Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen. Johann Wolfgang von Goethe

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Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen - Johann Wolfgang von Goethe

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Er schläft in dir, und ich will blasen, bis er in Flammen schlägt. Sieh auf der andern Seite das Glück und die Größe, die dich erwarten. Ich will dir diese Aussichten nicht mit dichterischen bunten Farben vormalen; stelle sie dir selbst in der Lebhaftigkeit dar, wie sie in voller Klarheit vor deiner Seele standen, ehe der französische Strudelkopf dir die Sinne verwirrte. Aber auch da, Clavigo, sei ein ganzer Kerl, und mache deinen Weg stracks, ohne rechts und links zu sehen! Möge deine Seele sich erweitern und die Gewißheit des großen Gefühls über dich kommen, daß außerordentliche Menschen eben auch darin außerordentliche Menschen sind, weil ihre Pflichten von den Pflichten des gemeinen Menschen abgehen; daß der, dessen Werk es ist, ein großes Ganze zu übersehen, zu regieren, zu erhalten, sich keinen Vorwurf zu machen braucht, geringe Verhältnisse vernachlässiget, Kleinigkeiten dem Wohl des Ganzen aufgeopfert zu haben. Tut das der Schöpfer in seiner Natur, der König in seinem Staate – warum sollten wir's nicht tun, um ihnen ähnlich zu werden?

      CLAVIGO. Carlos, ich bin ein kleiner Mensch.

      CARLOS. Wir sind nicht klein, wenn Umstände uns zu schaffen machen, nur, wenn sie uns überwältigen. Noch einen Atemzug, und du bist wieder bei dir selber. Wirf die Reste einer erbärmlichen Leidenschaft von dir, die dich in jetzigen Tagen ebensowenig kleiden als das graue Jäckchen und die bescheidene Miene, mit denen du nach Madrid kamst. Was das Mädchen für dich getan hat, hast du ihr lange gelohnt; und daß du ihr die erste freundliche Aufnahme schuldig bist – Oh! eine andre hätte um das Vergnügen deines Umgangs ebensoviel und mehr getan, ohne solche Prätensionen zu machen – und wird dir einfallen, deinem Schulmeister die Hälfte deines Vermögens zu so geben, weil er dich vor dreißig Jahren das Abc gelehrt hat? Nun, Clavigo?

      CLAVIGO. Das ist all gut; im ganzen magst du recht haben, es mag also sein; nur, wie helfen wir uns aus der Verwirrung, in der wir stecken? Da gib Rat, da schaff Hülfe, und dann rede!

      CARLOS. Gut! Du willst also?

      CLAVIGO. Mach mich können, so will ich. Ich habe kein Nachdenken; hab's für mich!

      CARLOS. Also denn. Zuerst gehst du, den Herrn an einen dritten Ort zu bescheiden, und alsdann forderst du mit der Klinge die Erklärung zurück, die du gezwungen und unbesonnen ausgestellt hast.

      CLAVIGO. Ich habe sie schon, er zerriß und gab mir sie.

      CARLOS. Trefflich! Trefflich! Schon den Schritt getan – und du hast mich so lange reden lassen? – Also kürzer! Du schreibst ihm ganz gelassen: Du fändest nicht für gut, seine Schwester zu heiraten; die Ursache könnte er erfahren, wenn er sich heute nacht, von einem Freunde begleitet und mit beliebigen Waffen versehen, da oder dort eins finden wolle. Und somit signiert. – Komm, Clavigo, schreib das! Ich bin dein Sekundant und – es müßte mit dem Teufel zugehen –

      CLAVIGO geht nach dem Tische.

      CARLOS. Höre! Ein Wort! Wenn ich's so recht bedenke, ist das ein einfältiger Vorschlag. Wer sind wir, um uns gegen einen aufgebrachten Abenteurer zu wagen? Und die Aufführung des Menschen, sein Stand verdient nicht, daß wir ihn für unsersgleichen achten. Also hör mich! Wenn ich ihn nun peinlich anklage, daß er heimlich nach Madrid gekommen, sich bei dir unter einem falschen Namen mit einem Helfershelfer anmelden lassen, dich erst mit freundlichen Worten vertraulich gemacht, dann dich unvermutet überfallen, eine Erklärung dir abgenötigt und sie auszustreuen weggegangen ist – das bricht ihm den Hals; er soll erfahren, was das heißt, einen Spanier mitten in der bürgerlichen Ruhe zu befehden.

      CLAVIGO. Du hast recht.

      CARLOS. Wenn wir nun aber unterdessen, bis der Prozeß eingeleitet ist, bis dahin uns der Herr noch allerlei Streiche machen könnte, das Gewisse spielten, und ihn kurz und gut beim Kopfe nähmen?

      CLAVIGO. Ich verstehe, und kenne dich, daß du Mann bist, es auszuführen.

      CARLOS. Nun auch! wenn ich, der ich schon fünfundzwanzig Jahre mitlaufe und dabei war, da den Ersten unter den Menschen die Angsttropfen auf dem Gesichte standen – wenn ich so ein Possenspiel nicht entwickeln wollte! Und somit lässest du mir freie Hand; du brauchst nichts zu tun, nichts zu schreiben. Wer den Bruder einstecken läßt, gibt pantomimisch zu verstehen, daß er die Schwester nicht mag.

      CLAVIGO. Nein, Carlos: es gehe, wie es wolle, das kann, das wird ich nicht leiden! Beaumarchais ist ein würdiger Mensch, und er soll in keinem schimpflichen Gefängnisse verschmachten um seiner gerechten Sache willen. Einen andern Vorschlag, Carlos, einen andern!

      CARLOS. Pah! pah! Kindereien! Wir wollen ihn nicht fressen, er soll wohl aufgehoben und versorgt werden, und so lang kann's auch nicht währen. Denn siehe, wenn er spürt, daß es Ernst ist, kriecht sein theatralischer Eifer gewiß zum Kreuz, er kehrt bedutzt nach Frankreich zurück und dankt auf das höflichste, wenn man ja seiner Schwester ein jährliches Gehalt aussetzen will, warum's ihm vielleicht einzig und allein zu tun war.

      CLAVIGO. So sei's denn! Nur verfahrt gut mit ihm!

      CARLOS. Sei unbesorgt! – Noch eine Vorsicht! Man kann nicht wissen, wie's verschwätzt wird, wie er Wind kriegt, und er überläuft dich, und alles geht zugrunde. Drum begib dich aus deinem Hause, daß auch kein Bedienter weiß, wohin. Laß nur das Nötigste zusammenpacken. Ich schicke dir einen Burschen, der dir's forttragen und dich hinbringen soll, wo dich die heilige Hermandad selbst nicht findet. Ich hab so ein paar Mauslöcher immer offen. Adieu.

      CLAVIGO. Leb wohl!

      CARLOS. Frisch! Frisch! Wenn's vorbei ist, Bruder, wollen wir uns laben.

      Guilberts Wohnung.

      Sophie Guilbert. Marie Beaumarchais, mit Arbeit.

      MARIE. So ungestüm ist Buenco fort?

      SOPHIE. Das war natürlich. Er liebt dich, und wie konnte er den Anblick des Menschen ertragen, den er doppelt hassen muß?

      MARIE. Er ist der beste, tugendhafteste Bürger, den ich je gekannt habe. Ihr die Arbeit zeigend. Mich dünkt, ich mach es so? Ich ziehe das hier ein, und das Ende steck ich hinauf. Es wird gut stehn.

      SOPHIE. Recht gut. Und ich will Pailleband zu dem Häubchen nehmen! es kleid't mich keins besser. Du lächelst?

      MARIE. Ich lache über mich selbst. Wir Mädchen sind doch eine wunderliche Nation: kaum heben wir den Kopf nur ein wenig wieder, so ist gleich Putz und Band, was uns beschäftigt.

      SOPHIE. Das kannst du dir nicht nachsagen; seit dem Augenblick, da Clavigo dich verließ, war nichts imstande, dir eine Freude zu machen.

      MARIE fährt zusammen und sieht nach der Tür.

      SOPHIE. Was hast du?

      MARIE beklemmt. Ich glaubte, es käme jemand! Mein armes Herz! O, es wird mich noch umbringen. Fühl, wie es schlägt, von dem leeren Schrecken!

      SOPHIE. Sei ruhig. Du siehst blaß; ich bitte dich, meine Liebe!

      MARIE auf die Brust deutend. Es drückt mich hier so. – Es sticht mich so. – Es wird mich umbringen.

      SOPHIE. Schone dich!

      MARIE. Ich bin ein närrisches, unglückliches Mädchen. Schmerz und Freude haben mit all ihrer Gewalt mein armes Leben untergraben. Ich sage dir, es ist nur halbe Freude, daß ich ihn wiederhabe. Ich werde das Glück wenig genießen, das mich in seinen Armen erwartet; vielleicht gar nicht.

      SOPHIE. Schwester, meine liebe Einzige! Du nagst

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