Wer verarscht hier eigentlich Wen?. Willi M. Dingens
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Und trotzdem passt da nichts richtig zusammen, müssen Sekunden oder Tage zugeschaltet, auch mal etwas um- oder abgeschaltet werden, damit die Jahre nicht aus dem Ruder laufen und wir nach wenigen Umläufen schon im Sommer fragen müssen: Ja ist denn schon Weihnachten?
Wo war ich oben eigentlich stehengeblieben? Ach ja, beim Bogenmaß. Die kecken Wissenschaftler transformierten das Winkel-Gradmaß einfach in unser geläufiges Zeit-Sexagesimalsystem. Ich finde das, mit Verlaub, gar nicht so logisch. Das System der Winkel-Grade ist ja eigentlich auch ein Sexagesimalsystem. Ein Kreis besitzt ringsherum genau 360 Grade, jedenfalls theoretisch und wenn er ordentlich gezeichnet wird. Das sind genau 6 mal 60 Grad. Also ist auch hier die 6 die Basis des Systems.
Die Wissenschaftler überlegten sich aber etwas anderes. Man könne doch, wenn man es will, die Winkelgrade als Zeit ausdrücken. Deshalb setzten sie einfach: 1 Winkelgrad, das sind ab sofort 60 Bogenminuten und 1 Bogenminute dann halt 60 Bogensekunden. 1 Grad besitzt daher stolze 3600 Bogensekunden. Bogenstunden, Bogentage und Bogenjahre ließ man weg, denn da wäre man schon wieder mächtig ins Schleudern geraten. 60 Grad für eine Bogenstunde wäre ja noch gegangen, aber warum sollte ein Bogentag für einen Winkel von 1440 Grad stehen, oder ein Bogenjahr für einen Winkel von 525600 Grad. Das wäre doch ziemlich albern.
Und so kann man lesen, der Sonne wurde eine Größe von 31'59'', also von 31 Bogenminuten und 59 Bogensekunden verordnet, zusammen 1919 Bogensekunden.
('' steht übrigens für Bogensekunden, ' für Bogenminuten; aber das werden Sie ja schon bemerkt haben.)
Dem Vollmond wurden 31'5'' oder 1910 Bogenminuten zugewiesen. Diese Fast-Übereinstimmung der Größen war notwendig, damit die Mondscheibe beim Vorbeizug vor der Sonnenscheibe diese gerade so verdeckt, dass wir die so faszinierende Sonnenfinsternis erleben können. Hätte der Mond ein Größe von vielleicht nur schlappen 200 Bogenminuten, hätten wir wahrscheinlich den Begriff der Sonnenfinsternis nie erfunden. Der Vorbeizug des Mondes vor der Sonnenscheibe würde dann lediglich eine leichte Eintrübung der Sonne auslösen, sozusagen einen Grauen Star.
Eine Sonnenfinsternis ist da viel eindrucksvoller. Das hat der Schöpfer sauber hingebogen. Man muss dabei ja noch berücksichtigen, dass es sich bei den Größenangaben der Astronomen um scheinbare Größen handelt, um die für uns beobachtbare Ausdehnung der Sonnen- bzw. Mondscheibe vor dem Raumhintergrund. Die Entfernungen der Erde von der Sonne und vom Mond spielen entscheidend mit. Auch eine nur 200 Bogensekunden große Mondscheibe könnte ebenfalls zu einer Sonnenfinsternis führen, wenn die Entfernung der Erde inklusive Mond zur Sonne entsprechend größer wäre. So richtig gut wäre das für uns aber nicht; dann schon besser, wie es ist.
Als mich meine Frau kürzlich nach der genauen Uhrzeit fragte, antwortete ich, es sei genau 12 Uhr und 0,5 Grad. Ich fand das lustig, meine Frau nicht so, die verkündete daraufhin, bei meinem nächsten Arztbesuch würde sie mal besser mitkommen, um persönlich mit dem Arzt reden zu können.
Dass ein Sportreporter mit vor Begeisterung zitternder Stimme verkünden könnte, beim soeben absolvierten 100-Meter-Endlauf seien all 8 Starter unter 0,0028 Grad geblieben, ist wohl eher unwahrscheinlich.
Obwohljedoch, die Dopingfahnder würde das vielleicht etwas ablenken.
Wie und warum aber waren denn die wissenschaftlichen Strategen überhaupt auf Hin- und Herbewegung und auf Bogenmaß gekommen, um die dann zum Entfernungsmaßstab Parsec zu verschmelzen? Nun, das ist eine der merkwürdig-logischen Geschichten von der Denke der Wissenschaftler.
Jedenfalls wurde sie mir so erzählt:
Eines trüben Tages, da sie wegen des Wetters die Sterne nicht beäugen konnten und deshalb etwas ratlos in ihren Sternwarten auf besseres Wetter warteten, lungerte eine Gruppe Astronomen einfach so in der Kantine herum.
Man sprach über das dürftige Kantinen-Angebot, den miesen Kaffee, die neue Freundin des Sternwartenchefs, das schrecklich quietschende Räderwerk der Nachführ-Vorrichtung des großen Rohres, die schlechten Leistungen der Mannschaft von Borussia, die jüngste Veröffentlichung amerikanischer Astronomen über die merkwürdigen asymmetrischen Schlingerdrehungen des Asteroiden Ruckzuck 4408, der voraussichtlich erst in 3125 Jahren den Beobachtern auf der Erde seine Rückseite präsentieren wird, und über die Möglichkeit, dass der gerade erst entdeckte sehr kleine Jupitermond Amoralis vielleicht gar kein Jupitermond ist, sondern einer des Saturn oder ein großer Asteroid auf Abwegen oder auch nur eine Lichtbrechung in der Linse des großen Rohres, die möglicherweise mal wieder geputzt werden sollte.
So plauderte man lustig vor sich hin, denn das Wetter ließ auf sich warten. Aber man war auch nicht sonderlich in Eile, die Sterne liefen ja nicht weg.
Schließlich kam man auf ein Thema zu sprechen, das für Astronomen immer interessant ist, auf die Definition der kosmischen Entfernungen.
Sie bedauerten sich gegenseitig ob der Umständlichkeit, mit denen man Entfernungen im Kosmos definieren musste. Kilometer ging ja schon lange nicht mehr. 10^12 oder 10^17 Kilometer könne sich kein Mensch mehr sinnlich vorstellen. Jetzt, da man immer weiter in das Universum hinausblicken und -denken müsse, sei es aber auch schon unerträglich, mit Lichtjahren operieren zu müssen. Man sei da jetzt auch schon 10^6, 10^7, gar schon bei mehreren 10^9 Lichtjahren – das sei doch recht unhandlich.
Auch sei der Begriff Lichtjahr leicht missverständlich. Es habe schon mehrere Schlagertexte, Twitternachrichten und Facebook-Einträge gegeben, in denen jemand versicherte, er würde Lichtjahre auf irgendjemand warten oder irgendetwas würde Lichtjahre dauern. Bei einer solchen Vermischung von Zeit und Distanz würde es selbst einem hungrigen Astronomen den leeren Magen umdrehen.
Und als man so daher plauderte, stellte ein junger, deshalb auch recht naseweiser Forscher eine wichtige Frage: Wie groß ist eigentlich der Daumensprung, in Winkeln ausgedrückt?
Die Runde wies den Typen zurecht, es ginge hier um ernsthafte astronomische Probleme. Seine Frage könne er ja mal bei einer Quiz-Show im TV unterbringen, bei Jauch vielleicht oder bei Pflaume. Hier ginge es um ein großes, sogar immer größer werdendes wissenschaftliches Problem.
Der junge Astronom wunderte sich, woher die Alten überhaupt die Namen der TV-Show-Akteure kannten, sagte aber nichts.
Das übernahm ein besonders alter Kollege, der wegen seines Alters und seiner Sternenforscherverdienste schon jenseits von Gut und Böse stand. Der Verdiente riet, man solle doch mal genauer über die harmlose Frage nachdenken. Viele zunächst harmlos erscheinende Fragen würden sich bei genauerem Nachdenken als für die Geschicke der Menschheit außerordentlich bedeutsame Fragen entlarven, deren Beantwortung nichts mehr so sein lassen würde, wie es vorher war.
Man solle sich doch nur mal an die scheinbar harmlose und von Wissenschaftlern über die Jahrhunderte als völlig überflüssig angesehene Frage erinnern, warum ein Marmeladenbrot, wenn man es hoch wirft, immer mit der Marmelade auf den Boden knallt. Als man endlich der Frage nachging, entdeckte man schließlich nichts Geringeres als das bedeutende Prinzip der Fraktalen Asympatischen Aberration, das heute in vielen technologischen Verfahren Anwendung findet.
Auch die lange für unbedeutend gehaltene Frage, ob man, wenn man konsequent gen Westen segelt, doch nur wieder am Ganges landet oder mal was Neues findet, hätte schließlich und ziemlich überraschend