Menschliches, Allzumenschliches. Friedrich Wilhelm Nietzsche

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Menschliches, Allzumenschliches - Friedrich Wilhelm Nietzsche

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der Lebensmüdigkeit führte, schon für jeden aufmerksamen Blick unserer Dankbarkeit, der sich die kleinsten, zartesten, flüchtigsten Geschenke des Lebens nicht entgehen läßt. Wir bekommen endlich dafür seine großen Geschenke, vielleicht auch sein größtes, das es zu geben vermag, – wir bekommen unsre Aufgabe wieder zurück. – –

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      – Sollte mein Erlebnis – die Geschichte einer Krankheit und Genesung, denn es lief auf eine Genesung hinaus – nur mein persönliches Erlebnis gewesen sein? Und gerade nur mein »Menschlich-Allzumenschliches«? Ich möchte heute das Umgekehrte glauben; das Zutrauen kommt mir wieder und wieder dafür, daß meine Wanderbücher doch nicht nur für mich aufgezeichnet waren, wie es bisweilen den Anschein hatte –. Darf ich nunmehr, nach sechs Jahren wachsender Zuversicht, sie von neuem zu einem Versuche auf die Reise schicken? Darf ich sie denen sonderlich ans Herz und Ohr legen, welche mit irgendeiner »Vergangenheit« behaftet sind und Geist genug übrig haben, um auch noch am Geiste ihrer Vergangenheit zu leiden? Vor allem aber euch, die ihr es am schwersten habt, ihr Seltenen, Gefährdetsten, Geistigsten, Mutigsten, die ihr das Gewissen der modernen Seele sein müßt und als solche ihr Wissen haben müßt, in denen, was es nur heute von Krankheit, Gift und Gefahr geben kann, zusammenkommt, – deren Los es will, daß ihr kränker sein müßt als irgendein einzelner, weil ihr nicht »nur einzelne« seid..., deren Trost es ist, den Weg zu einer neuen Gesundheit zu wissen, ach! und zu gehen, einer Gesundheit von morgen und übermorgen, ihr Vorherbestimmten, ihr Siegreichen, ihr Zeit-Überwinder, ihr Gesündesten, ihr Stärksten, ihr guten Europäer! – –

       7

      – Daß ich schließlich meinen Gegensatz gegen den romantischen Pessimismus, das heißt zum Pessimismus der Entbehrenden, Mißglückten, Überwundenen, noch in eine Formel bringe: es gibt einen Willen zum Tragischen und zum Pessimismus, der das Zeichen ebenso sehr der Strenge als der Stärke des Intellekts (Geschmacks, Gefühls, Gewissens) ist. Man fürchtet, mit diesem Willen in der Brust, nicht das Furchtbare und Fragwürdige, das allem Dasein eignet; man sucht es selbst auf. Hinter einem solchen Willen steht der Mut, der Stolz, das Verlangen nach einem großen Feinde. – Dies war meine pessimistische Perspektive von Anbeginn, – eine neue Perspektive, wie mich dünkt? eine solche, die auch heute noch neu und fremd ist? Bis zu diesem Augenblicke halte ich an ihr fest, und, wenn man mir glauben will, ebenso wohl für mich als, gelegentlich wenigstens, gegen mich... Wollt ihr dies erst bewiesen? Aber was sonst wäre mit dieser langen Vorrede – bewiesen?

      Sils-Maria, Oberengadin,

      im September 1886

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