MS - Mein anderes Leben!. Caroline Régnard-Mayer
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Für mich bedeutet Gesundheit ein Leben bei optimalem organischen und psychischen Wohlbefinden, volle Beweglichkeit, Teilhabe am Leben wie Sport und sonstige Freizeitaktivitäten, uneingeschränkte Sinneswahrnehmungen, Teilhabe an der Berufswelt, Lebensqualität und wenigstens vage Zukunftsplanungen. Kein Erwachen am Morgen mit Taubheitsgefühlen oder Sensibilitätsstörungen, einen vollen Geschmackssinn, um Speisen abzuschmecken oder überhaupt das Gericht zu erraten (zum Glück kann ich es sehen!), Erholung nach Schlaf und Ferien und nicht die ständige Erschöpfung (Fatigue), nur leichte seelische Verstimmungen und keine Depressionen, kein kaputtes Geschirr, Saunabesuche, sondern es bedeutet auch gehen soweit die Füße tragen, tanzen, springen und mit den Kindern Karussell fahren oder mit meinem Sohn Fußball spielen und mit meiner Tochter unbegrenzt shoppen gehen.
Selbstverständlich können nicht alle Eltern Karussell fahren und Fußball spielen, aber dies überhaupt nicht tun zu können oder nur begrenzt, ist ein riesiger Unterschied. Mich trifft es oft bis ins Mark, wenn meine Kinder sagen: „Andere Mütter gehen doch auch arbeiten!“ oder „Die anderen müssen doch auch mittags nicht schlafen.“ Da komme ich mir sofort schuldig vor, keine gute Mutter zu sein. Nun könnte ich all die Dinge aufzählen, die andere Eltern gar nicht erst für ihre Kids tun würden und ich könnte die vielen Dinge erwähnen, die ich für meine Kinder mache. Dies wäre nicht fair und entspricht nicht meinen Vorstellungen. Solange ich viel für meine Zwei machen kann, werde ich dies tun und zwar mit Liebe und bestem Gewissen. Alles bedeuten sie mir und es ist eine Selbstverständlichkeit ohne etwas dafür zu verlangen oder ewige Dankbarkeit zu erwarten.
Ich kenne nur wenige Menschen, die in unserer heutigen Gesellschaft und Kultur in einem idealen Zustand des optimalen Wohlbefindens leben. In Zeiten der Fruchtsäfte mit künstlichen Farbstoffen, der Fertiggerichte und des Fastfood ist dies zweifelhaft. Diabetes und psychische Erkrankungen sind auf dem Vormarsch, die Vereinsamung der Menschen nimmt zu und in jedem Kinderzimmer steht ein PC. In zahllosen Stunden im Internet und bei PC-Spielen tauchen unsere Kinder in eine Welt ab, in der sie ihre Zeit oft alleine und ohne Freunde verbringen.
In unserer Gesellschaft ist es leider üblich, dass nur berufstätige Mütter akzeptiert werden und dass sich das ganze Leben nach materiellem Konsum ausrichtet. Dass beispielsweise in den Geschäften die Regale voller unnützer Lebensmittel wie Erdbeeren im Winter stehen, dass die Freizeitaktivitäten der Kinder durchorganisiert sind, Alleingänge und kein Miteinander stattfinden, Plastikspielzeug die Kinderzimmer bevölkert, Elektronik für alle Lebenslagen existiert, und schon die Kleinsten unter Bewegungsmangel leiden.
Mein Sohn erzählte mir ganz fassungslos vor ein paar Wochen: „Stell dir vor, ein Junge in meiner Klasse war noch nie im Wald spazieren!“ So etwas kann ich mir überhaupt gar nicht vorstellen.
Dieser Zustand, wenn ich über die gegoogelte Passage „Gesundheit“ lese und vergleiche, ist doch wohl kein Idealzustand von optimalem Wohlbefinden in unserer heutigen Gesellschaft ?!
Eingestehen muss ich mir nun doch, dass ich krank bin. Meine Leistungsfähigkeit und mein Wohlbefinden sind in der körperlichen, kognitiven, sozialen und seelischen Funktion gestört. Ich bin negativ beeinflusst durch die Krankheit Multiple Sklerose, aber von diesem Satz geht viel negative Energie aus. Denn eigentlich begrenze ich die Zeiten am PC, auch die der Kinder, achte auf unsere Ernährung, sorge für Bewegung in der Natur, pflege soziale Kontakte, trinke statt Coca-Cola nur Wasser und besitze nur ein Handy. Oder bin ich doch nur der eingebildete Patient, den ich vor der Diagnosestellung suggeriert bekam? (siehe erstes Buch)
Und doch bin ich krank, denn die Gesundheit hat sich vor langer Zeit still und leise verabschiedet. Das optimale Wohlbefinden ist ein Wunschdenken, das in meinem Leben keinen Platz mehr hat. Aber seinen Illusionen nachhängen und so weitermachen wie vor der Diagnose, wäre Betrug in eigener Sache.
Zufrieden, sie haben richtig gehört, lehne ich mich zurück, lächle über mein lebenswertes Leben, über meinen Fensterputzer, die Zeiten morgens mit einer Freundin beim Frühstück, die schönen Kurzreisen nach Wien und ins Kloster Münsterschwarzach, über den Rehasport, den ich nach Lust und Laune machen kann, und darüber, einfach Dinge noch zu leben, die mir gut tun und mir Kraft und Freude schenken.
Positiv zu denken ist das Wichtigste für mich, mit Menschen beim Einkaufen oder auf der Straße ins Gespräch zu kommen, die neue Schule meines Sohnes im Elternbeirat zu unterstützen, anderen zuzuhören, immer für meine Kinder da zu sein, im Hier und Jetzt angekommen zu sein. Und das „Loslassen, was dir die Ruhe nimmt“, da bin ich auf dem besten Weg. Viel bewusster lese ich Artikel über Menschen mit Beeinträchtigungen und mittellose Menschen. Wie sehr ich vom Leben belohnt wurde!
Unwichtig sind Tratschgespräche oder Streitigkeiten, ungerechte Behandlungen vom Vater meiner Kinder, Menschen, die meine Energie absorbieren, Vorschriften, wie ich mein Leben führen sollte und Berichte, was richtig und falsch ist. Ich weise solche negative Energie von mir und vertraue auf den Schutz unseres Herrgottes.
Im Internet bin ich auf folgende Zeilen gestoßen:
Wandere
der Sonne
entgegen
und du lässt
den Schatten
hinter dir.
Es geht mir gut! Ich bin heute unpässlich und morgen vielleicht etwas mehr oder auch weniger, aber immer öfters auch nicht! Die Sonne geht jeden Morgen wieder am Horizont auf und vielleicht wird es ein guter Tag.
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