Das Paradies der Damen: mehrbuch-Weltliteratur. Emile Zola

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Das Paradies der Damen: mehrbuch-Weltliteratur - Emile Zola

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auf Colomban und Geneviève zeigte:

      »Schau, die zwei werden im Frühjahr heiraten, wenn das Geschäft im Winter gut läuft.«

      So war es Tradition im Haus. Der Gründer, Aristide Finet, hatte seine Tochter Desirée seinem ersten Gehilfen Hauchecorne zur Frau gegeben; Baudu, der mit sieben Franken in der Tasche in das Geschäft eingetreten war, hatte Elisabeth, die Tochter Hauchecornes, geheiratet, und er war entschlossen, seine Tochter Geneviève samt dem Tuchladen seinem Angestellten Colomban zu überlassen, sobald nur die Geschäfte eine Wendung zum Besseren nehmen würden. Die Sache war seit drei Jahren abgemacht; er schob die Heirat nur eines Bedenkens wegen hinaus: in seiner eigensinnigen Rechtschaffenheit wollte er das Geschäft, das er blühend übernommen hatte, seinem Nachfolger nicht in schlechterem Stand übergeben.

      Denise beobachtete Colomban und Geneviève. Sie saßen bei Tisch nebeneinander, aber sie wirkten ganz ruhig, da gab es kein Erröten, kein Lächeln. Seit dem Tag seines Eintritts rechnete Colomban mit dieser Ehe. Er hatte die verschiedenen Stufen gewissenhafter Ausbildung im Haus zurückgelegt, war zuerst Lehrling, dann Gehilfe geworden und zuletzt in den privaten Bereich der Familie einbezogen worden. All dies hatte er geduldig abgewartet, hatte das geregelte Leben eines Uhrwerks geführt und Geneviève wie ein ausgezeichnetes, ehrbares Geschäft betrachtet. Die Gewißheit, daß er sie besitzen werde, hatte dazu geführt, daß er kein Verlangen nach ihr empfand.

      Auch das Mädchen hatte sich daran gewöhnt, ihn zu lieben, aber mit dem Ernst ihrer zurückhaltenden Natur und einer tief eingewurzelten Neigung, deren sie sich selbst kaum bewußt war. Ihre Zärtlichkeit hatte sich in diesem Erdgeschoß des alten Paris entfaltet, sie war wie eine Kellerblüte. Seit zehn Jahren kannte sie nur ihn, an seiner Seite verlebte sie ihre Tage hinter den Tuchstapeln im Dunkel des Ladens; und morgens und abends saßen sie nebeneinander in diesem engen Speisezimmer, wo es kühl war wie in einem Brunnen. Sie hätten draußen im freien Feld, unter dem Laubwerk der Bäume nicht verborgener, nicht unbewußter leben können. Nur ein Zweifel, eine Regung der Eifersucht konnte das junge Mädchen eines Tages zu der Entdeckung bringen, daß es sich in dem mitschuldigen Dunkel dieses Ladens, in der Leere seines Daseins und seiner inneren Unausgefülltheit gänzlich und für immer verschenkt hatte.

      »Aber nun ist genug geplaudert, machen wir den andern Platz!« schloß der Tuchhändler und hob die Tafel auf.

      Jetzt gingen Frau Baudu, der andere Gehilfe und die Verkäuferin zu Tisch. Denise blieb allein in der Nähe der Tür und wartete, bis ihr Onkel Zeit finden werde, mit ihr zu Vinçard zu gehen. Pépé spielte zu ihren Füßen, Jean hatte seinen Posten auf der Schwelle wieder eingenommen. Fast eine Stunde lang beobachtete Denise aufmerksam die Vorgänge im Geschäft. Ab und zu erschien Kundschaft, allein der Laden verlor nichts von seiner anfänglichen Muffigkeit, seinem Halbdunkel, in dem der ganze alte, rechtschaffene, einfache Handel seinen traurigen Niedergang zu beklagen schien. Um so interessanter war das Treiben gegenüber im »Paradies der Damen«, dessen Auslagen man durch die offene Tür sehen konnte. Schon seit dem Morgen empfand Denise eine innere Versuchung. Dieses ungeheure Warenhaus, in das sie binnen einer Stunde mehr Leute eintreten sah als bei Cornaille in sechs Monaten, verwirrte sie und zog sie an; eine unklare Furcht rang in ihr mit dem Verlangen, dort anzufangen. Der Laden ihres Onkels hingegen erweckte ein Gefühl des Unbehagens in ihr. Es war eine Geringschätzung, die sie nicht hätte begründen können, aber sie hegte nun einmal eine unwillkürliche Abneigung gegen die eisige Höhle dieses alten Geschäfts.

      »Die haben wenigstens Kunden«, flüsterte sie vor sich hin. Sogleich bereute sie ihre Worte, als sie die Tante neben sich bemerkte. Frau Baudu stand ganz niedergeschmettert da, ihre glanzlosen Augen auf das Ungeheuer da drüben gerichtet, bei dessen Anblick ihr in stummer Verzweiflung die Tränen kamen. Geneviève dagegen beobachtete mit steigender Unruhe Colomban, der sich unbelauscht wähnte und mit entzückten Blicken die Verkäuferinnen der Konfektionsabteilung betrachtete, deren Ladentische man hinter den Fensterscheiben des Zwischenstocks sehen konnte. Baudu mit seinem galligen Gesicht begnügte sich damit, zu sagen:

      »Nur Geduld! Es ist nicht alles Gold, was glänzt!«

      Er preßte die Lippen aufeinander und wandte sich ab, um nicht länger Zeuge des lebhaften Treibens da drüben sein zu müssen.

      »Wir wollen zu Vincard gehen«, sagte er. »Arbeitsplätze sind jetzt sehr gesucht; morgen wäre es vielleicht schon zu spät.«

      Bevor er ging, gab er dem zweiten Gehilfen den Auftrag, Denises Koffer vom Bahnhof zu holen. Frau Baudu, der Denise Pépé anvertraut hatte, erklärte, sie wolle den freien Moment dazu benützen, den Kleinen nach der Rue des Orties zu Frau Gras zu bringen, um mit ihr ein Übereinkommen zu treffen. Jean versprach seiner Schwester, den Laden nicht zu verlassen.

      »Wir sind in zwei Minuten dort«, sagte Baudu zu seiner Nichte, während sie durch die Rue Gaillon gingen. »Vinçard hat sich auf Seiden spezialisiert, sein Geschäft läuft noch einigermaßen. Natürlich hat er zu kämpfen wie jeder, obgleich er ein Geizkragen ist, wie man ihn nicht leicht wieder findet. Ich denke, er wird sich wegen seines Rheumatismus bald zurückziehen.«

      Das Geschäft Vinçards befand sich in der Rue Neuve-des-Petits-Champs in der Nähe der Passage Choiseul. Es war sauber und hell, ganz modern, aber klein und nur mit einem dürftigen Warenlager versehen. Baudu und Denise trafen Vinçard in angelegentlicher Unterredung mit zwei Herren.

      »Lassen Sie sich nicht stören«, rief der Tuchhändler; »wir haben Zeit und können warten.«

      Er trat aus Höflichkeit in die Tür zurück und flüsterte seiner Nichte zu:

      »Der Magere ist Zweiter in der Seidenabteilung beim ›Paradies der Damen‹; der Dicke ist ein Fabrikant aus Lyon.«

      Denise merkte, daß Vinçard sein Geschäft Herrn Robineau, dem Angestellten aus dem »Paradies der Damen«, aufschwatzen wollte. Er versicherte, sein Haus sei eine wahre Goldgrube. Obgleich er vor Gesundheit strotzte, unterbrach er sich zuweilen, um zu stöhnen und über seine verdammten Schmerzen zu klagen, die ihn daran hinderten, sein Glück wahrzunehmen. Doch Robineau schnitt ihm ungeduldig das Wort ab; er wisse sehr wohl, sagte er, daß für Modeartikel eine kritische Zeit gekommen sei, und er führte eine Seidenfirma an, die durch die Nachbarschaft des »Paradieses der Damen« bereits zugrunde gerichtet sei. Doch Vinçard ereiferte sich und rief laut:

      »Ach ja! Der Untergang dieses Gimpels Vabre war ja vorauszusehen! Seine Frau hat alles verschlungen ... Und dann bin ich fünfhundert Meter weit weg, während Vabre sich Tür an Tür neben seinem Konkurrenten befand.«

      Jetzt mischte Gaujean, der Seidenfabrikant, sich ein. Die Stimmen wurden leiser. Er beschuldigte die großen Warenhäuser, daß sie die französische Industrie ruinierten; ihrer drei oder vier diktierten allen übrigen die Preise und beherrschten den Markt. Der einzige Weg, sie zu bekämpfen, sei die Begünstigung des Kleinhandels, besonders der Spezialgeschäfte, denen die Zukunft gehöre. Er stellte denn auch Robineau einen weitgehenden Kredit in Aussicht.

      »Sehen Sie nur, wie das ›Paradies der Damen‹ sich Ihnen gegenüber benommen hat! Da gibt es keine Rücksicht auf geleistete Dienste. Seit langem war Ihnen die Stelle des Ersten in Ihrer Abteilung zugesagt; da kam dieser Bouthemont an, niemand weiß, woher, und nahm Ihnen den Posten vor der Nase weg.«

      Die Wunde, die man Robineau durch diese Ungerechtigkeit geschlagen hatte, war noch frisch. Allein er zögerte, sich selbständig zu machen. Das Geld gehöre nicht ihm, erklärte er; seine Frau habe sechzigtausend Franken geerbt, und er wollte sich lieber beide Hände abhacken lassen, als dieses Geld in zweifelhafte Geschäfte zu stecken.

      »Nein, ich kann mich nicht entschließen«, sagte er endlich. »Lassen Sie mir Bedenkzeit; wir werden noch darüber reden.«

      »Wie

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