Das indische Tuch. Edgar Wallace
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Читать онлайн книгу Das indische Tuch - Edgar Wallace страница 4
»Selbstverständlich. Er fuhr hin, um mich nach Hause zu bringen, und in früheren Jahren war er drüben Regierungsarzt. Wissen Sie etwas über ihn – ich meine über seine Affären in Indien?«
»Im rechten Augenblick melde ich mich schon und sage, was ich über ihn denke«, erwiderte Studd düster.
Er zeigte auf einen Anbau an der Garage. Dort stand ein neuer Wagen, den Willie noch nie gesehen hatte.
»Die Karre gehört ihm. Wo kriegt er nur das Geld her, daß er sich so einen Wagen anschaffen kann? Der kostet doch ein paar tausend Pfund. Und als ich den Mann damals kannte, war er pleite. Ich möchte nur wissen, woher er das Geld nimmt.«
Willie Lebanon hatte seiner Mutter schon oft dieselbe Frage vorgelegt, ohne eine Antwort darauf zu erhalten.
Der junge Lord haßte Dr. Amersham; alle Leute mit Ausnahme seiner Mutter und der beiden amerikanischen Diener haßten den kleinen, energischen Herrn, der sich etwas zu auffällig kleidete und zu viel Parfüm gebrauchte. Überall versuchte Dr. Amersham sich Geltung zu verschaffen, und wenn man dem Dorfklatsch trauen konnte, war er auch ein Schürzenjäger. Aus unbekannten Gründen flossen ihm plötzlich reichliche Mittel zu; er besaß eine schöne Wohnung in der Devonshire Street in London, hatte drei Rennpferde und lebte auch sonst auf großem Fuß. Häufig war er in Marks Priory; er kam zu jeder Tageszeit mit seinem Auto von London und brachte dann ein bis zwei Stunden im Herrenhause zu. Und sobald er erschien, war es, als ob er nur zu befehlen hätte.
Der Arzt stieg die Treppe herunter, auf der er schon einige Zeit gestanden und gelauscht hatte. Eine Sekunde, nachdem Willie gegangen war, kam er näher und zog einen Stuhl an den Schreibtisch, an dem Lady Lebanon saß. Er nahm eine Zigarette aus seinem goldenen Etui und steckte sie an, ohne um Erlaubnis zu fragen.
Dr. Amersham blies einen Rauchring in die Luft und sah Lady Lebanon an.
»Was ist das für eine neue Idee, daß Willie Isla heiraten soll?«
»Sie haben wohl auf der Treppe gelauscht?«
»Ja. Da ich nichts erfahre, muß ich alles selbst herausfinden. Isla soll also den Jungen heiraten?«
»Warum nicht?« fragte sie scharf.
Seine Augen waren rot und entzündet, und seine Hand zitterte, als er die Zigarette aus dem Mund nahm. Er hatte eine Gesellschaft in seiner Wohnung gegeben und nur wenig geschlafen.
»Haben Sie mich deshalb gerufen? Beinahe wäre ich überhaupt nicht gekommen. Ich hatte eine schlaflose Nacht, ein Patient –«
»Sie haben keinen Patienten gehabt«, erklärte sie ruhig. »Ich bezweifle, daß jemand in London so unvernünftig ist, Sie als Arzt zu nehmen!«
Er lächelte.
»Sie selbst haben mich doch engagiert – das genügt vollkommen. Einen so guten Patienten findet man so bald nicht wieder.«
Er lachte über diesen Scherz, aber Lady Lebanons Gesichtsausdruck blieb starr.
»Ihr Chauffeur ist wirklich nicht viel wert. Der Kerl ist ziemlich unverschämt; er hatte doch die Frechheit, mich zu fragen, warum ich mir nicht meinen eigenen Chauffeur mitbringe! Außerdem steht er auch auf etwas zu vertrautem Fuß mit Willie!«
»Wer hat Ihnen das gesagt?« fragte sie schnell.
»Das habe ich gehört. Es gibt genug Leute in der Nähe, die mir mitteilen, was hier passiert.« Er lächelte befriedigt, denn er hatte wirklich zwei sehr gute Freunde in Marks Priory; außerdem war da die hübsche Mrs. Tilling. Andererseits verehrte die Frau des Parkwächters auch den Chauffeur Studd, was Dr. Amersham zu seinem größten Missvergnügen entdeckt hatte.
»Und was sagt Isla zu der Heirat?«
»Ich habe noch nicht mit ihr gesprochen.«
»Keine schlechte Idee. Merkwürdigerweise ist mir der Gedanke noch nie gekommen. Isla... ja, eine außerordentlich gute Idee.«
Wenn sie über seine Worte erstaunt war, so zeigte sie es jedenfalls nicht.
»Außerdem ist sie eine Blutsverwandte der Lebanons. Ist es nicht schon einmal in der Geschichte der Familie vorgekommen, daß Vetter und Kusine einander unter ähnlichen Umständen geheiratet haben?« Er sah zu den dunklen Bildern auf, die an den hohen Wänden hingen. »Ich habe ein gutes Gedächtnis und kenne die Geschichte der Lebanons fast ebensogut wie Sie.« Umständlich zog er seine Uhr heraus. »Ich wollte bald wieder zurückfahren nach London –«
»Ich möchte aber, daß Sie bleiben«, erklärte sie kurz.
»Ich habe eine Konferenz heute nachmittag –«
»Trotzdem bleiben Sie. Ich habe ein Zimmer für Sie richten lassen. Studd muß natürlich entlassen werden; er hat Willie von dem Dorfklatsch erzählt.«
Er richtete sich plötzlich auf. Hatte am Ende Mrs. Tilling etwas gesagt?
»War es etwas über mich?« fragte er schnell.
»Was sollten die Leute im Dorf denn über Sie reden?«
Er lachte ein wenig verwirrt.
Sie wußte, daß seine Heiterkeit nur vorgetäuscht war, aber sie machte keine Bemerkung darüber.
Dr. Amersham fügte sich. Er murrte zwar noch etwas, fand aber keine weitere Ausrede.
Er hatte auch gar nicht die Absicht, zur Stadt zurückzukehren; er wollte die Nacht in einem kleinen Haus in der Nähe verbringen, das er sich von einem jungen Londoner Innenarchitekten hatte ausstatten lassen. Dort hatte er eine Verabredung. Aber von alledem ahnte Lady Lebanon natürlich nichts.
»Haben Sie übrigens Studd einmal in Indien getroffen?« fragte sie unvermittelt, als er sich zum Gehen wandte. »Er hat in Puna gedient.«
Er drehte sich rasch um; sein Gesichtsausdruck hatte sich vollständig verändert.
»In Puna?« fragte er scharf. »Wann war das?«
»Das weiß ich nicht. Aber er hat anderen Leuten erzählt, daß er Sie dort kannte. Das wäre eine weitere Veranlassung, ihm zu kündigen.«
Dr. Amersham wollte Studd noch aus einem anderen Grund von Marks Priory entfernen, aber darüber schwieg er selbstverständlich.
3
Mr. Kelver, der Butler von Marks Priory, verbrachte abends gern eine Stunde vor dem Nebeneingang und betrachtete von dort aus die Gegend. Wie schon oft überlegte er gerade wieder, ob es mit seiner Würde vereinbar wäre, jeden Abend schon um neun Uhr von seiner Herrschaft getrennt zu werden. Genau um diese Stunde schloß Lady nebenan nämlich die große Eichentür zu, die den Nordostflügel des Herrenhauses von den anderen Räumen abgrenzte.
Die Quartiere der Dienerschaft waren sehr geräumig und behaglich eingerichtet, und mit Erlaubnis Mr. Kelvers konnten die Angestellten ein- und ausgehen, wann und wie sie wollten. Sie benutzten dann den Fußweg, der am Wald entlang zum Dorf hinunterführte. Aber er empfand es doch als starke Zurücksetzung, fast als Beleidigung, daß er selbst,