Das zweite Gleis. Helmut Lauschke
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Nach der Verurteilung: “Das ist ein eigenartiges Leben jetzt. Man gewöhnt sich so schnell wieder an das Dasein und muss sich das Todesurteil ab und zu gewaltsam in das Bewusstsein zurückrufen. Das ist ja das Besondere bei diesem Tod, dass der Lebenswille ungebrochen und jeder Nerv lebendig ist, bis die feindliche Gewalt alles überwältigt, so dass die gewöhnlichen Vorzeichen und Mahnboten des Todes hier ausbleiben. Eines Tages wird eben die Tür aufgehen und der gute Wachtmeister wird sagen: Einpacken, in einer halben Stunde kommt das Auto, wie wir es so oft gehört und erlebt haben. […] Ganz ehrlich gesagt, ich glaube noch nicht an den Galgen. Ich weiß nicht, was das ist. Vielleicht eine große Gnade und Hilfe des väterlichen Gottes, der mich so die Wüste bestehen lässt, ohne in ihr verdursten zu müssen. Während der ganzen Verhandlung, auch als ich bemerkte, das >Wunder< bleibt aus, war ich weit oben drüber und unberührbar durch all die Vorgänge und Aussichten. Ist das das Wunder, oder was ist das? Ich bin Gott gegenüber wirklich in Verlegenheit und muss mir darüber klarwerden.”
Adolf Reichwein (* 1895), als Professor an der Pädagogischen Akademie Halle 1933 von den Nazis abgesetzt. Er hat sich dem Kreisauer Kreis angeschlossen, wurde denunziert, am 5. Juli 1944 verhaftet, vom Volksgericht zum Tode verurteilt und am 20. Oktober 1944 hingerichtet.
Aus dem Brief vom 16. Oktober 1944 an seine Frau: “Der Brief meines Vaters ist wie alles, was von Dir kommt, eine Stärkung; diktiert von einer stoischen Ruhe, zu der Vater sich in einem langen, schweren Leben geläutert hat. Und eine väterliche Ermahnung, am Ende stärker zu sein als das Schicksal.”
Aus dem Brief vom 20. Oktober 1944 kurz vor der Hinrichtung: “Liebe Romai, […] in meiner letzten irdischen Stunde sind meine Gedanken noch einmal mit besonderer Innigkeit bei Dir und den vier Kindern, die Du mir geschenkt hast […]. Diese drei Monate sind für mich trotz aller Qual auch von großer innerer Bedeutung gewesen: sie haben vieles klären und hoffentlich auch läutern helfen, was man gern in seiner letzten Stunde geklärt und geläutert hat. Ich scheide ruhig, weil ich die Kinder in Deiner Obhut weiß. Seit dem 5. Juli war mein tägliches Gebet das >Vater Unser<, dem sich die Fürbitte für Dich, die Kinder und die Eltern anschloss. […] Möge Gott Euch stärken, das Schwere zu überwinden, ein Leben in Stärke fortzusetzen.”
Hans-Bernd von Haeften (*18. Dezember 1905 in Berlin), Vortragender Legationsrat im Auswärtigen Amt. Haeften drückte sein Entsetzen zur Machtübergabe an Hitler mit seiner Räuberhauptmannsmoral in einem Brief an seine Frau schon 1933 aus. Er verweigerte den Eintritt in die Partei. Als er einen Träger des Goldenen Parteiabzeichens als Betrüger entlarvte, begann der offene Konflikt. 1940 schloss er sich dem Kresiauer Kreis an. Am 20. Juli 1944 stand er mit Freunden des Widerstands zusammen. Die Verhandlung war am 15. August 1944. Auf Freislers Frage, ob er einsehe, dass er Verrat begangen habe, antwortete von Haeften: “Juristisch ist es Verrat, tatsächlich nicht, denn eine Treuepflicht habe ich nicht mehr empfunden. Ich sehe in Hitler den Vollstrecker des Bösen in der Geschichte.” Noch am selben Tag wurde von Haeften hingerichtet.
Aus seinem Abschiedsbrief vom 15. August 1944 an seine Frau: “Meine liebe .. gute Barbara, wohl in wenigen Stunden werde ich in Gottes Hände fallen. So will ich Abschied von Dir nehmen. […] Barbara, in diesen Haftwochen habe ich Gottes Gericht stillgehalten und meine >unerkannte Missetat< erkannt und vor Ihm bekannt. >Gottes Gebote halten und Liebe üben und demütig sein vor Deinem Gott< – das ist die Regel, gegen die ich verstoßen habe. Ich habe das fünfte Gebot nicht heilig gehalten [sein Bruder Werner wurde am Abend des 20. Juli zusammen mit Stauffenberg, Olbricht und Mertz v. Quirnheim in der Bendlerstraße erschossen.] […], und das Gebot der Demut, des >Stillseins und Harrens< habe ich nicht ernst genug genommen. Vor allem habe ich nicht Liebe geübt gegen Euch, die mir anvertraut waren. […] Warum? Ich hab in all den Zweifeln wohl nicht still und geduldig genug gewartet, bis er Seinen Willen mir unzweideutig kundtat. Vielleicht war es auch so Sein unergründlicher, heiliger und heilsamer Ratschluss. ”
Hans Freiherr von Hammerstein-Equord (*5. Oktober 1881 in Sitzenthal, Österreich) wurde als hoher Beamter wegen seiner antinationalsozialistischen Gesinnung aus dem Staatsdienst entlassen und später im KZ Mauthausen inhaftiert. Nach seiner Befreiung starb er an den Lagerfolgen.
Aus seinem Gedicht:
Aus der Gefangenschaft
Jesus, Deine heilig-wunde Hand mir reiche zur schweren Stunde. Reiche sie mir, dass ich sie fasse, halte mich, dass ich sie nicht lasse, halt mich fest und bleib mir nah!
Wie Du führst, so will ich gehen, ohne Dir zu widerstehen, und mein Kreuz geduldig tragen, wenn es sein muss, ohne Zagen auf mit Dir nach Golgatha.
Kurt Huber (*24. Oktober 1893 in Chur/Graubünden), seit 1926 Professor für Philosophie und Psychologie an der Universität München. In seiner Ablehnung der Diktatur wurde er Mittelpunkt der studentischen Widerstandsgruppe mit Probst, Schmorell, Graf und den Geschwistern Scholl. Nach Abwurf der Flugblätter im Lichthof der Münchner Universität durch die Geschwister Scholl am 18. Februar 1943 wurde er verhaftet, am 19. April 1943 zum Tode verurteilt und am 13. Juli 1943 hingerichtet.
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