Das Törtchen-Team. Honora Holler

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Das Törtchen-Team - Honora Holler Band

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sprach, der Telefonhörer war aufgelegt. Hinter der Diele schloss sich das Treppenhaus an, das nach oben in die Wohnung von Frau Hummel führte. Sophie rief lauter nach Frau Hummel, erhielt aber wieder keine Antwort. In der Stille des Treppenflurs konnte sie, aus der Wohnung ein leises Weinen und Schluchzen hören. Sophie stieg die Stufen empor, klopfte an der angelehnten Tür und betrat die Wohnung.

      Ein orangefarbenes Bild in der Diele setzte einen Farbakzent in der sonst weiß gehaltenen Wohnung. Sophie kam an alten schwarz-weiß Modefotografien aus den 50er und 60er Jahren vorbei, als sie tiefer in die Wohnung vordrang und dem Weinen folgte. Frau Hummel saß in ihrem Wohnzimmer, ein gefülltes Likörglas stand auf dem Tisch und sie hielt weinend ein Bild in der Hand. Als sie Sophie bemerkt, schniefte sie in ihr Taschentuch und legte das Bild mit einem „Oh, Sophie tut mir leid, ich habe dich ganz vergessen. Setz dich doch bitte“, ab. Zittrig nahm Frau Hummel einen Schluck aus dem Gläschen, trocknete nochmals ihre verweinten Augen und schaut Sophie an. Weiß, verheult und unendlich alt, wie Sophie schien. „Der Anruf war von meiner Schwester aus Irland. Es gab einen Anschlag. Auf einen Schulbus.“ Nach einem Schniefen und einem weiteren Schluck Likör setzte sie erneut zu sprechen an, aber die Stimme versagt ihr. Unbehaglich rutscht Sophie auf dem Sessel hin und her. „Meiner Nichte, sie ist in deinem Alter, ist zum Glück nichts Schlimmes passiert. Nur ein Knalltrauma und ein paar Schnittwunden.“ Sie schniefte nochmals. „Doch hat mich das an meine jüngste Schwester Annegret erinnert, die bei einem Bombenanschlag getötet wurde“, schloss Frau Hummel ihre Erklärung und hielt Sophie ein Familienbild mit vier jungen Frauen hin. Alle lachten in die Kamera und Sophie konnte sogar Frau Hummel auf dem Schwarz-Weiß-Foto erkennen: schlank und glücklich, als Kleinste der Viererbande. Frau Hummel sah es melancholisch an, Erinnerungen aus einer fernen Zeit schienen wieder gegenwärtig sein, Sophie fühlte sich als Störenfried. „Kann ich etwas für sie tun?“, fragte Sophie leise anstandshalber. Denn was konnte eine Zwölfjährige schon tun in einem solchen Moment, ging es ihr durch den Kopf. Mit einem „Nein, nein Kind. Geh nach Hause, die Inventur schließe ich morgen ab. Ich lasse den Laden geschlossen, das fällt sowieso keinem auf um diese Jahreszeit“, entließ sie Sophie und schenkte sich einen weiteren Likör ein.

      Langsam ging Sophie durch die verschneiten Straßen des Altstadtviertels nach Hause. Sie hätte auch mit dem Bus fahren können, doch so konnte sie über das Geschehene nachdenken. Ihre Probleme erschienen ihr jetzt unbedeutend – Geldsorgen und Schulkarriere.

      Suki, Japan - Das Beben

      Mit einem „Ohayo“, betrat Suki mit müden kleinen Augen den informellen Esszimmer-Küchenbereich, in dem ihre Mutter saß und Zeitung las. Suki blickte nach draußen, auf das aufgepeitschte Meer, den grauen Himmel und die roten Blüten der Kamelie, die kleine weiße Mützen aus Schneeflocken trugen. Schnell schnappte sie sich die gerichtete Misosuppe, sie musste sich beeilen, wenn sie den Bus noch erwischen wollte. „Warte! Schling die Suppe doch nicht so. Heute hast du alle Zeit der Welt“, unterbrach sie ihre Mutter. Suki blickte auf, und sah sie mit einem „Hab ich das?“- Blick an. „Ich fahre dich heute zur Schule, bevor ich Obasan Chiyoko besuche“, informierte sie ihre Mutter mit einem Lächeln. „Prima! Holst du mich auch noch ab?“, fragte Suki schelmisch zurück und löffelte sichtlich entspannter ihr Frühstück. „Nein“, gluckste ihre Mutter. „Ihr müsst heute Abend alleine Essen. Vater hat versprochen, dass er heute kocht, wenn er aus der Klinik kommt. Vielleicht hilft ihm ja Masaru-chan, damit er endlich kochen lernt“, erwiderte Frau Asoko und lächelte gequält in Richtung ihrer Küche.

      Suki freute sich darüber, dass ihr Vater mal wieder kochen würde. Nicht, dass das Essen ihre Mutter schlecht war, doch Herr Asoko kochte auch gerne mal ausländische Gerichte, die er in seiner Zeit als Austauschstudent in Heidelberg kennen gelernt hatte. Nur, überlegte sie und schaute auch zur Küche, wenn ihre Mutter nicht da war, blieb das Aufräumen der Küche an ihr und ihrem älteren Bruder hängen. Was ihre Stimmung wieder trübte. Denn Masaru ging zwar schon auf die Universität und war sonst auch sehr selbstständig, doch im Haushalt helfen war nicht so seine Sache. Was soll´s, dachte sich Suki mit einem innerlichen Schulterzucken.

      Nach dem Frühstück holte Suki ihre Schulsachen und überprüfte beim hinausgehen, ob ihre Uniform auch richtig saß und ordentlich war. Ihre Haare fielen wie ein schwarzer Wasserfall über ihre Schultern hinunter, die weiße Bluse war fleckenfrei, keine Fussel auf dem nachtblauen Blazer und dem Pullunder und die Schuhe waren geputzt. Keine Spuren mehr von den Schneerändern, die so hartnäckig in der Winterzeit waren. Sie zog ihren Anorak mit einem zufriedenen Lächeln an und setzte sich zu ihrer Mutter ins Auto. Mit dem Bus dauerte die Fahrt eine Stunde, bis sie an der Sumida-Privat-Schule war, mit dem Auto nur eine halbe. Jedoch hatte Suki auch, wenn sie von ihrer Mutter gefahren wurde, immer das Gefühl es dauerte eine Ewigkeit, bis sie da waren. Erst schlängelte sich der Weg durch die kleinen Gässchen des Viertels, das sich an die Küste anschmiegte, bis sie an die Hauptstraße kamen. Dann gab ihre Mutter Vollgas bis zum Hochplateau und dann mussten sie wieder schleichen. Die Sumida-Privat-Schule lag in einem kleinen Seitental versteckt und rühmte sich einer der besten Schulen Japans zu sein. Anders als sonst in Japan konnte man hier von der Grundschule bis zur höheren Schule bleiben und lernen, wenn man gut war und die Eltern die hohen Schulgebühren bezahlen konnten.

      Suki´s Eltern konnten dies, ihr Vater war ein angesehener Chirurg und ihre Mutter war eine bekannte Keramikünstlerin. Ihr Bruder hatte die Privat-Schule bereits mit Bravour abgeschlossen und studierte an der Todai-Universität Biowissenschaften. Wissenschaft interessierte Suki eigentlich nicht so sehr, ihr Lieblingsfach war Musik. Ansonsten war sie eine durchschnittliche Schülerin, außer in Mathematik, wo sie sehr gut war, allerdings ohne sich groß anstrengen zu müssen. Am liebsten aber studierte sie die Teekunst bei ihrer Oma Chiyoko, einer Teemeisterin. Bedauerlicherweise war dies aber kein Unterrichtsfach, sondern konnte nur als Clubaktivität ausgelebt werden. „Grüß Oma Chiyoko von mir“, bat Suki beim Aussteigen aus dem Auto, ihre Mutter. „Mach ich! Wir sehen uns morgen wieder“, antwortet Sukis Mutter, winkte kurz und fuhr davon. Mit einem Seufzer drehte sich Suki um und ging langsam in Richtung Schulhaus. Plötzlich spürte sie wie die Erde kurz und leicht bebte, sie stockte kurz. Doch gleich darauf hörte die Erdbewegung auch wieder auf. Minibeben waren hier keine Seltenheit, doch beunruhigten sie sie jedes Mal ein bisschen. Sie blickte sich um. Der Bus mit den Schülern kam und entließ eine Schar von nachtblau gekleideten Schülern und Schülerinnen.

      Mit einem „Suki-chan, Suki-chan, wo warst du denn heute Morgen?“, begrüßte sie ihre Freundin Umeko. Suki erklärte ihr, während sie zum Klassenzimmer gingen, dass sie gefahren worden sei und deshalb nicht im Bus gewesen war. Mit einem nickenden „So, so“ setzte sich Umeko neben ihr auf ihren Platz.

      Der Unterricht schleppte sich dahin und Suki schaute immer wieder aus dem Fenster den fallenden Schneeflocken zu. Der Deutschunterricht, von Herrn Harada zog sich mal wieder scheinbar endlos hin. Diese Deutschen haben schon eine komische Grammatik, dache Suki, als sie wie ihre Mitschüler die Beispielsätze von der Tafel abschrieb. Ein leichtes Zittern ging durch den Raum, stärker als vorhin, alle Schüler rutschten automatisch unter ihre Tische. Keiner sprach ein Wort, zu oft hatten sie diese Situation schon erlebt. Dennoch Suki bekam eine Gänsehaut. Sie schaute kurz auf die Uhr, hoffentlich ist Mutter jetzt schon bei Chiyoko, dachte sie besorgt. Um ihren Vater und Bruder machte sie sich keine Sorgen: Tokio war relativ erdbebensicher und so stark war das Beben auch nicht. In den Bergen hingegen konnte immer schnell ein Berghang abrutschen und Autofahrer mitreißen, besonders im Winter oder nach langen Regenfällen.

      Nachdem nach fünf Minuten kein weiteres Beben kam, signalisierte Herr Harada, dass alle wieder aufstehen und sich hinsetzten, sollten. Gerade als er wieder die Kreide in die Hand nahm, ertönte ein Durchsage: „Achtung, Achtung, alle Schüler und Lehrer werden gebeten sich in Versammlungshalle zu begeben!“, aus dem Lautsprecher. Sukis Magen krampfte sich wie eine Faust zusammen, beklommen nahm sie Umekos Hand. Wenn sie sich in der Versammlungshalle treffen sollten, war etwas Größeres passiert, dachte sie ängstlich.

      Von

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