Deutsch-Polnische Stereotype in neuen Medien. Erik Malchow
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Für die Untersuchung bieten die Digitalen Medien im Internet eine für den Forscher geeignete und aktuelle Plattform, da alle vorhergehenden Medienentwicklungsstufen ebenfalls im Internet ihren Platz finden. Hier sind viele analogen Medien wie Telefon, Schallplatte und Hörfunk (audiotiv) oder Foto, Film und Fernsehen (visuell), aber auch Nachrichtenportale von Printmedien vereint. Im Gegensatz zum dispersen15 Publikum, zwischen dessen Mitgliedern keine Kommunikation stattfindet, arbeiten Digitale Medien mit dem Internet, welches ein Feedback seitens der Nutzer zulässt. Das World Wide Web, ursprünglich als Netzwerk für Wissenschaftler des CERN16 zur wissenschaftlichen Kommunikation innerhalb der Organisationsstruktur organisiert, gewann seit 1993, dank der Entwicklung eines Browsers, auch für die breite Öffentlichkeit an Bedeutung.
Die Sozialen Medien, die im Fokus dieser Arbeit stehen, entwickelten sich aufgrund der veränderten Internetnutzung, da ab 2003 Nutzer auch die Möglichkeit bekamen, selbst Inhalte zu erstellen und zu bearbeiten. Blogs (Weblogs), Foren, soziale Netzwerke, Video-foren und Wikis waren die Folge. Mit dem Erscheinen des Apple iPhone und bald darauf den Android-Mobiltelefonen sowie weiteren Smartphones wurden Apps, Applikationen für Mobilfunkgeräte, immer populärer und machen zum Stand dieser Studie den Hauptteil des Internetverkehrs aus.
1.5 Verbindung von Forscher und Forschungsfeld
Der Untersuchungsteil dieser Arbeit folgt einem qualitativen Zugang, bei dem die Gegenstandsangemessenheit von Methoden und Theorie, der Bezug auf und die Analyse von unterschiedlichen Perspektiven sowie die Reflexion des Forschers über die Forschung als Teil der Erkenntnis charakteristisch sind. Dabei nimmt der Forscher im qualitativen Forschungsprozess keine objektive Außenposition ein, sondern er ist vielmehr Teil des Forschungsprozesses. Seine eigene kulturelle Prägung wirkt vor dem Hintergrund seines bestehenden Vorwissens zumindest implizit auf den Forschungsprozess mit ein. Die Verbindung von Forscher und Forschungsfeld sollte daher nicht als „Störvariable“, sondern als „expliziter Bestandteil“ der Erkenntnis betrachtet werden, da die Reflexion des Forschers, dessen „Handlungen und Beobachtungen im Feld sowie Eindrücke, Irritationen, Einflüsse, Gefühle etc. zu Daten werden und letztlich in die Interpretation einfließen.“17
Der Ursprung des Forschungsinteresses ist häufig in der persönlichen Biografie des Forschers und seinem sozialen Kontext zu finden. Die Wahl bestimmter Fragestellungen hängt damit auch von den eigenen Interessen des Untersuchers und seiner Einbindung in bestimmte soziale Kontexte ab.18 Zudem spielt auch die kulturelle Identität des Forschers, speziell bei kulturkontrastiven Untersuchungen eine maßgebliche Rolle, da der Wissenschaftler auch selbst einer bestimmten Kultur angehört und Untersuchungen zu interkultureller Kommunikation selbst als Form interkultureller Kommunikation gelten. Gudykunst und Kim schlussfolgern:
Intercultural communication researchers have all of the problems other communication researchers have when they are not studying people from different cultures, plus some additional ones because their research is cross-cultural or intercultural in nature. […] In order to develop the skills to engage in high quality intercultural research it is necessary to have a firm grounding in general methodological issues, research techniques, statistics, methods for doing cross-cultural psychological research, methods for doing comparative sociology and traditional anthropological methods.” 19
Entsprechend diesen theoretischen Gedanken entwickelten sich auch die Fragestellung und der Aufbau der vorliegenden Arbeit. Einerseits war ich bereits früh mit den aktuellen Entwicklungen des Internets und später des Web 2.0 konfrontiert. Soziale Medien sowie die Auseinandersetzung mit filmischem Material spielen in meinem persönlichen und beruflichen Alltag eine große Rolle, woraus ein tiefes Interesse für die Strukturen und Elemente dieser Formen erwachsen ist. Andererseits ist mein Interesse für das Thema der deutsch-polnischen Kommunikation meinem persönlichen und familiären, aber auch beruflichen Hintergrund geschuldet, weshalb ich bereits sehr früh mit diesem Thema in Berührung gekommen bin. Daher liegt mein besonderes Interesse in der Untersuchung der Verbindung aus aktuellen Formen der Stereotypisierung im Zusammenhang mit der Informationsgewinnung über das jeweilige Nachbarland Deutschland oder Polen. Zwar ähnelt die Herangehensweise im qualitativen Teil dieser Arbeit der teilnehmenden Beobachtung, jedoch wurde im Analysezeitraum nicht aktiv in das Geschehen eingegriffen, also in keinem der untersuchten Sozialen Netzwerke aktiv gepostet. Daher sehe ich mich im Forschungsprozess als objektiv Außenstehender.
1.6 Problemstellung
Wie bereits weiter oben erwähnt, haben sich die digitalen Medien innerhalb der letzten Jahre insbesondere in technischer, aber auch in paradigmatischer Hinsicht stark verändert, was Faulstich auch als „das Aufbrechen des vormals bestehenden Sender-Empfängerverhältnisses“20 beschreibt. In dieser Arbeit soll speziell der Zeitraum von Januar 2012 bis November 2014 hinsichtlich der deutsch-polnischen Kommunikation untersucht werden. Im Untersuchungszeitraum wurden in den ausgewählten Medien Facebook, YouTube, Wikipedia und der Suchmaschine Google Daten gesammelt, die die deutsch-polnische Kommunikation dokumentieren. Bei der Sammlung und Analyse der Daten wurde ein besonderer Wert auf die Ausbildung von Stereotypen in Bezug auf die Bewohner des Nachbarlandes auf der anderen Oderseite gelegt. Da es der Rahmen dieser Arbeit bzw. die Fülle an Informationen im Internet nicht erlaubte, alle verfügbaren Materialien zu sammeln, wurde hier ein thesengenerierendes qualitatives Verfahren gewählt, nach dem die mehrfache Wiederholung sowie die Verbreitung eines Stereotyps auf mehreren Kanälen ausschlaggebend für seine Existenz sein sollte. In den Portalen YouTube und Facebook wurden vornehmlich die Kommentare zu Polen- bzw. Deutschland-relevanten Themen analysiert.
Auch wenn die Textsorte Kommentare international gebraucht wird, so gibt es dennoch kulturelle Spezifika und ausgeprägte einzelsprachliche Konventionen in der polnischen und deutschen Sprache. Alle Texte, die dem Rezipienten aus einer anderen Kultur, latente Verstehens- und Interpretationsprobleme bereiten, können somit als kulturelle Texte angesehen werden. Ein Nicht-, Anders- oder Missverstehen bestimmter Phänomene der fremden Kultur ist meist vorprogrammiert. Durch Standardisierungsmechanismen der Kommunikation in den Sozialen Medien (Smileys, Emicons, Anglizismen, etc.) können bestimmte kulturelle Übersetzungsfehler der Sprache aufgefangen werden, aber auch intrakulturell kommt es weiterhin zu einem problembehafteten Textverstehen.
Die kulturellen Lakunen bzw. kulturelle Gaps bezeichnen Elemente, die in einer Kultur vorkommen, in der anderen aber nicht, können im Text sowohl lexikalisch, grammatisch als auch stilistisch auftreten.21 In der Regel werden die Lakunen bei Kommentaren von Nicht-Muttersprachlern gefunden, da eine nötige Erklärung der kulturellen Brisanz des Themas im eigenen Land fehlt. Im Verlauf der Arbeit sollen beispielsweise syllogistische und kulturemotive, aber auch Lakunen des Humors (Polenwitze vs. Żarty o Niemcach siehe Kapitel 3.3), untersucht werden.
Das in Deutschland stark verbreitete und über 500 Jahre alte22 Stereotyp, dass Polen stehlen und das Stereotyp von Deutschen als Nationalsozialisten soll in dieser Arbeit genauso Thema sein wie die Analyse neuzeitlich gebildeter Stereotype auf beiden Seiten der Oder, die über das Internet eine schnelle Verbreitung finden. Des Weiteren soll geklärt werden, wie die Nutzung sozialer Medien zur Verfestigung oder zur Auflösung von Stereotypen zwischen Deutschen und Polen beitragen und welche Unterschiede es bei der Internetnutzung und bei der medialen Verbreitung von Stereotypen in Deutschland und Polen gibt.
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