Porcus das charakterlose Schwein. Otto W. Bringer

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Porcus das charakterlose Schwein - Otto W. Bringer

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dieselben Antworten. Klar und bestimmt. „So beschränkt ist diese Dame nicht. Porcus ist das Schwein.“ Es klingt so definitiv, als hätte sie damals mit den anderen in derselben Klasse gesessen. Und Porcus Schweinereien miterlebt. ParvumPlumbum gibt sich geschlagen. Es dauert noch ein paar Tage, bis er zum Telefon greift, Portandus anzurufen und um Aussprache zu bitten.

      Sie treffen sich am nächsten freien Samstag. Vor dem „Ürigen“ in der Düsseldorfer Altstadt. Sie könnten draußen sitzen. Der Straßenlärm lässt keine Lauscher zu. Ein neutraler Ort, meint Portandus. Er will ParvumPlumbum die Peinlichkeit ersparen, in seinem Haus auf Annegret zu treffen. Erinnert zu werden an das damalige Missverständnis.

      „Es war Porcus, der dich verriet. Und ich Arschloch hörte auf ihn. Glaubte ihm mehr als dir. War damals mächtig eifersüchtig. Kannst du mir verzeihen? Bitte.“ „Erzähl doch mal, wie es war.“

      Portandus erzählt ihm wie alles damals abgelaufen ist. „Was, Porcus auf einem Ast? Wie auf der Kö, als er uns beim Schmusen beobachtete und anschließend dem Klassenlehrer petzte. Lacht kurz auf, schweigt. Portandus erzählt weiter: Porcus, das Schwein wieder auf einem Ast, ja. Er scheint einer seltenen Rasse von Schweinen anzugehören, die auf Bäume klettern kann. Von einem Ast die Umwelt beobachten. Ob es was zu fressen gibt. Ha ha ha.“ Jetzt lacht Portandus über den eigenen Scherz, der eigentlich keiner ist und kriegt sich nicht mehr ein. Lacht noch lange.

      ParvumPlumbum irritiert, schweigt. Für ihn war es damals eine todernste Angelegenheit. Die geliebte Frau in den Armen Portandus´. Stoppt sich, „Was sagtest du damals bei unserem Disput? Du hast Annegret nicht befummelt? Nur ihre Hand genommen und wieder los gelassen?“ „Genauso war es, ich schwöre. Frage deine Annegret.“

      ParvumPlumbum hatte seit dem Vorfall nicht mehr mit seiner Frau darüber gesprochen. Wollte ihr die Peinlichkeit ersparen. Oder sich selber eine Blamage. Er hatte jedenfalls keine Probleme mit ihr. Sie liebten sich wie vorher und die Jahre nachher, bis zum heutigen Tag. Möge es so bleiben. Und fragte sie nicht.

      Portandus besucht sie dann und wann. Er hatte eine Anstellung in einem Lyceum für Mädchen bekommen. Als Kunsterzieher die hübschen jungen Dinger mit den schönen Künsten vertraut zu machen und aufs Leben vorzubereiten. Kunst ist Lebenselixier, sein Motto. Als Architekt hat er nie mehr gearbeitet. Nur ein einziges Haus gebaut für eine Gemüsebäuerin in Düsseldorf-Volmerswerth, direkt am Rhein. 1945 nach Kriegsende ein totales Chaos.

      Es gab nichts. Keine Steine, keinen Zement, keine Eisenträger für die Decken. Keine Balken für den Dachstuhl, keine Pfannen zur Deckung. Nur Sand und Kies jede Menge aus dem Rhein. Was also tun? Die Bauherrin bestand darauf, ein neues Haus muss sein, das alte von Bomben zerstört. Sie will weiter Gemüse anbauen, auf den Märkten verkaufen. Hühner halten und ihre Eier verkaufen. Ganze Schweine und halbe. Wurst. Von irgendwas musste sie ja leben. Ihr Mann in Russland gefallen.

      Portandus, einfallsreich seit eh und je, empfahl das Gesetz zu umgehen. Mündlich nicht schriftlich. Vorsichtshalber, die englischen Besatzer wollten alles schwarz auf weiß. Gegengeschäft die Lösung. Drei Schweine für zwölf alte Eisenbahnschienen vom Schrottplatz für die Armierung der Decken. Statt Doppel-T-Träger. Balken vom Holzhändler im Westerwald, der sie schwarz verhökerte. Pfannen aus Holland, wo sie stapelweise herumlagen. Kalk, Gips und Zement vom Schwarzmarkt in Gerresheim. Alles gegen Fleisch, Wurst, Gemüse, Äpfel oder Kartoffel. Die Not war groß in Deutschland. Den Mörtel von alten Trümmersteinen hatten sie bereits abgeklopft. Wiederverwendbarkeit das Thema dieser Zeit.

      Frohen Mutes machten sich alle ans Werk. Betonierer, Maurer, Verputzer. Die Zimmerer mussten warten. Die Bäuerin kochte ihnen leckeren Eintopf. Dass sie satt wurden und fit für acht Stunden anstrengender Arbeit. Schenkte jedem nach Feierabend ein frisch gelegtes Ei, einen Apfel. Eines späten Vormittags Kontrolle. Plötzlich wie aus heiterem Himmel. Sie kündigten sich nie an. Verlangten die Baugenehmigung zu sehen. „Der Bau wird still gelegt. Sie haben keine Genehmigung der Besatzungsbehörde“. Nicht mal halb fertig das Haus. Nur Fundamente und Außenmauern. Die Giebel ragten wie Ruinen in den sommerheiteren Himmel. Pompeji am Rhein. Pompeji allenthalben.

      Die Bäuerin rief Portandus, ihr sofort zu helfen. Die Jahreszeit sei reif für Herbst- und Wintergemüse. Im Haus sollte es geputzt und geschnitten werden. Für die Weiterverarbeitung zu dem, was mehr Geld einbringt. Weißkohl zu Sauerkraut in Fässern z. B. Hühner und Schweine brauchen dringend einen Stall vor dem Winter. Herr Portandus Sie müssen uns helfen.“

      Der machte sich auf zur Baubehörde im Düsseldorfer Rathaus. Unübersehbar das Schild an der Tür: Baudezernat. Der Dezernent ein Deutscher. Entnazifiziert. Umgänglicher Typ, wie es schien. Portandus schilderte ihm die kritische Lage seiner Auftraggeberin. Sie lebe von ihrem Hof und sei allein, ohne Mann. In Stalingrad gefallen. Das Söhnlein erst vier Jahre, vaterlos. Das Haus muss fertig werden noch vor dem Winter. Sonst ist ihre ganze Existenz im Eimer.“

      Er benutzte bewusst diese drastische Ausdrucksweise. Wusste er doch, sie macht den härtesten Mann weich wie Butter. „Hier das Formular, habe es unterschrieben. Lassen sie es im Büro nebenan noch abstempeln, damit es bei Kontrollen von den Engländern akzeptiert wird.“ „Sankt Bürokratius“ denkt Portandus und reibt sich verstohlen die Hände. Die Bäuerin belohnte ihn mit einem fetten halben Schwein. In Form von Schinken, Würsten und Speck. Und ein ganzes Jahr Gemüse und Obst frei. 1946 mehr wert als sechstausend Reichsmark.

      Achtzehn Jahre später hat auch Portandus ein eigenes Haus. Ersteigert einen Bungalow inklusive zweitausend Quadratmeter Wiesengrund. Baute ihn um zu einem französischen Landhaus. Mit einem Wintergarten und drei Terrassen. Sechs Jahre später nimmt sich seine Frau das Leben. Weil sie sich verlassen fühlt. Von den Kindern, die lange schon ihr eigenes Leben lebten. Die älteste in New York. Die jüngste in Hamburg. Die mittlere starb in Afrika an Malaria.

      Glaubte, Portandus, ihr Mann, hat eine Freundin. Sie hörte wenn er mit ihr telefonierte. Nannte sie Annegret. Dabei waren und sind es immer harmlose Telefonate zwischen denen, die sich lange schon kannten. Echte Freunde geworden. Ohne sexuelle Bedürfnisse. Glaubten beide. Und wussten nicht, dass es lange schon knisterte. Wenn sie sich sahen, miteinander telefonierten.

      Sie beherrschen sich, respektieren den Ehepartner des anderen. Bemühen sich, harmlos auszusehen, wenn sie zusammen Kaffee trinken. Ein Glas Champagner. Ein Bier oder zwei oder drei. Auf seiner Terrasse, auf ihrer Terrasse. Portandus seit drei Wochen allein. In Gedanken bei seiner Maria. ParvumPlumbum aber ausgelassen, als wäre es die normalste Sache der Welt, zusammenzusitzen. Und von unbekannten Göttern, den besuchten Tempeln, Villen, Kathedralen dieser Welt zu reden. Über Rätselhaftes zu spekulieren. Alle weitgereist und welterfahren.

      Dass ihnen Porcus wieder einen Streich spielen würde, ahnen sie nicht. Ein dummer Jungenstreich wäre es schon überhaupt nicht. Wenn man frühere Untaten Streiche nennen wollte. Diesmal sollte es sich zum Drama auswachsen.

      Der Sommer ist sehr heiß. ParvumPlumbum und Portandus verabreden sich am Baggerloch in Urdenbach. Annegret kommt mit und ihr knapp sechszehnjähriger Filius Helmut. Urdenbach inzwischen in eine wunderschöne Badelandschaft umgewandelte ehemalige Sandgrube. Viel weichsandiger Strand. Sauberes Wasser. Schatten spendende Bäume, Pappeln, Erlen, Weiden mit hängenden Zweigen, die im Wind hin und her wedeln. Wasservögel, Enten, Teichrallen. Da im schilfigen Ufer ein Höckerschwan.

      Über dem Wasser flirren Libellen. Auf und ab und pfeilschnell hierhin, dorthin. Ihre gläsernen Flügel glitzern in der Sonne. Schön sehen sie aus, denkt Portandus. Aber zu was nütze? Ihr langer röhrenförmiger Leib zu was, als in die Luft zu stechen? Wasserjungfern nennt man sie auch. Erinnert Elisabeth Eisenreich, ihre Biologielehrerin. Einzige weibliche Lehrkraft am ehemaligen Jesuitenkolleg für Jungen der bürgerlichen Gesellschaft.

      „Nicht alles, was schön ist, muss praktisch sein“ versuchte sie ihnen damals beizubringen. „Genießt

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