Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg. Gerstäcker Friedrich
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Читать онлайн книгу Im Busch / Kriegsbilder aus dem dt.-franz. Krieg - Gerstäcker Friedrich страница 15
Der Kranke lächelte und that so.
„Schön," sagte der alte Herr, als er den Blick seines Schützlings wieder auf sich gerichtet sah.
„Also sind Sie hier in der Gegend bekannt. Wohnen Sie in Sidney? - bitte, antworten Sie nur wieder auf die vorige Weise."
Der Kranke that so.
„Also das hätten wir ebenfalls heraus. Haben Sie Verwandte dort? - in der That? - gut, auch die werden wir nachher erfahren, und nun diene Ihnen vor der Hand zu wissen, daß Sie eine sehr häßliche Schußwunde durch die Brust bekommen haben, bei der Sie selbst in diesem Augenblick noch vielleicht nicht außer aller Gefahr sind. Transportirt können Sie ebenfalls noch nicht werden, und unter jeder Bedingung müssen Sie noch eine Weile bei uns aushalten. Nur Ihren Freunden oder Verwandten, die sich wahrscheinlich schon sehr um Sie geängstigt haben, möchte ich Nachricht von Ihnen geben können - halt, Sie dürfen nicht sprechen. Kann es ohne die geringste Anstrengung geschehen, so schreiben Sie mit dem Bleistift auf dies Stückchen Pappe Ihren Namen - weiter nichts."
Der junge Mann nahm den Bleistift in seine noch zitternde Hand und suchte dem Wunsche zu genügen. Wie er aber ansetzte, sah er plötzlich den alten Herrn starr an. Es war, als ob ihn ein plötzlicher Gedanke überkäme, ohnmächtig sank der Kopf, den er leicht gehoben, auf das Kissen zurück und der gehaltene Bleistift entfiel seiner Hand.
„Da haben wir die Geschichte," murmelte Mr. Sutton ärgerlich vor sich hin - „da komme ich her, nehme mir vor, recht behutsam und sorgfältig zu Werke zu gehen, und fange es nachher so ungeschickt an, wie nur irgend möglich. Was jetzt? - ich muß nur die Gertrud rufen, daß mir die den unglücklichen Menschen wieder zu sich bringt." /59/
Gertrud rief die entflohenen Lebensgeister des Verwundeten wieder zurück, aber er blieb den ganzen Tag zu schwach, um nur einen neuen Versuch, mit ihm zu sprechen, wagen zu dürfen. Auch schalt der Arzt, als er an dem Nachmittag herüber kam und das Nähere hörte, den alten Herrn tüchtig aus, daß er so mit der Thür in's Haus gefallen wäre und Alles gleich im ersten Moment hätte erzwingen wollen.
An dem Tag war auch weiter nichts zu thun, am nächsten Morgen aber schien sich der Kranke selber bedeutend besser zu fühlen, denn er verlangte aus freien Stücken einen Bleistift und Papier, und als es ihm gegeben wurde, schrieb er den Namen Charles Pitt auf.
„Pitt?" rief der alte Herr, der wieder an seinem Bette saß. „Sind Sie ein Sohn von Charley Pitt in Georgestreet?"
Der Kranke nickte leise.
„Ei Potz Blitz, dann freut es mich doppelt, daß wir Sie wieder auf die Beine bringen, mein lieber junger Freund, und Charley Pitt - aber was für eine Angst Ihre Eltern um Sie ausgestanden haben werden. Denen müssen wir gleich mit der nächsten Post Nachricht geben."
Wieder deckte Todtenblässe des Kranken Züge; er schloß die Augen und blieb still und regungslos liegen, daß der alte Herr schon glaubte, eine neue Ohnmacht habe ihn überfallen. Es war diesmal aber nur Schwäche gewesen, und Mr. Sutton ging dann gleich in sein Zimmer, schrieb ein paar Zeilen an Mr. Pitt in Sidney, worin er ihn von dem Zustand seines Sohnes, in Kenntniß setzte, und schickte den Brief dann durch Einen seiner Leute nach der Wegschenke hinüber, um von dort aus mit der nächsten vorbeikommenden Post befördert zu werden.
Die nächste vorbeikommende Post ging aber nach Bathurst hinauf, und der halbtrunkene Barkeeper, der zugleich die Postgeschäfte dort zu besorgen hatte, und sich nicht einmal die Mühe gab, die Adresse zu lesen, sandte den Brief, anstatt nach Sidney, in die Minen hinauf. /60/
*
Indessen hatte Mrs. Pitt in Sidney eine recht trübe, schwere Zeit verlebt, denn wenn sie sich auch sagen mußte, daß in der jetzigen Aufregung, die alle gewohnten und ruhigen Verhältnisse über den Haufen warf, ihr Charles recht gut oben in Bathurst aufgehalten, ja auch wohl ein Brief von ihm - wenn er überhaupt Zeit zum Schreiben behalten - verloren gegangen sein konnte, beruhigte sich das Mutterherz doch damit nicht, und unwillkürlich kehrte sie immer wieder zu dem Gedanken an die überfallene Mail und die damit verbundenen, freilich nur wirren und ungewissen Gerüchte zurück.
Und nirgends ließ sich darüber etwas Gewisses erfahren, denn selbst auf der Post wurden nicht einmal Namen eingeschrieben. Was kümmerte die Leute der Name eines Passagiers, wenn sie nur eben das Geld für den Platz bekamen; ein bestimmter Sitz ließ sich nicht einmal erwerben, und wer seine Glieder leichtsinnig genug der Royal Mail überlieferte, mußte auch sehen, wie er einen Platz darauf fand und damit fortkam. Das war allein seine Sache.
Aber selbst Mr. Pitt wurde zuletzt unruhig, denn sein Geschäftsführer in Bathurst erwähnte Charles nicht einmal, und als er endlich bei ihm anfrug, erhielt er die Nachricht, daß er die Absicht gehabt habe, nach Sidney an jenem nämlichen Tag zurückzukehren, als die Mail überfallen worden. Er sei aber noch in der letzten Stunde unschlüssig gewesen und habe vorher einen kleinen Abstecher in die Berge gemacht. Möglich, daß er dort geblieben wäre, und vielleicht jetzt noch oben in einer von den Schluchten stecke.
Das immer wachsende Geschäft nahm aber Mr. Pitt's Thätigkeit so ausschließlich in Anspruch, daß er wirklich gar nicht recht zum Besinnen kommen konnte, und jetzt nur böse auf seinen Sohn wurde, der sich, seinen eigenen Neigungen nach, in den Bergen zwischen den Goldsuchern herumtrieb und ihm hier die ganze Last der Besorgungen allein auf den Schultern ließ. - Daß ihm ein Unfall zugestoßen sein könne, wollte er nicht im Entferntesten gelten lassen.
Um diese Zeit war es, daß William Holleck aus den Bergen zurückkehrte und augenblicklich die Familie Pitt besuchte. /61/
Der kleine Kreis, mit Capitain Becker und einem andern Bekannten des Hauses, dem Polizeilieutenant Beatty, hatte sich gerade zum Thee gesammelt, als Holleck, jetzt aber nicht mehr in seinem Mineranzug, das Zimmer betrat und von Allen, besonders aber von der kleinen Therese, auf das Freundlichste begrüßt wurde. Das Kind lief auf ihn zu, schlang seine Aermchen um seinen Nacken, und als er es zu sich emporhob, rief es laut und fröhlich:
„Nun, Onkel William, hast Du mir auch recht viel Gold aus den Minen mitgebracht?"
„Einen ganzen Sack voll, mein Schatz," lachte der junge Mann, indem er in die Westentasche griff und ein Stück, wie eine Haselnuß groß etwa, vorholte und ihr gab - „da, und hier hast Du die Probe davon, womit Du spielen kannst - aber nimm Dich in Acht, daß Du es nicht verlierst."
„Wirkliches Gold?" rief die Kleine erfreut aus, „oh, wie das blitzt und glänzt, und wie schwer es ist!"
„Wo haben Sie Charles gesehen?" rief ihm die Mutter entgegen, wie nur die ersten Begrüßungen vorüber waren, „oh, warum schreibt er nicht wenigstens, daß man hier die Sorgen und Angst um ihn haben muß!"
„Gesehen hab' ich ihn nicht," sagte Holleck, indem er die Kleine wieder auf den Boden setzte. „In Bathurst war er weder zu finden noch zu erfragen, aber er soll oben in den Minen am Macquarie oder dort in der Nachbarschaft stecken, wie mir Leute versicherten, die ihn bei der Arbeit gefunden haben wollten. Die ganze Welt ist ja rein toll nach dem Gold da oben, und die Leute verrathen eine Leidenschaft zu Schaufeln und Spitzhacken, die ganz New-Süd-Wales in den ersten Ackerbaudistrict der Welt verwandeln würde, wenn sie es sich nicht in den Kopf setzten, gerade nur da zu hacken und zu graben, wo eben nichts Anderes wachsen will wie die Quarzblöcke und Porphyr."
„Und haben sie auch im Geschäft in Bathurst noch immer keine Nachricht von ihm?" frug Mr. Pitt ärgerlich.
„Keine Silbe," lachte Holleck,