Chassidische Impulse für Christen. Andrea Pirringer

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Chassidische Impulse für Christen - Andrea Pirringer

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      Der kleine Israel wird frühzeitig Waise und wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. Im Selbststudium eignet er sich später talmudische und kabbalistische Kenntnisse an, eine darüber hinausgehende Bildung genießt er jedoch nicht.

      Nachdem seine erste Frau verstorben ist, heiratet er ein zweites Mal und bekommt zwei Kinder. Beruflich ist er zunächst als Schächter tätig, später pachtet er eine Schankwirtschaft, deren Leitung er seiner Gattin überlässt.

      Offenbar drängt es ihn zu dieser Zeit (er war damals zwischen 20 und 30 Jahre alt), ein Leben als Einsiedler im Wald zu führen, wo er sich auch pflanzliches Heilwissen aneignet. Insgesamt lebt er fünf Jahre in den Karpaten. Nach dieser Phase wird er – nicht nur wegen seiner Heilkunst - immer mehr in der Öffentlichkeit bekannt und findet sich in die Rolle des Beraters, Helfers und Trösters für die Menschen ein.

      Sein unspektakulärer Werdegang deutet in keiner Weise darauf hin, welche spirituelle Größe er in der Zurückgezogenheit entwickelt hat. In seinen Aussprüchen spiegeln sich seine mystischen Erfahrungen wider, wenn er z. B. sagt (M.B., S. 44): „… der … macht … den Geist zum Thron des Lichts der Einwohnenden Herrlichkeit (= Schechina), das über seinem Haupt ist, und das Licht umfließt ihn ringsum, und er sitzt inmitten des Lichtes und zittert und frohlockt.

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      Diese Beschreibung erinnert an die Worte der Hl. Teresa von Avila:

      „Hätte ich früher erkannt, was ich jetzt weiß, dass der winzige Palast meiner Seele einen so großen König beherbergt, dann hätte ich ihn nicht so häufig darin allein gelassen“.

      Seine Geschichte ähnelt ein wenig der des Hl. Jean-Baptiste Marie Vianney (1786 – 1859), der später unter dem Namen „Pfarrer von Ars“ überregionale Bekanntheit erlangte.

      Dieser fühlte sich zum geistlichen Stand berufen. Es gab allerdings einige Hürden auf dem Weg dahin zu überwinden. Die dafür erforderliche Bildung – insbesondere das Erlernen der lateinischen Sprache – bereitete ihm Mühe.

      Dennoch wurde er wegen seiner großen Frömmigkeit später zum Priester geweiht und entwickelte sich in weiterer Folge zu einem bedeutenden Seelsorger, der ein äußerst bescheidenes Leben führte. Viele Menschen, darunter auch bekannte Persönlichkeiten, suchten ihn auf und baten ihn um seinen Rat.

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      Das Grab des Meisters befindet sich in Miedzyborz (liegt im Südwesten Polens), welches von seinen Anhängern jedes Jahr besucht wird. Sein Nachfolger wurde Rabbi Dow Bär aus Mesritsch (auch „der große Maggid“ genannt).

      Die aktive Mystik

      Wie Gerhard Wehr im Rahmen seines Interviews (unter dem Titel „Ein heller Schein“) mit zeitzeichen.net („Evangelische Kommentare zu Religion und Gesellschaft“) im Jahr 2012 richtig erkannt und dargelegt hat, hat „Mystik mit Erfahrung zu tun, und zwar mit einer solchen Erfahrung, die nicht primär über die äußere Wahrnehmung geschieht“.

      Diese Aussage deckt sich mit meinen eigenen Erlebnissen, welche ich in meinem Buch Handbuch der kath. Mystik (ISBN 13 978-3-8476-9059-7) umfassend erläutert habe: „Die „Tätigkeit“ des Mystikers ist ein passives Hineinschauen-Dürfen in die Unendlichkeit Gottes.“ (ebenda)

      Man könnte sich nun die Frage stellen, ob der Chassidismus, aber auch die Mystik im allgemeinen, heute noch zeitgemäß sind; irgend einen Nutzen haben, oder ob es sich um überholte Konzepte handelt, die für die komplexen Probleme der modernen Gesellschaft keine Antworten bereit halten.

       Die Zeitlosigkeit der Mystik

      So, wie die Treue Gottes die Zeiten überdauert, muss die Antwort des Menschen – in welche Epoche er auch eingebettet sein mag – auf Ihn hin ausgerichtet sein. Die Gott-Mensch-Beziehung ist herausgehoben aus Begrifflichkeiten wie „modern“ oder „veraltet“. (vgl. Martin Buber: Ich und Du. Gott als das „ewige Du“: „Die verlängerten Linien der Beziehungen schneiden sich im ewigen Du.“)

       Im Chassidismus hat der Mensch Beziehungen zu allen Dingen, denn in allem steckt der „Funke Gottes“ und alles kann den Glaubenden zu Gott führen, ihm gleichsam ein Hilfsmittel sein, welches auf den Ewigen hindeutet und ihn zu Ihm „steigen“ lässt.

      Nicht zuletzt ist jeder Einzelne selbst so ein Vehikel – wie Baal Schem Tov es nennt: eine Leiter (M.B., S. 16): „Der Mensch soll seinen Sinn darauf richten, dass er eine Leiter ist, gestellt auf die Erde und ihr Haupt an den Himmel rührend, und alle seine Gebärden und Geschäfte und Reden ziehen Spuren in der oberen Welt.“

       Die Rolle des Bösen

      Sogar dieses ist – nach chassidischer Überzeugung – eingebettet in die Ganzheit der Schöpfung (M.B., S. 14): „Ja sogar in der Sünde, die ein Mensch tut, wohnen Funken der Herrlichkeit Gottes. … Es ist die Umkehr. ..“ Und S. 86: „Das Böse ist der Thronsitz des Guten.“

      Hier wird es also nicht verteufelt, sondern ihm ein Platz zugewiesen als „die unterste Stufe des vollkommen Guten“ (M.B., S. 85). – (In der christlichen Symbolik würde dies der Schlange, auf der der Fuß der Gottesmutter ruht, entsprechen: das Schlechte als Bestandteil der geschaffenen Welt, das vom Guten im Zaume gehalten wird.)

      Oder wie Buber es zitiert (M.B., S. 108): „Die Umkehr steckt in der Sünde wie das Öl in der Olive.“ (Ausspruch von Rabbi Dow Bär von Mesritsch, der „große Maggid“ genannt) und erklärt (M.B., S. 116): „Das Böse ist nicht eine dem Guten entgegenstehende Wesenheit, sondern nur dessen Verhüllung und Behinderung.“

       Das Wesen der chassidischen Mystik

      Der Chassidismus ist stark von einer Mystik geprägt, die – so Gerhard Wehr (G.W., S. 20), „… alle Sphären des menschlichen Lebens erfasst und die die Mitte des alltäglichen Lebens eines jeden Menschen zum Ort der Erlösung macht.“

      Die Mystik des Chassidismus ist nicht weltabgewandt oder gar welt-verachtend, sie sieht in Gott und der Schöpfung keine gegensätzlichen Pole, die sich in Distanz zueinander befinden. Genau genommen muss daher auch nicht erst eine Annäherung stattfinden. Der Mensch soll lediglich erkennen, dass ihm der Ewige bereits nahe ist, und zwar genau dort, wo er gerade steht.

      Die Welt muss nicht „bekämpft“ werden und es ist auch nicht notwendig, sich aus ihr „zurückzuziehen“, um Ihm zu begegnen. (Im Judentum gibt es keine monastische oder eremitische Tradition, von einzelnen Splittergruppen wie den Essenern abgesehen.)

      Mystik ist nicht etwas Elitäres, das ausschließlich den Geistlichen oder Gebildeten vorbehalten wäre. – Hierin finden sich Anklänge an das Denken Teresas von Avila:

      „Betrübt euch nicht! Wenn ihr verpflichtet

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