Der Doppelgänger. Edgar Wallace
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Читать онлайн книгу Der Doppelgänger - Edgar Wallace страница 6
»Bist du verheiratet?« fragte sie gespannt.
»Nein, ich bin ein überzeugter alter Junggeselle.«
»Ah!« Sie seufzte erleichtert auf. »Ich war während der ganzen Reise besorgt, daß das der Fall sein könne – du hast mir noch gar keinen Kuss gegeben.«
Gordon war so wenig auf den Gedanken gekommen, sie zu küssen, als es ihm eingefallen wäre, ihr mit dem Buch auf den Kopf zu klopfen, das er in der Hand hielt. Aber die Selsburys waren von Hause aus sehr höflich, und so neigte er sich und berührte sie flüchtig mit den Lippen.
»Setz dich bitte – ich werde Tee für dich bestellen. Es tut mir so leid, daß du auf mich warten mußtest. Wo wohnst du denn?«
Sie blitzte ihn mit ihren Augen an.
»Hier«, erwiderte sie einfach.
Er verstand sie nicht.
»Ich meine, in welchem Hotel bist du abgestiegen – wo wirst du die Nacht schlafen?«
»Aber das ist doch ganz einfach – hier!« sagte Diana lachend.
In kritischen Augenblicken verlor Gordon nie den Kopf.
»Du willst damit wohl sagen, daß du kurze Zeit bei mir wohnen willst? Ich würde mich auch sehr freuen, aber leider kann ich dich hier nicht beherbergen, denn ich bin doch ein Junggeselle, und es ist keine Frau im Hause mit Ausnahme der weiblichen Dienstboten.«
Er sprach sehr liebenswürdig zu ihr; seine Gründe waren durchaus logisch, und seine Haltung ihr gegenüber war in jeder Beziehung korrekt.
»Du brauchst eine Frau hier – es war höchste Zeit, daß ich kam«, sagte sie ebenso unbeirrt wie Gordon.
Er unterdrückte einen Seufzer. Die Lage war allerdings recht unangenehm. Andere Männer hätten den Kopf oder ihre Geduld verloren und hätten geschimpft.
»Ich werde mich natürlich freuen, wenn du einige Tage hierbleiben willst«, sagte er dann lächelnd. »Telefoniere bitte mit deiner Gesellschafterin und ersuche sie, ihr Gepäck auch herzubringen –«
Diana zog ungeniert ihre Schuhe wieder an.
»Ich habe eben deine Ruder bewundert. Du hast dich doch damals in Cambridge an dem großen Rennen beteiligt und gewonnen – das finde ich großartig!«
»Ja – hm – ja.« Gordon war eigentlich nicht sehr stolz auf seine früheren sportlichen Heldentaten. »Oder soll ich vielleicht telefonieren?«
»Mit wem?« fragte sie unschuldig.
»Mit deiner Gesellschafterin ... die Dame, die mit dir reiste ...«
»Ach, sei doch nicht so sonderbar! Ich bin doch ganz allein gereist, so allein, wie man nur unter hundertfünfzig Salonpassagieren reisen kann, die sich mit allen möglichen Deckspielen die Zeit vertreiben. Eine gebildete Dame hat ja eigentlich keine gemeinsamen Interessen mit Leuten, die sich an Scheibenwerfen und anderen primitiven Dingen begeistern.«
In Gordons Nähe stand ein Stuhl, und er setzte sich. Männer seiner Art bleiben fast immer Herr der Situation, so unangenehm sie auch sein mag. Die Wucht ihrer Persönlichkeit und ihr großes Wissen verleihen ihnen ein solches Übergewicht, daß sie alle Hindernisse aus dem Weg räumen, so schwerwiegend sie auch sein mögen.
»Ich spreche jetzt als Vater, als Onkel und als vernünftiger, kluger Vetter zu dir.« Er sah auch wirklich liebenswürdig und väterlich aus. »Du bist ein junges Mädchen, und irgend jemand muß dir einmal sagen, daß du unmöglich allein als Gast in dem Haus eines Junggesellen bleiben kannst.«
Sie hatte die Hände auf den Rücken gelegt und stand unbeweglich vor ihm.
»Dann muß ich dir erwidern, Gordon, daß das nicht nur möglich ist, sondern daß ich die feste Absicht habe, hier zu wohnen. Ich kann doch nicht dafür verantwortlich gemacht werden, daß du ein Junggeselle bist. Von Rechts wegen müßtest du eben verheiratet sein!«
»Diana«, sagte er ernst, »du machst mir Sorge. Es ist ganz ausgeschlossen, daß du hier wohnen kannst. Mein liebes Kind, ich muß doch auf deinen guten Ruf Rücksicht nehmen. Vielleicht wirst du nach Jahren einmal einsehen, wie unschicklich dein Vorschlag war. Ich werde jetzt mit dem Laridge-Hotel telefonieren und dort ein schönes Zimmer reservieren lassen.«
Er erhob sich halb, aber sie legte ihre Hände auf seine Schultern und drückte ihn wieder auf seinen Sitz zurück. Er war erstaunt, wie stark sie war.
»Wir wollen nicht miteinander streiten. Es gibt nur einen Weg, mich hier aus dem Hause zu bringen – wenn du mich durch einen Polizisten hinauswerfen läßt. Aber ein einzelner Polizist würde nicht viel gegen mich ausrichten. Ich habe einen Revolver in meiner Handtasche ... und wenn man mich angreift, zögere ich nicht, sofort zu schießen.«
Er sah sie erschrocken an, aber sie erwiderte seinen Blick ruhig und sicher, Sie hatte sich nun einmal in den Kopf gesetzt, hier zu wohnen, und als er es überlegte, erkannte er, daß sie einen von Nietzsches Grundsätzen in die Wirklichkeit umsetzte. Dieser Philosoph sprach allerdings nur von Herrenmenschen.
4
Als Diana an einem der nächsten Tage ihre Einkäufe besorgt hatte und nach Hause kam, fand sie im Wohnzimmer eine etwas magere Dame mittleren Alters vor, die es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatte. Sie begrüßte Diana mit einem gleichgültigen Lächeln. Diana hatte den Eindruck, als ob eine Romanfigur früherer Zeit lebendig geworden wäre. Die Fremde trug keinen Hut und strickte an einer feuerroten Wolljacke. Die Nadeln klapperten emsig in ihren Händen und schienen ganz von selbst zu arbeiten.
»Guten Tag – Sie sind sicher Miss Ford. Ich bin Miss Staffle – ich hoffe, daß wir gute Freunde werden!«
»Das hoffe ich auch!« erwiderte Diana. »Und wir werden noch bessere Freunde werden, wenn ich erst alles verstehe. Sind Sie hierzu Gast?«
Hurtig und flink schlugen die Stricknadeln aneinander.
Diana sah erstaunt zu – sie hatte noch niemals in ihrem Leben eine Wolljacke oder Strümpfe gestrickt.
»Nun ja, Mr. Selsbury dachte, daß Sie sich zu einsam fühlten. Es paßt ja für uns Mädchen nicht, daß wir allein sind, dann brüten wir zu viel.«
»Da haben Sie recht – ich brüte in diesem Augenblick auch über etwas nach.« Diana konnte sehr bestimmt auftreten. »Ist es richtig, daß Sie gewissermaßen als meine Anstandsdame engagiert sind?«
»Als Ihre Gesellschafterin«, erwiderte Miss Staffle leise.
»Nun, dann liegt der Fall ja sehr einfach.« Diana öffnete ihre Handtasche und nahm ein Scheckbuch heraus. »Wie hoch ist Ihr Gehalt?«
Miss Staffle nannte den Betrag.
»Hier haben Sie Ihr Gehalt für zwei Monate. Es war nicht meine Absicht, eine Gesellschafterin zu engagieren.« Sie klingelte, und die Stricknadeln hörten ganz plötzlich auf zu klappern.
»Eleanor,