Der Frosch mit der Maske. Edgar Wallace
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Читать онлайн книгу Der Frosch mit der Maske - Edgar Wallace страница 9
Der Mann wendete sich vom Fenster ab und begann langsam im Zimmer auf und nieder zu schreiten. »Ich verstehe nicht, warum sich der Frosch für ihn interessiert«, murrte er. »Lola, ich bin dieses alten Herrn Frosches entschieden überdrüssig.«
Lola lächelte und sah ihn mit halbgeschlossenen Augen an. »Vielleicht bist du nur der Tatsache überdrüssig, daß du Geld bekommst und nichts dafür zu tun hast«, sagte sie. »Mich selbst wird solch ein Überdruss niemals anwandeln. Und sei sicher, daß der Frosch nicht nach dem jungen Bennett fragen würde, wenn er dessen nicht wert wäre.« Brady zog seine Uhr heraus und blickte auf das juwelengeschmückte Zifferblatt. »Fünf Uhr. Vermutlich weiß der Junge nicht, daß du mit mir verheiratet bist.«
»Du bist ein Narr!« sagte Lola, sich träge dehnend. »Sollte ich mich dessen auch noch rühmen?«
Lew Brady ging von neuem hin und her, hin und her. Ein schwaches Glockenzeichen wurde hörbar, und er sah Lola an. Sie nickte, erhob sich, schüttelte die Kissen auf und nahm von neuem ihre frühere Stellung ein.
»Mach auf!« sagte sie, und der Mann ging gehorsam. Dann kam Ray Bennett herein; er nahm Lolas Hand und küßte sie.
»Ich komme spät. Der alte Johnson hat mich zurückgehalten, nachdem die anderen schon lange gegangen waren. Oh, ist das aber ein schöner Raum! Ich hatte keine Ahnung, daß du in so großem Stile lebst.«
»Kennst du Lew Brady?«
Ray nickte lächelnd. Er sah wie die verkörperte Glückseligkeit aus, und die Gegenwart Bradys hinderte ihn wenig. Er wußte längst, daß Lola mit Brady in irgendeiner Geschäftsverbindung stand.
»Also, sprechen wir jetzt von deinem wundervollen Plan!«
sagte er, als er auf ein Zeichen von Lola sich neben sie gesetzt hatte. »Weiß Brady davon?«
»Es ist Lews Idee«, sagte sie leichthin. »Er späht ja immer nach guten Gelegenheiten aus, allerdings nicht für sich selber, sondern für andere.«
»Ja, das ist eine meiner Schwächen«, sagte Lew bescheiden.
»Ich weiß ja nicht, ob Sie mit meinen Plänen einverstanden sein werden. Ich würde die Sache selbst übernehmen, aber ich habe leider im Augenblick zu viel zu tun. Hat Lola Ihnen alles darüber gesagt?«
Ray nickte. »Ich kann es kaum glauben«, sagte er. »Ich habe immer gemeint, daß so etwas nur in Zeitschriften steht. Lola hat mir von einem Geheimagenten erzählt, den die japanische Regierung in London einsetzen möchte. – Jemanden, den sie desavouieren könnte, wenn es notwendig wäre. Aber worin bestünde denn eigentlich meine Arbeit?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Lew kopfschüttelnd. »Soweit ich informiert bin, haben Sie nichts zu tun, als zu atmen. Vielleicht werden sie Sie brauchen, um Dinge in Erfahrung zu bringen, die in der politischen Welt vor sich gehen. Das, was mir, wie ich ehrlich gestehe, daran nicht gefällt, ist, daß Sie ein Doppelleben führen müssen. Niemand darf erfahren, daß Sie bei Maitland angestellt sind. Sie legen sich einen beliebigen Namen bei und treffen Ihre häuslichen Arrangements so gut Sie es vermögen.«
»Das wird nicht schwer halten«, unterbrach ihn Ray. »Vater meinte ohnedies, ich müßte ein Zimmer in der Stadt nehmen. Er findet die tägliche Reise von und nach Horsham zu kostspielig. Das habe ich Samstag mit ihm ausgemacht. Zum Wochenende werde ich immer nach Hause fahren; aber was habe ich zu tun und wem muß ich berichten?«
Lola stand auf und kam langsam auf ihn zu. »Armer Junge«, spottete sie mit ihrem leisen Lachen, »die Aussicht, eine schöne Wohnung zu haben und mich jeden Tag zu sehen, macht ihm solche Sorgen!«
6
Die Eldorstraße in Tottenham ist einer der tausend grauen und häßlichen Verkehrswege, die die inneren Vororte Londons durchziehen.
Um neun Uhr abends ging Elk im strömenden Regen durch die Eldorstraße, die verödet lag. Die meisten Fronten waren nicht erhellt, denn das Leben der Eldorstraße spielt sich zu dieser Zeit in den auf der Hinterseite der Häuser liegenden Küchen ab. Aber aus den Fenstern des Hauses Nr.193 fiel ein Lichtschein.
Am Morgen jenes Tages hatten die Zeitungen eine Mitteilung über die neue Spekulation der Vereinigten Maitlands gebracht, über ein Geschäft, dessen Gewinn weit mehr als eine Million Pfund betragen hatte. Und das Haupt des Konzerns lebte in solch einem Schmutzwinkel! Während Elk vor dem Haus stand, verlöschte plötzlich das Licht, und er hörte den sich nähernden Schall von Tritten drinnen im Hausflur. Er hatte eben noch Zeit, die Dunkelheit der gegenüberliegenden Straßenseite zu gewinnen, als die Tür sich öffnete und zwei Personen heraustraten. Es waren Maitland und die alte Frau, die Elk schon gesehen hatte. Sie trug eine Tasche aus Netzwerk in der Hand, und anscheinend gingen sie aus, um einzukaufen. Es war Samstagabend, und die Hauptstraße, die Elk eben passiert hatte, war noch von den Einkäufern belebt, die erst spät die Läden von Tottenham zu besuchen pflegten, um die Nahrungsmittel vor Geschäftsschluss zu billigeren Preisen zu erstehen.
Elk wartete, bis das Paar verschwunden war, ging dann bis zum entgegengesetzten Ende der Straße hinab und wendete sich nach links. Er folgte einer mit Plakaten bedeckten Mauer, bis er einen engen Gang erreichte. Es war ein Weg, der zwischen den teergestrichenen Holzzäunen der Gärten hinlief, ein finsteres, unbeleuchtetes Gässchen, kaum zwei Meter breit. Er zählte die Gartentore zur Linken mit Hilfe seiner Taschenlampe. Nach einer Weile blieb er stehen und drückte die Klinke des letzten Tores nieder. Die Tür war versperrt, aber nicht verriegelt. Elk grunzte befriedigt und zog aus seiner Tasche ein ledernes Säckchen, dem er einen kleinen hölzernen Handgriff entnahm, in den er einen Stahlhaken einsetzte, den er sorgfältig aus einem Dutzend anderer ausgewählt hatte. Erst nach vielen Versuchen drehte sich das Schloß, und er stieß die Tür leise auf. Die Hinterfront des Hauses lag im Dunkeln, und der Hof war merkwürdigerweise ganz frei von all den Hindernissen, die Elk erwartet hatte. Er überquerte ihn rasch und ging zur Tür, die ins Haus führte. Zu seiner Überraschung war sie nicht verschlossen. Er befand sich in einem kleinen Abstellraum, dann ging er durch eine Tür in einen kahlen Flur und kam in das Zimmer, in dem er das Licht gesehen hatte.
Es war ärmlich und schäbig möbliert. Der Lehnstuhl neben dem Kamin hatte gebrochene Federn, in der einen Ecke stand ein unordentlich gemachtes Bett und in der Mitte des Zimmers ein Tisch, den ein fleckiges Tuch bedeckte. Darauf lagen einige Bücher und ein paar Blätter Papier, die mit ungeschickter Kinderschrift bedeckt waren.
Elk las neugierig: »Der Mann hat einen Hund. – Der Mann ruft den Hund, und der Hund bellt den Mann an.« Es gab noch mehr Blätter dieser Art. Die Bücher waren Fibeln der ersten Klasse. Elk sah umher und gewahrte ein billiges Grammophon und auf der Kredenz ein halbes Dutzend zerkratzter und beschädigter Platten.
Er drehte das Gas auf und zündete es an, nachdem er den Riegel vorgeschoben hatte, um sich gegen Überraschungen zu sichern. Die vom helleren Licht beschienene Armseligkeit des Zimmers erschütterte ihn. Der Teppich war abgetreten und voller Löcher. Es gab kein Möbelstück, das nicht Schäden aufgewiesen hätte. Auf der Kredenz stand die Rechenmaschine eines Kindes, ein mit Drähten bespannter Rahmen, auf dem Perlen aufgereiht waren und woran man die Kleinen zählen lehrt. Ein Papier auf dem Kaminsims erweckte seine Aufmerksamkeit. Es war eine Kopie des Millionenkontraktes, den Maitland heute morgen unterschrieben hatte. Seine klare Unterschrift mit dem charakteristischen Schnörkel stand darunter. Elk legte das Papier zurück und begann die Wohnung zu durchsuchen. In einem Geschirrschrank neben dem Kamin fand er eine Geldbüchse, in der Münzen klapperten. Etwa hundert Briefe lagen dabei, an Ezra Maitland, 193, Eldorstraße, Tottenham, adressiert. Es waren entweder Schreiben von Geschäftsleuten,