Aichwalder Zeitenspiegel. Marianne Brugger

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Aichwalder Zeitenspiegel - Marianne Brugger страница 4

Aichwalder Zeitenspiegel - Marianne Brugger

Скачать книгу

Frau Irene stand ihm diesbezüglich nicht nach und verschaffte sich mit ihrer allseits bekannten Berliner Schlagfertigkeit Respekt. So trat ihr ein Krummhardter Gemeinderat anfangs mit großer Skepsis entgegen und verhehlte seine Gesinnung nicht, als er zu ihr sagte: „Du Berlinerin, du bisch ja bloß a Uffpfropfte“. Mit ihrer Berliner Schlagfertigkeit ausgestattet, konterte sie sofort: „Tatsächlich hab’ ich hier schon gelernt, dass man nur ein edles Reis auf einen minderwertigen Stamm aufpfropft“. Von Stund an änderte sich die Gesinnung dieses Gemeinderats der „Berlinerin“ gegenüber grundlegend.

      Einfach war die gemeinsame Dienstzeit nicht immer. Als Ehefrau hatte sie auch belastende Umstände und amtliche Entscheidungen mit zu tragen, litt mit bei Unstimmigkeiten und Auseinandersetzungen von „Amts wegen“. Schwer war für das Ehepaar Gläser die Zeit, als über die „Hoss-Pläne“ und die Gemeindereform äußerst kontrovers diskutiert wurde. Nicht nur die Auseinandersetzungen, auch die daraus resultierenden Intrigen, machten dem Bürgermeisterehepaar gleichermaßen zu schaffen. Ebenfalls krisenreich und wohl am meisten belastend war für beide jedoch die Zeit, als Robert Gläser sich für den jetzigen Standort der Aichwalder Grund- und Hauptschule einsetzte. Wenn schon nicht im „oigene Flecka“, hätte sie nach der in Aichschieß vorherrschenden Meinung zwischen Aichschieß und Schanbach, also „näher dra“ gebaut werden sollen.

      Auch das so enge Zusammenleben im Amt und zu Hause war nicht immer einfach. Trotzdem möchte sie diese Zeit nicht missen, weder beruflich noch privat. Nach eigenem Bekunden war sie trotz mancher misslicher Umstände „glücklich und zufrieden mit meinem Robert bis zum Schluss.“ Dankbar ist sie ihrem Robert auch dafür, dass er nicht nur ihre Person, sondern auch ihre Meinung schätzte.

      Ihre Aufgaben als Sekretärin und Gattin gingen des Öfteren ineinander über. Zeitlebens stand sie nicht nur als Gattin, sondern auch als Sekretärin trotz mancher „innerbetrieblicher Kontroversen“ voll hinter ihrem Robert. So war dieser wieder einmal mit dem Gemeindepfleger geschäftlich beim Küfer in Schnait gewesen, damals einer der zuverlässigen Abnehmer der starken „Aichschießer Eichen“. Dem besonderen Geschäftsgebaren beim Holzhandel nicht abgeneigt, hatten sowohl der Bürgermeister als auch sein Gemeindepfleger ordentlich dem dargebotenen Wein zugesprochen. In ihrer Rolle als treu sorgende Gattin ließ Irene Gläser beide Verhandlungspartner, der späten Rückkehr entsprechend, nicht nur ausschlafen, sondern verteidigte sie in ihrer Funktion als Sekretärin auch gegenüber dem Verwaltungsaktuar, der – unangemeldet – ebendiese Amtspersonen zu sprechen wünschte. Ihr entschiedenes Auftreten und die Drohung, ihm künftig keinen Kaffee mehr anzubieten, verhinderten, dass er den Tatbestand des „Spätschlafes“ ins Amtsprotokoll aufnahm.

       Bild 6 Die Sekretärin waltet ihres Amtes

      Die späte Verwirklichung ihres Jungmädchentraums – gerne wäre sie Reiseleiterin geworden – konnte Irene Gläser mit ehrenamtlichem Engagement verknüpfen. Weil sie älteren Mitbürgern ein wenig Abwechslung bieten und kostengünstiges Reisen ermöglichen wollte, organisierte sie ab Mitte der sechziger Jahre Ausflugsfahrten für Senioren. Um die Seniorenreisen weit möglichst erschwinglich zu gestalten, übernahm Frau Gläser, wie sie betont, zu ihrer eigenen Freude, nahezu fünfundzwanzig Jahre lang die Planung, Organisation und Reiseleitung derselben. Ihr Mann Robert stand ihr, wenn nötig, mit Rat und Tat beiseite. Vor allem stellte er sich – öffentliche Reden überließ sie mehr als gerne ihrem Mann – als „Sprachrohr“ zur Verfügung.

      Aufgrund des hohen Alters einiger Mitreisender – ein Herr aus Schanbach war sechsundneunzig Jahre alt – standen mitunter auch außergewöhnliche Aufgaben an. Neben dem Begleitdienst zum Krankenhaus oder zu Ärzten war Frau Gläser beispielsweise bei der Suche nach einem verlorenen Gebiss und bei anderen Reisewidrigkeiten behilflich. Zwar wurde das Ehepaar Gläser bei den Ausflügen kostenfrei gehalten, sie hatten aber zuvor alle Reiseziele auf eigene Kosten abgefahren und erwandert. Um Zeit und Kosten zu sparen, verfuhr Frau Gläser nach dem Beispiel des Obst- und Gartenbauvereins und ließ neben Tischen und Bänken auch Verpflegung und Getränke mitnehmen. Frohgelaunt standen oder saßen die Reisenden nun mittags im „Grünen“ an einer langen, mit einem weißen Tischtuch gedeckten Tafel und ließen sich die mitgebrachten Getränke und das vorbereitete Vesper munden. Die Ausflüge, die als so genannte Kaffeefahrten begannen, wurden wunschgemäß immer weiter ausgebaut, bis hin zu einer vierzehntägigen Reise nach Mallorca.

      Obwohl Schanbach im Jahr 1967 einen „gelernten Schultes“, Herrn Bürgermeister Peter Kuhn, bekam, wurde infolge der zunehmenden Verwaltungsaufgaben für die Gemeinden Aichelberg und Aichschieß die Einsetzung eines hauptamtlichen Fachbeamten erforderlich. Für diesen Posten hatte sich Herr Heinz Dreher beworben. Irene Gläser erinnert sich noch gut an den 7. Juli 1969, den Tag, als dieser seinen Dienst antreten sollte. Über Telefon erhielten sie die Nachricht, dass Herr Dreher am vorausgegangenen Wochenende im Walsertal abgestürzt und tödlich verunglückt sei.

      An seiner statt kam der junge Inspektor Richard Hohler nach Aichschieß und verwaltete – bis zu seiner Wahl zum Bürgermeister der neu gegründeten Gemeinde Aichwald am 1.10.1974 – als Amtmann die Gemeinden Aichschieß und Aichelberg. Nach Gründung der Gemeinde Aichwald und der Einsetzung von Herrn Hohler zum Bürgermeister, waren die drei ehemaligen „Schultes“ weiterhin als Amtsverweser für ihre Gemeinden tätig.

      Nicht nur Frau Gläser trat dem neuen Mitarbeiter Hohler mit Wohlwollen gegenüber. Ihrer Meinung nach hatte dieser nur einen Fehler: „Dass er keinen Kaffee mochte und ich meine diesbezüglichen Talente an diesem Rathauskollegen nicht austoben konnte.“

      Irene Gläser war noch bis zum Jahr 1977 für die Gemeinde Aichschieß als Sekretärin tätig; sie war ein Jahr länger als ihr Mann im Amt.

       Bild 7 Aufgenommen anlässlich ihrer Goldenen Hochzeit

      Heute, nach dem Tod ihres Mannes Robert im Jahr 1998, lebt sie zurückgezogen in ihrem Haus in Aichschieß. Sie genießt den großen Garten, den sie großteils noch selbst bearbeitet und erinnert sich gern an die Zeit, als Aichschieß noch fernab vom städtischen Leben war und neben seiner Beschaulichkeit einige unvergessliche schwäbische Originale aufzuweisen hatte.

       Anmerkung: Irene Gläser verstarb am 20. Dezember 2009

      FOTOSTRECKE: Impressionen aus Aichelberg

       graphics1 Während des Straßenbaus. Haus August Schlegel, Haus Fritz Stumpp, dahinter die Schule

       graphics2 Schnaiter Straße: Haus Off, Haus Ahl, Haus Wilhelm Beck

       graphics3 Aichelberger Feuerwehr

       graphics4 4

graphics5

       graphics6 Gasthaus Ochsen

graphics7

      

Скачать книгу