Seefahrt - Abenteuer oder Beruf? - Teil 3. Mario Covi
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Da hatte der um die Früchte seiner waghalsigen Flucht Betrogene einen Einfall. Er besann sich seiner Spanischkenntnisse und schrie: „Hilfe! Räuber! Ein Bandit verfolgt mich und will mich ausrauben! Da! Der Kerl da hinten!“
Das half. Sofort solidarisierte sich das Volk mit dem Verfolgten, alarmierte die Polizei, und der Rachefeldzug des Kapitäns endete unerwartet dort, wo er den Steward eigentlich hin wünschte: im Kalabus! Der Steward sah sich noch zufrieden den von wilden Protesten begleiteten Abtransport des Alten Richtung Knast an, und stürzte sich vergnügt in die liederliche Schwüle der nächstbesten Spelunke.
In der Zwischenzeit versuchte der Alte auf der Polizeiwache die Lage zu klären. Da er sich aber nicht ausweisen konnte, blieb er hinter Gittern. Seine Beteuerungen, Kapitän des deutschen Motorschiffs Soundso zu sein, wurden mit Hohn beantwortet: „Auf so dumme Sprüche fallen wir doch nicht rein, Señor!“ – Und weil er keine Ruhe gab, machte er schmerzhaft mit dem ‚Migränestab‘ Bekanntschaft.
Als am folgenden Morgen der Agent an Bord kam und nach dem Kommandanten fragte, waren die Offiziere bereit, das steife Image des Alten zu überdenken: „O lala! Sollte unser Master in den willigen Armen einer süßen Hafenbraut versumpft sein?“ – Als er gegen zehn Uhr immer noch nicht auftauchte, reuezerknirscht und verschwiemelt, machte man sich Sorgen, zumal: der gesackte Steward verschwunden, der Alte weg – da stimmte doch etwas nicht!
Der Agenturvertreter rief die Polizei an: „Der Capitano des deutschen Schiffes ist spurlos verschwunden... „
„Wie? Kapitän? Vom deutschen Motorschiff... Caramba! Wir haben da so einen Rabauken, der pöbelt hier rum und behauptet Capitano zu sein!“, kam es vom anderen Ende der Leitung.
„Mierda! Das muss er sein, claro que si! Wie ist es nur möglich, dass Sie diesen Caballero in den Kalabus werfen, Madre de Díos!“ – Und endlich klärte ein temperamentvolles Feuerwerk den peinlichen Zwischenfall. Der Kommandant wurde mit höflicher Zuvorkommenheit und unter theatralisch vorgetragenen Ausdrücken allertiefsten Bedauerns an Bord eskortiert. Dort ließen es sich die Janmaaten natürlich nicht nehmen, schadenfroh grinsend dem Empfang des ziemlich mitgenommen aussehenden Alten beizuwohnen.
„Den Steward aber“, beendete Kapitän Ruhnau seine Story, „brachten die Polizisten ein paar Stunden später. Sie hatten ihn bald in einem der Puffs aufgelesen und auf die Wache mitgenommen. Und dort hatten sie ihren verletzten Stolz, von dem Kerl so böse reingelegt worden zu sein, mit brutalen Schlägen gerächt. Mann, der sah übel zugerichtet aus!“
3. SCHWANZPARADE
Time keeps on slippin‘... into the future ... Jaja, die Zeit verrinnt, die Jahre rauschen vorüber. Wehmütige Liedtexte kamen mir in den Sinn. Aber auch blöde Schnacks: Schnell ist nichts getan, packen wir’s an!
Damals, am 14. Juni 1982, zelebrierte ich Erinnerung: Zwanzig Jahre zuvor, also 1962, hatte ich vor der Oberpostdirektion in Hamburg meine Prüfung zum Erwerb des Seefunkzeugnisses zweiter Klasse abgelegt. Ein Grund zum Feiern? Na klar, zwanzig Jahre Funkenpusterei und noch immer nicht in der Klapsmühle. Damals war ich noch freudig dabei, die Morsetaste zu quälen, die Antennen zu heizen, ein Familienleben auf Sparflamme zu führen. Ich war weder Junggeselle noch Ehegatte, ein Urlaubsvater und Liebhaber auf Zeit, ein im naiven Glauben an das Abenteuer hinter den Horizonten schon ziemlich ergrauter Träumer.
Also feierten wir und klemmten uns in meine kleine Kajüte, die nicht geräumiger als ein Eisenbahnabteil war. Rasch fanden wir in eine gemütliche Plauderstimmung, kramten in Erinnerungen und erzählten wieder einmal Begebenheiten aus unseren Seefahrtsjahren.
Es war manchmal witzig, wie sich bei derlei Story-Abenden plötzlich ein Thema herauskristallisierte. Da berichtete zum Beispiel einer von einem dieser älteren Pötte ohne Klimaanlage, auf denen man wegen der Hitze immer sämtliche Kammertüren geöffnet ließ. Nach einer wüsten Geburtstagsparty schlichen sich im Mannschaftslogis ein paar Unentwegte von Koje zu Koje. Sie spannten dünne Schnüre, die sie dem einen schnarchenden Sailor ums Bein, dem nächsten röchelnden Matrosen um den großen Zeh, einem selig seinen Rausch ausratzenden Schmierer ums abstehende Segelohr und um jeden erreichbaren, in der Tropenschwüle ins Freie drängenden Janmaatenpimmel, um jedes freischaukelnde Beischlafsgeschirr knüpften. Ein hinterhältiges Spinnengewebe spannte sich von Kajüte zu Kajüte, von Koje zu Koje. Es dauerte nicht lange, da kamen die wie Spinnen in ihren Löchern lauernden Missetäter auf ihre Kosten. Als sich nämlich einer im Schlaf heftig umdrehte, ging in der Nachbarkammer ein stechender Schmerz durch die wohlig erigierte Wasserlatte einer wüst tätowierten Teerjacke. Der Aufschrei des an seinem Glied Gezupften ließ Beine sich strecken, Arme fuchteln, Oberkörper sich aufrichten und die ganze verzwackte Mechanik aus Schnüren und Hinterlist in Bewegung geraten. Geschrei, Worte, die ich meiner geliebten Frau versprochen habe, niemals – oder höchst selten – zu gebrauchen, aber auch herzhaftes Gelächter dröhnten durchs Logis. Alles in allem war es ein Heidenspaß! Keiner war entmannt worden, und alle schworen den Übeltätern bittere Rache – bei nächstbester Gelegenheit!
Wenn so eine, sich um männliche Weichteile rankende Geschichte erst einmal erzählt wurde, dann folgte garantiert eine Serie dieses Genres. Ergo kam ‚Die Rache der Franzosen‘ an die Reihe:
Lange Jahre war es eine entwürdigende Prozedur bei den Amis jenseits des Teichs, die Pillermänner der Seeleute inspizieren zu lassen. Sie hatten wohl entsetzliche Angst, in Gottes eigenes Land kämen lauter geschlechtskranke Hurenböcke eingereist, die den Yankees die Lustseuche ins Haus schleppen könnten. Dabei hatte einst die Syphilis ihren Ursprung auf dem amerikanischen Kontinent. Jedenfalls mussten die Seeleute, die zu ‚Uncle Sam‘ reisten, die verhasste ‚Schwanzparade‘ erdulden.
Dafür sollen sich eines Tages die Franzosen, erbost über diesen Griff an den Nationalstolz, bitter gerächt haben. Beim Einklarieren irgendeines berühmten amerikanischen Schiffes – die Gerüchteküche weiß so illustre Pötte wie die ‚United States‘, aber auch einen der riesigen Flugzeugträger zu nennen – muteten sie den amerikanischen Sailors die gleiche Behandlung zu. Diesmal hatten die Yankees ihre Bananen aus der Hose zu holen und den gestrengen Franzmännern vorzuführen. Ein von wohligen Rachegefühlen einerseits, von zorneskochendem Stillhalten andererseits begleiteter Akt der Völkerverständigung, der ganz im Sinne von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auch diesseits des Atlantiks die ‚Schwanzparade‘ ins Begrüßungsprotokoll aufnahm. So wussten die stellvertretenden Väter des besuchten Gastgeberhafens immer gleich, auf was sich die Töchter des Landes einzulassen gedachten. Der Story zufolge soll nach diesem Vergeltungsschlag die Personenkontrolle in den USA wieder auf das Gesicht der Seeleute beschränkt worden sein.
Hinzuzufügen wäre, dass mir diese Begebenheit in vielerlei Versionen zu Ohren gekommen war und sie ebenso ‚Die Rache der Teutonen‘ oder ‚Griechenlands Revanche‘ betitelt werden könnte. Ich weiß also nicht, in welchem gastlichen Hafen den Amis das Schwanzgucken heimgezahlt worden ist.
Auf einem Schlorren, auf dem eine automatische Maschinensteuerung die Anwesenheit der Kellerkinder noch nicht unnötig gemacht hatte, war Manöverfahrt. Am Fahrstand hatten der Chief und ein Assi Wache. Sobald beispielsweise auf der Brücke der nostalgische Maschinentelegraf auf ‚Ganz langsam voraus‘ gelegt wurde, quittierte der Ingenieurs-Assistent das gewünschte Manöver, indem er seinerseits den Hebel des klingelnden und messingblinkenden Kommandoelements auf ‚Ganz langsam voraus‘ legte. Er trug Uhrzeit und gewünschte Fahrstufe ins Manöverbuch ein, während der Chief