51 Ein-Ladungen zum Nach-Denken. Georg Ferdinand Weidner
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Es ist natürlich schon fast wahnsinnig, dass wenn man sich überlegt, wie ich selbst zu meinem Selbst gekommen bin, also aufgrund von wahnsinnigen Zufällen und eines Wett-Rennens der Spermien – zu behaupten, dass eben ich eine auf mich zu-geschneiderte Lebens-Aufgabe habe. Diese Widersprüchlichkeit, Zufall – Spezifizität, scheint in ihrer Wucht jegliche Form von Sinn, oder Sinn-Erfahrung des Individuums, zum zer-bersten zu bringen. Aber nehmen wir das einfach mal an: Jeder Mensch hat ein auf sich zu-geschneiderten Lebens-Plan, „Match-Plan“ wie man im Fußball sagt. Mit Lebens-Plan sind zum einem Attribute gemeint, sei es beispielsweise Ehrlichkeit, Erlebnisse, Unfälle z.B., Begegnungen, wie die der ersten großen Liebe, aber auch in Entscheidungen in Alltags-Situationen, also im Kleinen, wie auch in Lebens-Entscheidungen, im Großen. Ich gehe davon aus, dass es diesen Muster-Plan für mein individuelles Leben gibt: und zwar einen, der nicht vorher da ist, sondern der sich in actio einstellt. Der berühmte Jesuiten-Pater Klaus Mertes SJ sagte einst: Das Leben wird vorwärts gelebt und rückwärts verstanden. An einem Beispiel, das sich an ein obiges anschließt: Wenn ich im vorhinein mir selbst zu-schreibe, immer die Wahrheit zu sagen, dann kann das zu Unrecht führen (vgl. obiges Beispiel mit den versteckten Juden im Dritten Reich). Von daher vollzieht sich eine derartige Zuschreibung erst in actio, in der Aktion selbst. Und das nicht in seiner Einmaligkeit. Sondern in seiner Mehrzahl. Ich habe oft die Wahrheit gesagt. Ja, und auch manchmal nicht, weil es klug war. Wer sich schwer tut, sich derartige Attribute (/ so ein Attribut) zu-zu-schreiben, der ist eingeladen, auf sein eigenes Leben zu gucken. Gibt es einen roten Faden? Oder gibt es immer wieder Divergenzen, wie beim schlingernden Auto auf der Strasse?
Auf jeden Fall, wenn Sie unzufrieden sind: suchen Sie sich einen Gesprächspartner. Und dieser muss nicht leicht gefunden sein. Der beste Gesprächspartner ist der, dem man grundsätzlich vertraut, und bei dem man spürt, dass er Kompetenzen besitzt, die mir helfen können, ohne mich dabei zu bestimmen. Ein mögliches Ziel könnte es sein, den Weg zum eigenen Gewissen frei-zu-legen. Das Gewissen ist sozusagen der Kompass auf der Reise des Lebens. Hier lassen sich produktive und zerstörerische Gedanken voneinander unterscheiden. Des weiteren ist es Indikator für gelingende oder zerstörerische Beziehungen. Das meint nicht, wie oben schon dargelegt, blind seinen Gefühlen zu folgen. Sondern sich auf die Suche nach seinem Gewissen zu machen. Das Gewissen ist sicherlich auch ein Gefühl, aber eher eine Waage, wie auch die Waage der Gerechtigkeit. Und dort gilt es zu erspüren, was mehr Gewicht hat: Entscheidung A oder B.
1. "Religion kann Ihnen und Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zufügen"
Religion oder Glaubensarten sind immer wieder Zielscheibe für Diffamierungen jeglicher Art. Meist werden Kriege im Namen einer Religion dabei als Argument angeführt. Nietzsche spricht vom Opium fürs Volk.
Doch dass selbst Nietzsche zu so einer Äußerung kommt, lässt dem gewieften Nachdenker ein Lächeln ins Gesicht zaubern: es ist die Absage an die geistige Welt. Religion befasst sich auf einer Reflexionsebene mit der Wirklichkeit. Letztlich negiert er mit seiner Aussage sogar seine eigene Aussage: denn Religion ist eine Denkart, die das Denken durch Leitsätze reflektiert. Dann wäre auch Philosophie Opium fürs Volk: die Philosophie ist voll von Denkstrukturen, die Aussagen über die Realität treffen und die Leitsätze reflektieren.
Und als letztes noch: gerade Philosophie oder Religion fordern den Nachdenkenden ja gerade, den Ausbruch aus seiner Selbst, seinem Eigenen, Selbst-Gemachten, hin zu Gedanken oder Werken, die sich reflexiv dann wieder auf sich selbst beziehen, zu wagen. Und das Ziel in der Reflexion seiner Selbst ist das große Ganze. Letztlich folgt daraus: "Nachdenken kann Ihnen und Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zufügen.". So ein Ausspruch ist ein Blumenstrauß für all diejenigen, die gegen die Geistesgeschichte, selbstgenügsam leben.
2. Warum Neid die Königs-Tugend der Dummen ist
Die Überschrift provoziert, und das zurecht. Aber kommen wir zum eigentlichen Thema: ich unterscheide zwischen emphatischem, sehnsüchtigem Neid und un-empathischem, habgierigem Neid.
Emphatischer, sehnsüchtiger Neid sei: "Die Ruhe, die er in Konfliktsituationen hat, die hätte ich auch gerne."
Unempathischer, habgieriger Neid wäre: "Boah ey, warum ist der so ruhig? Nimmt der Drogen?".
Es geht also letztlich um eine Haltung, die man einer anderen Person gegenüber einnehmen kann. Unempathische, habgierige Neider, können das oft nicht. Nun ist die Frage des "unde mallum“.
Menschen werden per Zufall geboren. Aus tausenden von Spermien befruchtet eine (!) die Eizelle. Die Genetik des werdenden Menschen ist vorgegeben: in der Größe etwa, oder auch den Talenten.
Auch wenn es hart klingt, die Genetik legt einen Menschen fest: ob er eher sportlich ist, ob er sich für geistige Dinge interessiert oder ob er lieber Klavier spielt. Wir alle unterliegen unserer Genetik.
Umso dümmer ist es, sich über eine andere Person aufgrund ihrer Gestalt oder ihrer Interessen moralisch zu erheben: auch sie unterliegt und unterliegen der Genetik.
Das bedeutet jedoch nicht Schuldfreiheit im Sinne von "Ich kann nichts dafür, das ist bei mir genetisch bedingt!". Wenn dem so ist, gibt es gerade hier in Deutschland im Überfluss Therapieangebote.
Aber es kann einem den Anlass geben, auf sich selbst realistisch zu schauen. Was wurde mir von der genetischen Lotterie geschenkt? Wo sind meine Stärken? Wo sind meine Schwächen? In einem Leben, für das ich selber nichts kann, und das ohne besonderen Anlass entstand.
Und wenn diese Einsicht gekommen ist, der individuellen, zusammengestellten Genetik, dann kann ich auch anders auf andere schauen, die ein anderes Genetik-Set erhalten khaben. Und sei es nur in ihrer Einzig-Artigkeit.
Wie dumm scheint es also, sich über etwas zu beschweren, was man selber nicht in der Hand hatte oder hat: habgierig neidisch zu sein.
3. Exkurs: Die Rolle des Gewissens im Christentum
Das Gewissen taucht im Christentum besonders im Sakrament der Beichte auf. Hierin hat der Mensch die Möglichkeit, seine Sünden auszusprechen, um dann von ihnen durch den Priester losgesprochen zu werden. Doch was sind Sünden? Regel-Verstöße? Wohl auch. Aber manchmal eben auch Gefühle, das Gefühl, jemand Unrecht zu-gefügt zu haben, ohne dass es dafür einen messbaren Beleg gibt, nur das eigene Gefühl. Die Beichte, und damit das Gewissen, nimmt also die zentrale Rolle in der Versöhnung zwischen Schöpfer und Geschöpf im Christentum ein. Hier kann die Versöhnungs-Bitte