im ersten Augenblick wahrhaftig nicht, was ich tun, ob ich mich verstecken oder auf Gnade und Ungnade ergeben solle. Vielleicht zog aber gerade der über Bord Gefallene die Aufmerksamkeit der Mannschaft von mir ab, und ich konnte noch unbemerkt, unvermisst meinen Platz wieder einnehmen.
„Wie ich aber nur den Kopf an die offene Luke brachte, hörte ich auch schon zu meinem Schrecken, dass ich selber mit dem über Bord Gefallenen gemeint sei und gerade aus höchst unzeitiger Menschenliebe ein Boot niedergelassen wurde, um mich zu suchen. Hinten auf der Reling aber, am Besanbaum, stand der Kapitän mit dem Steuermann und wunderten sich, dass ich so rasch aus Sicht gekommen wäre, wobei sie einem Haifisch die einzige mögliche Schuld beimaßen.
„An ein unbemerktes Wiederherauskommen war gar nicht zu denken, eine Entschuldigung, weshalb ich in die Kammer hineingeklettert sein könne, ließ sich auch nicht erfinden – der wirkliche Grund lag zu klar auf der Hand, und selbst bei dem Überlegen verfloss so viel Zeit, dass mir zuletzt gar nichts weiter übrig blieb, als mich versteckt zu halten und abzuwarten, wie das Ganze enden würde.
„Wir liefen indessen bei einer ganz schwachen Südost-Brise, mit allen Segeln gesetzt, etwa drei Meilen die Wache dicht am Winde, und ich konnte deutlich hören,