Georg Schweinfurth: Forschungsreisen 1869-71 in das Herz Afrikas. Georg Schweinfurth
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Eine aufregende Begegnung
Da wir in seinem Gefolge eine ganze Herde vermuten mussten, griffen wir zunächst nach den Gewehren, um einem nahen Baume zuzueilen. Doch es wurde alles still, und unsere nächste Sorge wandte sich jetzt dem Unglücklichen zu. Mohammeds Kopf lag wie angenagelt am Boden, da seine Ohren von scharfen Schilfhalmen durchbohrt waren, aber eine flüchtige Untersuchung überzeugte uns sofort davon, dass die Verletzung nicht tödlich sein konnte. Das Büffelhorn hatte gerade den Mund getroffen und außer vier Zähnen im Oberkiefer und einigen Knochensplittern hatte er keine weiteren Verluste zu beklagen. Ich ließ Soliman an der Stelle, um Mohammed zu waschen, und eilte allein zur entfernten Barke, um ihn abholen zu lassen. In drei Wochen war er wieder hergestellt und als Entschädigung für jeden der vier Zähne erhielt er ein Bakschisch von zehn Mariatheresientalern. Diese Freigebigkeit belebte wunderbar die Unternehmungslust meiner Begleiter, sie war aber auch vonnöten, um die Leute für die Zukunft stets bei gutem Humor zu erhalten. Der Retter Soliman fiel bald darauf bei einer der üblichen Schießereien der Nubier seiner eigenen Unbesonnenheit zum Opfer.
Bei dem ehemaligen Hauptquartier des berühmten Räuberhauptmanns Mohammed Cher stießen wir auf die ersten Spuren des ruchlosen Sklavenhandels. Mengen menschlicher Gebeine von den durch Seuchen hinweggerafften Sklaven fanden sich überall über die Steppe verstreut, infolge des Steppenbrandes in halbverkohltem Zustand.
Die Zahl der geschlachteten und verschmausten Rinder muss, nach den vorhandenen Knochenmassen zu urteilen, ganz gewaltig gewesen sein; sie bestanden meist aus der Beute, die Mohammed den Schilluk abgenommen hatte. Dieser Räuberhauptmann durfte es sogar wagen, den Befehlen des Generalgouverneurs Trotz zu bieten, und er war es hauptsächlich, der die Chartumer lehrte, mit Hilfe befestigter Plätze, förmlicher Zwingburgen, die Eingeborenen in Schrecken zu halten. Infolge seiner Räubereien war das ganze östliche Nilufer in eine ununterbrochene Waldeinöde verwandelt. Die Dinkaneger oder Djangeh, die dort einst zahlreiche Dörfer bewohnten, hatten sich ins Innere zurückgezogen.
Bei einer Krümmung des Nil, unterhalb Faschoda, hatte ich schon wieder ein bösartiges Abenteuer. Da die Windrichtung hier das Segeln unmöglich machte, musste die Barke von der Mannschaft gezogen werden. Als nun das Seil durch die Grasmasse des Ufers streifte, kam uns ein wilder Bienenschwarm in den Weg, der sich gleich einer großen Wolke über die Ziehenden entlud. Jeder stürzte sich kopfüber in den Fluss und suchte die Barke wieder zu gewinnen. Aber der Bienenschwarm folgte auf den Fluss nach und erfüllte in wenigen Augenblicken alle Räume des mit Menschen vollgepfropften Fahrzeugs.
Ich arbeitete gerade an meinen Pflanzen in der Kabine, als ich ein Rennen und Springen vernahm, das ich anfangs für Ausgelassenheit der Leute hielt. Da stürzt einer ganz verwirrt mit dem Ruf herein: „Bienen, Bienen!“ Plötzlich fühle ich mich im Gesicht und an den Händen von den empfindlichsten Stichen getroffen und höre mich bereits von Tausenden von Bienen umsummt; vergeblich suche ich das Gesicht mit meinem Handtuch zu schützen. Wütend schlage ich um mich, aber umso größer wird die Hartnäckigkeit der Insekten. Ich fühle einen wahnsinnigen Schmerz im Auge, und Stich auf Stich fällt mir in das Haar. Die Hunde unter meinem Bett springen wie toll auf und werfen eine Menge Sachen um, ich selbst stürze mich voller Verzweiflung in den Fluss, ich tauche unter: alles vergebens, immer wieder regnet es Stiche auf meinen Kopf. Im Ufersumpf schleppe ich mich durch das Schilfgras, das mir die Hände zerschneidet, und suche das Festland zu gewinnen, um im Wald Schutz zu finden.
Da packen mich vier kräftige Arme und schleppen mich gewaltsam zurück, so dass ich im Schlamm zu ersticken glaube. Ich muss wieder an Bord, an Flucht ist nicht zu denken.
Durch die kühlende Nässe war ich soweit wieder zu mir gekommen, dass ich ein Betttuch aus dem Kasten zu zerren vermochte. Endlich fand ich Schutz, nachdem ich die in das Laken eingeschlossenen Bienen nach und nach zerquetscht hatte. Krampfhaft zusammengekauert, musste ich drei volle Stunden verharren, während das Summen um mich herum ununterbrochen anhielt und einzelne Stiche noch durch das Laken hindurchdrangen. Lautlose Stille herrschte an Bord, da alle Insassen meinem Beispiel gefolgt waren. Einige Beherzte hatten sich zuletzt ans Ufer geschlichen und setzten das dürre Schilfgras in Brand. Schließlich gelang es, mit Hilfe des Rauchs die Bienen von der Barke zu verscheuchen, diese flott zu machen und dem jenseitigen Ufer zuzutreiben.
Nun erst konnte man sich den Schaden besehen. Mit Hilfe eines Spiegels und einer Federzange zog ich mir alle Stacheln aus Gesicht und Händen. Diese Stiche blieben auch ohne schädliche Folgen. Unmöglich war es aber, in meiner Kopfhaut die Stacheln ausfindig zu machen; viele waren abgebrochen und erzeugten ebenso viele kleine Geschwüre, die zwei Tage lang empfindlich schmerzten. Ein Unfall wie der unsrige ist auf den Gewässern des Weißen Nil selten erlebt worden. Das Merkwürdigste war, dass alle sechzehn in unserem Kielwasser steuernden Barken an diesem Tage an der gleichen Stelle sich der gleichen Plage ausgesetzt sahen. Am Abend wünschte ich mir lieber zehn Büffel und noch zwei Löwen dazu, als je wieder mit Bienen zu tun zu haben, und die ganze Schiffsgesellschaft stimmte mir lebhaft zu. Ich nahm Chinin und erwachte am Morgen neu gestärkt und munter, während mehrere der arg zugerichteten Leute ein heftiges Fieber hatten. Unter den Mannschaften der uns folgenden Barke hatte es infolge der Verletzungen nachträglich sogar zwei Todesfälle gegeben.
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Ein weiblicher Häuptling
Ein weiblicher Häuptling
Am 24. Januar 1869 wurde Faschoda erreicht, damals der südlichste Grenzwaffenplatz des ägyptischen Reiches.
Heute heißt der Ort Kodok, um die französische Empfindlichkeit zu schonen; in Faschoda hatte nämlich 1898 Frankreich eine schwere Kränkung durch die Engländer erfahren.
Auf der am 1. Februar angetretenen Weiterreise lernte ich den Kaufmann Mohammed Abd-es-Ssammat kennen, jenen hochherzigen Nubier, der so großen Einfluss auf mein Unternehmen auszuüben bestimmt war und der mehr dafür geleistet hat, als alle Machthaber des Sudan es vermochten. Gleich bei der ersten Begegnung forderte er mich auf, ihn als sein Gast bis zu den entferntesten Völkern zu begleiten, eine Aussicht, die mich auf das freudigste erregte. Mohammed stammte aus dem nördlichsten Teil des nubischen Niltals und war in seiner Art ein kleiner Held, der sich mit dem Schwert in der Hand Ländergebiete erobert hatte, die an Umfang manchen kleinen Staat in Europa übertrafen. Der unternehmende, keine Gefahren, Mühen und Opfer scheuende Kaufmann, der nach den Worten des Horaz „zu den äußersten Indern wandert, um über Meere und Länder der Armut zu entfliehen“, schien gleichsam die geistige Verwandtschaft zu ahnen, die er mit dem Gelehrten teilte, der im Dienst der Wissenschaft ferne Länder durchreist, um die Wunder der Welt zu schauen. „Durchwandert die Welt und erfreut euch der herrlichen Dinge, die ich erschaffen!“, sagt der Koran.
Wir hatten warten müssen, bis andere Barken zu uns stießen,