Notizen vor Tagesanbruch. Sergio Vesely
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unbemerkt von den pathetischen
Regenströmen der Welt
eine Schar von Malern heranwächst
die im Geheimen ihre Paletten schärft
und zur verabredeten Stunde
die Mauern stürmen wird.
Diese bescheidenen Farbmischer der Zukunft
werden durch die Gefängnisse rennen
und Zelle um Zelle
in das Rot der Scheiterhaufen tauchen.
Was kann ich tun, um Dir ein Bild zu zeichnen
(Lied, geschrieben im Gefängnis von Valparaiso)
Was kann ich tun
um Dir ein Bild zu zeichnen
von diesem leblosen Gebilde
aus Stahl und Zement
von diesen kalten und endlosen Nächten
von diesen verzweifelten Schreien
die meinen Schlaf unterbrechen
von dieser verdorrten Landschaft der Liebe
in der ich dieses Lied für Dich schreibe.
Was kann ich tun
um Dir ein Bild zu zeichnen
von meinem absurden Vertrauen
noch immer in Deine Welt zu gehören
von den Stunden die ich einsam verbringe
um an dem endlosen Rade zu drehen
das meine Schritte
auf dem Boden der Zelle entwerfen.
Was kann ich tun
um Dir ein Bild zu zeichnen
von dem Hass, der meine Träume bedroht
von meinen täglichen Kämpfen
gegen die Peitschenschläge der Sehnsucht
und von dem Wahnsinn, der langsam
an den Schatten der Mauern emporsteigt.
Was kann ich schließlich tun
um diesen winzigen Raum
in Deinen Gedanken
möglich zu machen, damit Du mich sehen kannst dort, wo ich jeden Abend zum Schlafen mich lege
damit Du mich für ein Weilchen begleitest
und bei mir bleibst, Seite an Seite
beruhigend
schweigsam
und still.
Ich verstehe den Rauch
Ich verstehe
den Rauch meiner Zigarette.
In seinem Drang, frei zu sein
dehnt er sich
löst er sich auf.
Der Raum der Freiheit
(Nach einem anonymen Textfragment
aus einem Gefängnis in Argentinien)
Dieser Tag war sehr lang. Von neun Uhr bis
fünf Uhr arbeiten sie und ich kann nun
meinen Körper nicht mehr beherrschen.
Meine Haut ist ein Kraterfeld, ein
Niemandsland zwischen den Fronten
ein Netz aus geprügelten Zellen, verbrannt
schmerzend, vom Fieber gerötet.
Ich kann weder stehen noch liegen. Ich gehe
auf und ab und weiß,
dass ich ab morgen nicht mehr gehen kann.
Morgen werden sie meine Fußsohlen töten.
Den Raum aber, der unter meiner Haut liegt
und selbst noch hinter meinen Knochen
den Raum des Horizontes
der in jedem Körper eingeschlossen ist
den Raum der Freiheit berühren sie nicht.
Aber missverstehe mich nicht: Ich werde
auch morgen kein Held sein. Es gibt keine
Helden, außer in Feierstunden und unter den
Toten. Ich werde wieder schreien und mich
wieder übergeben. Ich werde erniedrigt sein
noch einmal, noch einmal ein Bündel
Entsetzen sein, fassungslos brüllend, für
Momente gestorben. Aber ich werde wieder
ein Mensch sein, ein Teil der Schöpfung, die
sich die Würde niemals nehmen lässt.
Ich werde stolz sein,
mitten im Hagel der Demütigung.
Ich werde jedes Geständnis unterschreiben
jedes wahre, jedes falsche. Ich werde, wenn
es nichts mehr zu ertragen gibt, vielleicht
meine eigene Mutter verleumden
ich werde auf Knien betteln, ich werde alles
sagen, was man von mir hören will.
Aber ich werde kein einziges Wort verlieren,
keine Geste, keine Bezeichnung, keinen
Ausdruck über mein Dasein als Mensch.
Zeig Würde, Mutter
Zeig Würde, Mutter
wenn Du das Gefängnis betrittst
wenn Du darum bittest
mich sprechen