Gösta Berling. Selma Lagerlöf

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Gösta Berling - Selma Lagerlöf

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kam er wieder und wieder zurück. Sie amüsierte sich beinahe darüber. Zürnen konnte sie ihm nicht. Sie verstand seinen Zorn nur zu gut. Einen wirklichen Bruch befürchtete sie auch nicht. Schließlich wurde sie doch unruhig. War denn wirklich ein solcher Umschlag bei ihm eingetreten, daß er sie nicht mehr liebhaben konnte?

      »Gösta, war ich egoistisch, als ich nach Sjö ging, um den Major zu holen? Ich wußte sehr wohl, daß die Blattern dort waren. Es ist auch gerade nicht angenehm, in Schnee und Kälte auf dünnen Tanzschuhen zu gehen.«

      »Die Liebe lebt von Liebe allein und nicht von Dienstleistungen und Wohltaten«, sagte Gösta.

      »Du willst also, daß wir einander in Zukunft fremd sein sollen, Gösta?«

      »Ja, das will ich.«

      »Gösta Berling ist sehr launenhaft.«

      »Das sagt man mir nach.«

      Er war kalt wie Eis und nicht aufzutauen, und im Grunde war sie selber noch kälter. Die Selbstkritik lachte höhnisch über ihre Bemühungen, die Verliebte zu spielen.

      »Gösta,« sagte sie, eine letzte Anstrengung machend, »ich habe dir niemals absichtlich wehe getan, wenn es auch den Anschein haben mag. Ich bitte dich, verzeih mir!«

      »Ich kann dir nicht verzeihen.«

      Sie wußte, daß sie ihn hätte zurückgewinnen können, wenn sie nur ein einziges ungeteiltes Gefühl besessen hätte. Und sie versuchte, die Leidenschaftliche zu spielen. Die Eisaugen verhöhnten sie, aber sie versuchte es auf alle Fälle. Sie wollte ihn nicht verlieren.

      »Geh nicht, Gösta, geh nicht im Zorn von mir! Bedenke, wie häßlich ich geworden bin. Mich kann niemand mehr lieben.«

      »Auch ich liebe dich nicht mehr«, sagte er. »Du mußt dich dareinfinden, daß man auf dein Herz tritt, wie du auf das andere getreten hast.«

      »Gösta, ich habe niemals jemand lieben können außer dir! Verzeih mir! Verlaß mich nicht! Du bist der einzige, der mich vor mir selbst zu erretten vermag.«

      Er stieß sie von sich. »Du redest nicht die Wahrheit«, sagte er mit eiskalter Ruhe. »Was du von mir willst, weiß ich nicht, aber ich sehe, daß du lügst. Weshalb willst du mich festhalten? Du bist so reich, dir wird es niemals an Freiern fehlen!«

      Damit ging er.

      Und kaum hatte er die Tür geschlossen, als die Sehnsucht und der Schmerz in ihrer ganzen Majestät Einzug in Mariannens Herz hielten.

      Die Liebe, ihr eigenes Herzenskind, kam aus dem Winkel hervor, in den die Eisaugen es verbannt hatten. Jetzt kam sie, die sehnlichst Erwartete, jetzt, wo es zu spät war. Jetzt trat sie hervor, ernsthaft und allmächtig – und der Schmerz und die Sehnsucht trugen die Schleppe ihres Königsmantels.

      Als Marianne sich mit Bestimmtheit sagen konnte, daß Gösta Berling sie verlassen hatte, empfand sie einen förmlich körperlichen Schmerz, so heftig, daß sie fast davon betäubt wurde. Sie preßte die Hände gegen das Herz und blieb stundenlang auf demselben Fleck sitzen, mit tränenlosem Kummer ringend.

      Und sie selber litt, nicht eine Fremde, nicht eine Schauspielerin – nein, sie selber war es.

      Weshalb war ihr Vater gekommen und hatte sie getrennt? Ihre Liebe war ja noch nicht tot; nur in ihrem Schwächezustand nach der Krankheit konnte sie ihre Macht nicht empfinden.

      Ach Gott! ach Gott! Daß sie ihn verloren hatte! Ach Gott, daß sie zu spät erwacht war!

      Ach, er war der Einzige, er war der Herr ihres Herzens! Von ihm konnte sie alles erdulden. Härte und böse Worte von ihm beugten sie nur zu demütiger Liebe. Hätte er sie geschlagen, so würde sie wie ein Hund zu ihm hingekrochen sein, um seine Hand zu küssen.

      Sie wußte nicht, was sie tun sollte, um sich Linderung in diesem entsetzlichen Schmerz zu verschaffen.

      Sie ergriff Feder und Papier und schrieb mit fieberhafter Hast. Erst schrieb sie von ihrer Liebe, von ihrem Verlust; dann flehte sie um seine Liebe, nur um seine Barmherzigkeit. Es war eine Art Poesie, die sie schrieb.

      Als sie fertig war, dachte sie, daß er, wenn ihm dies zu Augen kam, doch glauben müßte, daß sie ihn geliebt hatte. Und weshalb sollte sie ihm nicht senden, was sie geschrieben hatte? Sie wollte es am nächsten Tage tun, und sie glaubte sicher, daß es ihn zu ihr zurückführen werde.

      Am nächsten Tage rang und kämpfte sie mit sich. Was sie geschrieben, erschien ihr so unbedeutend, so dumm. Da war weder Reim noch Rhythmus. Es war die reine, schiere Prosa. Er würde sicher nur lachen über solche Verse. Auch ihr Stolz erwachte. Liebte er sie nicht mehr, so war es eine entsetzliche Entwürdigung, um seine Liebe zu betteln.

      Auch die Klugheit meldete sich und sagte, sie könne froh sein, daß sie dieser Verbindung mit Gösta entronnen sei – es würden nur traurige Verhältnisse daraus entsprossen sein.

      Aber die Qual ihres Herzens war doch so heftig, daß das Gefühl schließlich die Oberhand gewann. Drei Tage, nachdem sie sich ihrer Liebe bewußt geworden war, wurden die Verse in einen Briefumschlag gelegt und dieser mit Gösta Berlings Namen versehen. Aber sie wurden niemals abgesandt. Denn ehe sie einen passenden Boten gefunden hatte, hörte sie derartige Neuigkeiten von Gösta, daß sie einsah, daß es schon zu spät sei, ihn zurückzugewinnen.

      Es ward der Kummer ihres Lebens, daß sie die Verse nicht rechtzeitig abgesandt hatte, solange es noch in ihrer Macht lag, ihn zu gewinnen. All ihr Schmerz gipfelte in diesem Punkt: »Hätte ich nur nicht so lange gewartet, hätte ich nur nicht so viele Tage gewartet!«

      Das Glück des Lebens oder doch wenigstens die Wirklichkeit des Lebens hatten diese geschriebenen Worte ihr erobern sollen. Sie war fest überzeugt, daß sie ihn ihr zurückgeführt haben würden.

      Doch der Kummer leistete ihr denselben Dienst wie die Liebe. Er machte sie zu einem ganzen Menschen mit der Fähigkeit, sich im Guten wie im Bösen hinzugeben. Brennende Gefühle strömten frei durch ihre Seele, ohne von der eisigen Kälte der Selbstkritik gehemmt zu werden.

      Und so kam es denn, daß sie trotz ihrer Entstelltheit dennoch von vielen geliebt ward.

       Man sagt aber, daß sie Gösta Berling nie ganz vergessen konnte. Sie trauerte um ihn, wie man um ein vergeudetes Leben trauert.

      Und ihre armen Verse, die eine Zeitlang viel gelesen wurden, sind längst vergessen. Doch liegt etwas wunderlich Rührendes über ihnen, wie ich sie hier vor mir sehe, auf vergilbtem Papier und mit verblaßter Tinte, mit einer feinen, zierlichen Handschrift geschrieben. Die ganze Entbehrung eines Lebens ist in diesen armseligen Worten enthalten, und ich schreibe sie mit einem gewissen heimlichen Beben ab, als wohnten mystische Kräfte in ihnen.

      Ich bitte euch, sie zu lesen und an sie zu denken. Wer weiß, welche Macht sie hätten haben können, wenn sie abgeschickt wären? Sie sind doch leidenschaftlich genug, um von einem wahren Gefühl zu zeugen. Vielleicht hätten sie ihn zu ihr zurückführen können.

      Sie sind ergreifend genug, zärtlich genug in ihrer unbeholfenen Formlosigkeit. Niemand kann sie anders wünschen. Niemand kann den Wunsch hegen, sie in die Ketten des Reimes und der Rhythmen gezwängt zu sehen. Und doch ist es so wehmütig zu denken, daß gerade diese Unvollkommenheit sie daran gehindert hat, sie rechtzeitig abzuschicken.

      Ich bitte euch, leset sie und habt sie lieb! Ein

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