Nachdenken über Rolf-Ulrich Kaiser. Paul Fischer
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Das obige Wort „organisiert“ ist übrigens mit Bedacht gewählt, denn Kaiser war kein Musiker. Im Gegenteil, Kaiser war komplett unmusikalisch. Kaiser kam von einer anderen Seite, der literarischen, und er war nicht so sehr auf der Suche nach neuer Musik, sondern nach „Gegenkultur“ - und die erhoffte er sich mit Musik zu schaffen.
Eine Frage, die ich in diesem Buch immer wieder stellen werde, ist: Würde er heute dann immer noch Musik machen? Ich denke nicht, er würde Computer programmieren. Dazu später mehr.
Wo fing das an und wann?
Dieses Buch ist keine Biographie, trotzdem sei das Leben Rolf-Ulrich Kaisers kurz geschildert, soweit es allgemein bekannt ist. Die Biographie wartet noch darauf, geschrieben zu werden und ich wüsste dafür auch schon einen würdigen, mehr als geeigneten Kandidaten... aber auch dies, wie so oft in diesem Buch, später.
Kaiser wird 1943 in Buckow (Brandenburg) geboren, wächst aber in Osnabrück und Berlin auf. Er studiert zunächst Germanistik, Philosophie, Soziologie und Theaterwissenschaften in Köln, ohne seinen Abschluß zu machen.
Mit Musik kommt Kaiser zuerst wohl über das Folk-Festival in Bad Waldeck in Berührung, was er zunächst vor allem wegen der dort auftretenden Dichter und Kabarettisten, wie z.B. Hanns-Dieter Hüsch besuchte. Das erste Festival, welches er besucht ist 1964, da ist er gerade 21 Jahre alt. Es muss ein Erweckungserlebnis für ihn gewesen sein, eins von mehreren, die noch folgen sollten.
Kaiser fängt an, für das Magazin „Song“ zu arbeiten und sich in der Folk-Szene zu tummeln. Er arbeitet wie ein Verrückter, es ist für ihn ganz normal, morgens um fünf aufzustehen und auf seiner Schreibmaschine Texte zu schreiben, bis Mitternacht. Er lebt dabei vollkommen asketisch und wie ein Mönch, wenn man Schilderungen glauben kann. Ein paar Jahre später reist er in die USA und besucht seine Helden, von Pete Seeger über Joan Baez bis hin zu Frank Zappa und den Fugs. Danach hält er sich für schlauer als die anderen, leider oft zu Recht. Denn niemandem gefällt es, zurechtgewiesen zu werden, erst rech nicht, wenn der andere auch noch mehr Ahnung hat.
Seine Texte bleiben nicht ohne Wirkung, es gelingt ihm, nach und nach zu einer bekannten Figur zu werden, der allerdings auch ein Talent hat, sich Feinde zu machen. So distanzieren sich schon ein paar Jahre nach seinem ersten Besuch in Bad Waldeck die Organisatoren von ihm – weil er es gewagt hatte, dem Bad Waldeck Festival vorzuwerfen, es würde weiter an der „Lagerfeuerromantik“ festhalten. Tja... so ist das halt wenn man recht hat.
Als Kaiser gerade 25 Jahre alt ist, 1968, gelingt es ihm, der Stadt Essen eine Bürgschaft von 300.000 Mark zu entlocken – damals eine unglaublich grosse Menge Geld – und stellt die „Essener Songtage“ auf die Beine. Dieses Festival ist zwar ein kommerzielles Fiasko, aber Kaiser ist seitdem eine anerkannte Person der deutschen Musikszene.
Kaiser betätigt sich auf vielen Feldern. Er schreibt in kürzester Zeit eine große Zahl von Büchern über Musik, die zum Teil von renommierten Verlagen herausgegeben werden. Daneben schafft er es, den WDR zu überzeugen, ihm ein Jugendmagazin im Radio zu übergeben, welches er „Panoptikum“ nannte. Das Layout von Panoptikum ist von Horst Edelmann – ja, genau dem Horst Edelmann, der vorher mit den Beatles zusammengearbeitet hat.
1969 tritt eine Frau in sein Leben, Gerlinde „Gille“ Lettmann, die zuvor kurz mit einem „Panoptikum“-Journalisten, Hubert Maessen, zusammen gewesen war. Ohne Zweifel ist Gille Lettmann die Liebe seines Lebens.
Im Jahr 1970 wechselt er dann die Seiten. Er gründet er mit Peter Meisel ein Plattenlabel, „Ohr“, danach ein zweites „Pilz“, welches sie sogar bei der BASF unterbrachten.
Schon seit seiner Jugendzeit ist Kaiser wohl Drogenkonsument, vor allem bewusstseinserweiternder Drogen wie LSD. Ab 1972 nimmt der Drogenkonsum dann offensichtlich überhand. In diesem Jahr besuchen Lettmann und Kaiser den „Drogenpapst“ Timothy Leary, der auf der Flucht vor den US-Behörden in der Schweiz untergetaucht ist. Leary hat auf Gille einen großen Einfluss, sie betrachtet ihn als ihren Guru. Auch wenn sexuelle Beziehungen zwischen Leary und Lettmann nicht berichtet werden (vielleicht aber auch nur, weil dies eh klar war), ist offensichtlich Kaiser bemüht, Leary nachzueifern. Er organisiert eine Aufnahme von Leary mit einer der Bands auf seinem Label, Ash Ra Tempel, die als „Seven-Up“ veröffentlicht wird. Der Einfluss von Lettmann auf Kaiser wird immer größer.
Nachdem zunächst seine Labels – für viele überraschend – gut liefen, fanden die Dinge an, sich zu drehen. Zunächst verlassen Kaiser 1972 einige seiner wichtigsten Mitarbeiter. Das scheint zunächst nicht weiter wichtig, da trotzdem in rascher Folge bedeutende Alben auf Ohr und Pilz erscheinen. 1973 trennen sich allerdinge Meisel und Kaiser, worauf Kaiser dann ein eigenes, neues Label gründet, die „Kosmischen Kuriere“.
1974 dann erscheinen nacheinander fünf LPs der „Cosmic Jokers“, einer Art „galaktischer Superband“. In Wahrheit handelt es sich bei den Veröffentlichungen um mitgeschnittene Jamsessions von Musikern, die bei Kaiser unter Vertrag standen, bei denen nachträglich Lettmanns Stimme eingefügt wurde. Das nehmen ihm aber die Musiker teilweise sehr übel, vor allem Klaus Schulze.
Der dauernde Drogenkonsum wie auch die Verherrlichung von Drogen einerseits, wie auch die Vertragsgestaltung der Verträge, die einige Musiker als Ausbeutung empfinden, führen dazu, dass die wichtigsten Bands der Label von Kaiser sich an die Verträge nicht mehr gebunden fühlen und diese aufkündigen. In nachfolgenden Gerichtsverfahren bekommen sie Recht. Spätestens 1975 – im Alter von 32 Jahren (!) ist Kaiser am Ende und taucht mit Lettmann unter.
Seitdem ranken sich die Legenden, wonach angeblich Kaiser in Indien ist, oder als Penner in Köln lebt, in einer Kommune in den USA oder ähnlichem. Ein paar Jahre taucht Kaiser noch einmal aus der Versenkung auf, als Anfang der 1980er Jahre das ZYX-Label die Rechte an den alten „Ohr“- und „Pilz“ Veröffentlichungen übernehmen will. Kaiser versucht, Rechte geltend zu machen, nur um zu erfahren, dass er diese schon Jahre vorher verloren hat.
Vor einigen Jahren veröffentlichte Walter Westrupp, einer der Künstler, die Kaiser unter Vertrag hatte, die bittere und reichlich prosaische Wahrheit: Kaiser und Lettmann wohnten zunächst bei Lettmanns Mutter in deren Wohnung in Köln, bis diese starb. Danach, ca. ab 1990 wohnten sie im Sauerland, bis sie die Miete nicht mehr bezahlen konnten, wonach Kaiser ab ca. 2003 mit Lettmann in einer Einrichtung der katholischen Kirche unterkam, ein „Schloss“, wie Lettmann es nennt. Ob er überhaupt noch lebt, ist unbekannt – er nimmt keine Post an und äußert sich nicht. Angeblich nennt er sich jetzt „Meson Cristallis“.
Lettmann hat unterdessen ihren Namen geändert, sie nennt sich jetzt „Sternenmädchen“ und will ausschließlich nur noch unter diesem Namen angeredet werden. Sie verschickt wohl in unregelmäßigen Abständen esoterische Abhandlungen an einen ausgewählten Adressatenkreis – ohne selbst Nachrichten entgegenzunehmen. Anscheinend ist sie ohne Zweifel heute (2017) noch am Leben. Kaiser wurde schon länger nicht mehr gesehen und könnte tatsächlich inzwischen gestorben sein.
2013 sendet der WDR zu seinem 70. Geburstag eine Radiosendung über ihn „Ein Entschwundener wird 70“. Ansonsten wird er in den etablierten