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»Ja, ja, die selbst war’s, niemand anders; und sie war überaus glücklich über diesen Einfall. Sie fragte gleich die Jungfer, ob sie bei ihnen bleiben wolle. Die Jungfer zierte sich auch keinen Augenblick, sondern sagte, jawohl, sie tue ihr gerne den Gefallen. Aber das wolle sie gleich feststellen, wenn sie indessen eine Stelle bei einer Herrschaft finde, dann reise sie sofort ab. Sie sei eine arme Person, die in erster Linie an sich selbst denken müsse.
Wer aber nur schwer zu überreden war, das war Schneewittchens Vater. Sollte er die Jungfer volle sechs Wochen lang da haben und überdies gezwungen sein, die Mahlzeiten mit ihr einzunehmen?
Du kannst dir nicht denken, wie schwer es war, bis Schneewittchen und die Großmutter endlich fort kamen. Mit dem Vater und Jungfer Vabitz wollte es absolut nicht gehen. Der Vater scherzte und neckte sich mit allen Menschen; die Jungfer aber war streng und ernst und nur immer darauf bedacht, ihre Würde aufrechtzuerhalten.
Meistens gelang es Schneewittchen auch, es so einzurichten, daß sie nur bei den Mahlzeiten zusammentrafen; aber kaum hatte sich der Vater zu Tische gesetzt, als er auch schon von etwas zu reden anfing, womit er, wie er wußte, bei der Jungfer Anstoß erregte. Und am komischsten deuchte es ihn, mit ihr von Liebe und Heirat zu sprechen.
Er sei sehr froh, daß er die Jungfer ins Haus bekommen habe, denn jetzt könne sie ihm einen guten Rat geben. Er habe schon lange daran gedacht, sich wieder zu verheiraten. Was würde sie wohl zur Gräfin auf Borg sagen?
Aber kaum hatte der Vater das gesagt, als die Jungfer ganz starr vor Schrecken wurde. Sie legte Messer und Gabel nieder und sah ihn sprachlos an.«
Die Pflegeschwester lachte hell hinaus. »Denk dir, wie lustig er es da gehabt hätte!« sagte sie.
»Ja, das ist klar, der Herr Vater fuhr ordentlich ins Zeug. Es passierte ihm nicht alle Tage, daß er mit jemand zusammen kam, der es nicht verstand, wenn er scherzte. Jetzt erklärte er, er könne absolut nicht begreifen, warum Jungfer Vabitz so erstaunt aussehe. Ob sie meine, die Gräfin werde ihn nicht haben wollen? Aber er wisse ganz bestimmt, daß ihn die Gräfin für einen schönen Mann halte. Solange sie auf Borg sei, besuche sie die Kirche jeden Sonntag, und sie habe selbst einmal gesagt, einen häßlichen Pfarrer könnte sie nicht predigen hören.
Das war doch zu komisch! Als Schneewittchens Vater dieses sagte, zeigten sich auf Jungfer Vabitz’ Wangen zwei brennend rote Flecke. Sie hatte gewiß, solange als es ihr möglich war, geschwiegen, aber jetzt mußte sie ihrem Zorn Luft machen.
‘Und das will ein Pfarrer und ein Diener Gottes sein!’ brach sie los.
Aber die Jungfer hatte eine sehr scharfe, rauhe Stimme. Sie war klein von Gestalt und hatte ein kleines feines Gesicht und ganz kreideweiße Haare, obgleich sie kaum in den Vierzigern war. Auch sah sie sanft wie eine Taube aus. Aber gerade deshalb erschrak man, wenn sie zu sprechen anfing.
Nachdem die Jungfer mit dieser tiefen Grabesstimme ihr Urteil über den Vater gefällt hatte, brach er in helles Lachen aus; da sprach die Jungfer während des ganzen Essens kein einziges Wort mehr.«
Die Pflegeschwester lachte auch; aber die Pfarrerstochter seufzte nur, ehe sie fortfuhr.
»Ich brauche wohl kaum zu sagen, wie sehr Schneewittchen ihren Vater anflehte, das Necken zu lassen, und wie betrübt sie war, als alles nichts half. Sie lebte in beständiger Angst, die Jungfer werde aus dem Pfarrhaus auf und davon gehen, wie sie von Borg auf und davon gegangen war.«
»Oh, sie wird schon geblieben sein«, sagte die Pflegeschwester.
»Allerdings, sie blieb, und darüber war Schneewittchen unbeschreiblich froh. Überdies machte sich die Jungfer nun auch im Haushalt nützlich. Sie wolle nicht da sein, ohne etwas zu arbeiten, erklärte sie. Hast du je so was gehört?
Ganz natürlicherweise begnügte sich auch so eine wie diese Jungfer nicht damit, die gewohnte einfache Hausmannskost zu kochen, sondern sie richtete nach französischer Art an, wie es in einem Grafenhaus verlangt wurde. Und der Vater, der mehrere Jahre Hauslehrer in vornehmen Familien gewesen war, lebte wieder in seiner Jugendzeit, wo er Fleischfarcen und Pasteten und gewürzte Soßen zu essen bekommen hatte. Soviel war gewiß, während Schneewittchens Abwesenheit würde er sicherlich keine Not leiden. Auch war es der Tochter eine Beruhigung, als sie merkte, daß ihr Vater die Jungfer mit seinen Neckereien nicht so scharf aufs Korn nahm, wenn sie ihm ein besonders gutes Gericht vorgesetzt hatte. Und etwas anderes war noch befriedigender: der Vater und die Jungfer hatten nämlich alle beide besonders große Freude am Gartenbau. Der Vater konnte, solange er wollte, über die Archiater Linné und Hummarby und den Botanischen Garten in Upsala reden, nie wurde es die Jungfer müde, ihn anzuhören.
Der Gartenbau war es auch sicherlich, der den Vater mit dem Dableiben der Jungfer aussöhnte. Sonst wäre es niemals gegangen. Diesem Umstand hatte es Schneewittchen zu verdanken, daß sie ohne Sorge abreisen konnte. Nun hoffte sie fast sicher, Jungfer Vabitz und ihr Herr Vater würden es miteinander aushalten, bis sie wieder zurück kam.
Und doch! Obgleich sie jetzt wirklich beruhigt war, weilten ihre Gedanken während der ganzen Zeit ihrer Abwesenheit doch alle Tage daheim bei dem geliebten Vater, und sie fragte sich oftmals, ob er die arme Vabitz nicht doch ab und zu mit seinen Neckereien plagte.
Als Schneewittchen vierzehn Tage abwesend war, erhielt sie von ihrem Vater einen unbeschreiblich komischen Brief, der von Anfang bis zu Ende davon handelte, wie es ihm und Jungfer Vabitz miteinander ging. Eines Abends seien Leutnant Bergh und Patron Julius zu Besuch gekommen, da hätten sie Karten gespielt und Bellmansche Lieder gesungen. Und siehe! am nächsten Tag habe die Jungfer gar nicht mit ihm sprechen wollen, und die ganze Woche hindurch habe er nur Blutklöße mit Speck oder Meerrettich mit Hering zu Mittag bekommen. Gestern jedoch seien Krustaden und gebratener Lachs aufspaziert, nun sei er also wieder zu Gnaden angenommen.
Schneewittchen mußte hell auflachen; das gute Väterchen war ganz närrisch. Doch beruhigte sie dieser Brief nicht vollständig. Der nächste dagegen klang besser. Da berichtete der Vater, der lange Bengt habe erklärt, er wolle seine alte Liebste, die lustige Maja, heiraten. Und wer habe ihn dazu gebracht? Niemand anders als Jungfer Vabitz; die hätte ihm vorgepredigt, wie unrecht es sei, daß er ein Frauenzimmer vierzehn Jahre lang auf sich warten lasse; und schließlich habe das gewirkt.
Schneewittchen konnte wohl merken, wie vergnügt der Vater war. In diesem Brief schrieb er auch nicht von der ‘Vabitza’, sondern von Jungfer Vabitz. Das war ein sicheres Zeichen, daß der gute Vater jetzt herausgebracht hatte, welch vorzügliches Frauenzimmer sie war. Danach bekam Schneewittchen keinen Brief mehr von ihrem Vater, sondern nur noch kurze Billette, in denen er sagte, er habe sehr viel zu tun und deshalb keine Zeit zum Briefschreiben. Von der Jungfer stand kein Wort mehr darin. Er hatte sich also jetzt wohl an sie gewöhnt und beschäftigte sich in seinen Gedanken mit ihr nicht mehr als mit den andern Dienstboten.
Aber ein Rest von Besorgnis war doch immer noch vorhanden; und ich will gar nicht erst versuchen, dir zu beschreiben, wie froh Schneewittchen war, als sie sich endlich in den Wagen setzen und nach Hause reisen durfte. Sie hatte rechtzeitig geschrieben, wann der Vater sie zu Hause erwarten könnte, und in demselben Briefe hatte sie ihn auch gelobt, daß er es mit der Jungfer Vabitz solange ausgehalten habe. Von nun an werde er sich indes nie wieder mit Fremden behelfen müssen, nun würde ihn seine Tochter nie mehr verlassen.«
»Ach so, das schrieb sie auch?« fragte die Pflegeschwester. »Es muß ihr eine Befriedigung sein, wenn sie jetzt daran denkt.«