Robert Louis Stevenson - Gesammelte Werke. Robert Louis Stevenson
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Jeder bekam einen reichlichen Anteil von dem Schatz und wandte ihn weise oder töricht an, je nach seiner Veranlagung.
Kapitän Smollett hat sich jetzt vom Seeleben zurückgezogen.
Gray legte nicht nur sein Geld auf die Kante, sondern er fing an, eifrig seinen Beruf zu studieren, da in ihm plötzlich der Wunsch erwachte, es weiter zu bringen; er ist jetzt Steuermann und Mitbesitzer eines schönen Vollschiffs; außerdem ist er verheiratet und Familienvater. Ben Gunn bekam tausend Pfund, die er in drei Wochen vergeudete oder verlor – oder genauer gesagt: in neunzehn Tagen; denn am zwanzigsten war er wieder da und bettelte uns an. Da bekam er einen Posten als Parktorwächter, genau so, wie er auf der Insel es vorausgesehen hatte. Er ist noch am Leben, ein großer Liebling aller Kinder, obgleich sie sich manchmal über ihn lustig machen, und ein hervorragender Kirchensänger an allen Sonn- und Feiertagen.
Von Silver haben wir nichts mehr gehört. Der gefährliche Seemann mit dem einen Bein ist spurlos aus meinem Leben verschwunden; aber ich vermute, daß er seine alte Negerin wieder getroffen hat; vielleicht lebt er noch ganz behaglich mit ihr und seinem Papagei, Käpp'n Flint, zusammen. Man muß es wohl hoffen – denn seine Aussichten auf Behaglichkeit in einer anderen Welt sind sehr gering.
Die Silberbarren und die Waffen liegen, soviel ich weiß, noch an derselben Stelle, wo Flint sie vergraben hatte; und sicherlich sollen sie meinetwegen dort liegen bleiben. Ochsen und Wagenseil könnten mich nicht mehr auf diese verfluchte Insel bringen, und meine schlimmsten Träume sind es, wenn ich die Brandung am Strande der Schatzinsel donnern höre, oder wenn ich im Bett auffahre und Käpp'n Flints gellende Stimme mir noch in den Ohren klingt:
»Piaster! Piaster!«
Catriona
EINE FORTSETZUNG ZU »DAVID BALFOUR V. SHAW«,
enthält: Die Memoiren und weiteren Abenteuer Davids sowohl in der Heimat wie in fremden Ländern und berichtet über die zahlreichen Mißgeschicke, die ihn anläßlich des Appiner Mordes trafen; seine Nöte mit dem Lord Staatsanwalt; seine Gefangenschaft auf der Felseninsel Baß; seine Reise nach Holland und Frankreich sowie seine höchstseltsamen Beziehungen zu James More Drummond oder MacGregor, Sohn des berüchtigten Rob Roy, und dessen Tochter Catriona, von ihm selbst erzählt und herausgegeben
von
ROBERT LOUIS STEVENSON
Widmung
Mein lieber Charles Baxter,
Es ist das Los aller Fortsetzungen, daß sie denen, die ihrer harrten, eine Enttäuschung bringen; und mein David muß sich darauf gefaßt machen, nachdem er länger als ein Lustrum vor den Toren der British Linen Company die Daumen gedreht hat, sich bei seinem verspäteten Wiederauftreten in der Welt mit Pfiffen, wenn nicht gar Schlimmerem, begrüßt zu sehen. Und doch bin ich nicht ganz ohne Hoffnung, gedenke ich der Tage unserer gemeinsamen Streifzüge. Irgendwo in unserer Heimatstadt dürfte es noch Nachkommen der paar Auserwählten geben; irgendein langbeiniger, heißblütiger Jüngling wird jetzt die Träume träumen und die Wanderungen unternehmen, die wir vor so vielen Jahren geträumt und zurückgelegt; sein wird die Freude sein, die sonst unser gewesen wäre, zwischen Straßenschildern und numerierten Häusern David Balfour auf seinen ländlichen Spaziergängen nachzugehen; er wird Dean und Silvermills und Broughton und Hope Park und das gute, alte Lochend – falls es noch steht – und Figgate Whins – wenn noch was von ihm übriggeblieben ist – aufspüren; vielleicht wird er gar (bei längerer Ferienzeit) über Land bis Gillane und der Insel Baß vordringen. So kann es geschehen, daß seine Augen geöffnet werden und er die Kette der Generationen überschaut und staunend das schwerwiegende und doch so eitle Geschenk des Lebens, das ihm zuteil geworden, wägen lernt.
Du weilst immer noch – wie zur Zeit, da ich Dich zuerst sah, da ich zuletzt das Wort an Dich richtete – in jener ehrwürdigen Stadt, die ich stets als meine Heimat betrachten werde. Und ich bin weit umhergezogen, und die Stätten und Gedanken meiner Jugend folgen mir nach; und traumbildgleich sehe ich die Jugend meines Vaters und die seines Vaters und den ganzen Strom des Lebens, der dort im fernen Norden fließt samt seinem Gelächter und seinen Tränen, den Strom, der mich an seiner Mündung, einem sprudelnden Rinnsal gleich, an diese entlegensten Inseln ausspie. Und ich neige bewundernd mein Haupt vor der Romantik des Geschicks.
R. L. S.
Vailima,
Upolu,
Samoa, 1892.
Zusammenfassender Bericht über die früheren Abenteuer des Helden, wie sie in der Erzählung »David Balfour von Shaw« dargestellt sind
Die Brüder Alexander und Ebenezer Balfour aus dem Hause Shaw bei Crammond in dem Walde von Ettrick lieben die gleiche Dame und kommen miteinander überein, da sie den älteren Bruder, Alexander, vorzieht, daß Ebenezer als Entgelt für seine Enttäuschung das Gut Shaw erhalten soll. Alexander und seine Gattin ziehen nach Essendean, wo sie in der Abgeschiedenheit leben, Alexander in der Eigenschaft eines Dorfschulmeisters. Dort wird ihnen ein Sohn geboren, David Balfour, der Held dieser Erzählung. David, der in Unkenntnis der Familiengeschichte und seiner Ansprüche auf das Gut erzogen wird, verliert noch vor seinem achzehnten Lebensjahre beide Eltern und empfängt als einziges Erbe einen an seinen Oheim gerichteten, versiegelten Brief, der ihm von dem Pfarrer in Essendean, Mr. Campbell, ausgehändigt wird. Als David ihn abliefern will, entdeckt er, daß sein Oheim als kinderloser Geizhals zu Shaw haust; er wird von ihm unfreundlich aufgenommen und nach einem vergeblichen Anschlag auf sein Leben an Bord der nach den Karolinen bestimmten Brigg »Covenant«, Kapitän Hoseason, gelockt, um zur Zwangsarbeit auf die Plantagen verkauft zu werden. Allein, als die »Covenant« zu Beginn ihrer Reise die Meerenge von Minch durchfährt, überrennt sie ein offenes Boot und bringt es zum Kentern. Aus diesem Boot rettet sich und kommt an Bord ein hochländischer Gentleman, Alan Breck Stuart, der seit dem Jahre '45 in der Verbannung lebt und jetzt unterwegs ist, um von seinen Clansleuten, den Appin-Stuarts, den Pachtzins für ihren Häuptling Ardshiel in dessen Exil nach Frankreich hinüberzuschmuggeln. Als Hoseason und seine Besatzung von dem Golde hören, das Alan mit sich trägt, verschwören sie sich, ihn auszurauben und zu ermorden; aber David, der in das Komplott eingeweiht wird, warnt Alan und verspricht, ihm beizustehen.
In der Enge der Kajüte gelingt es den beiden während des nun folgenden Handgemenges dank Alans Fechtkunst, ihrer Angreifer Herr zu werden, wobei sie über die Hälfte töten und verwunden. Dadurch sieht sich Kapitän Hoseason außerstande, seine Fahrt fortzusetzen, und einigt sich mit Alan dahin, ihn nach einem Teil der Küste zu bringen, von wo aus er sich am leichtesten nach seiner Heimat, der Landschaft Appin, durchschlagen kann. Aber bei diesem Versuche läuft die »Covenant« auf Grund und versinkt vor der Insel Mull. Die Schiffsinsassen retten sich, so gut sie können, und David wird von ihnen getrennt. Zuerst wird er auf die Insel Earraid verschlagen und zieht von dort aus quer durch Mull. Alan ist schon früher des gleichen Weges gezogen und hat David die Nachricht hinterlassen, daß er ihm folgen und in seiner Heimat, im Hause seines Verwandten James Stuart von der Schlucht, wieder zu ihm stoßen soll. David findet sich zu diesem Rendezvous am nämlichen Tage in Appin ein wie der Sachwalter des Königs, Colin Roy Campbell von Glenure, der mit einem Trupp Rotröcke dahergeritten kommt, um die Pächter von den beschlagnahmten Gütern Ardshiels zu vertreiben, und ist zugegen, als Glenure durch einen Schuß aus dem benachbarten Walde am Wegrande ermordet wird. Da gerade in dem Augenblick, als sich David an die Verfolgung des unbekannten Mörders macht, der Verdacht laut wird, daß er Mitschuldiger ist, entschließt er sich zur Flucht und stößt bald dabei auf Alan Breck, der ganz in der Nähe im Versteck liegt, obgleich er nicht den Schuß abgefeuert hat. Die beiden führen jetzt auf dem Moor das Leben von Flüchtlingen. Die Entrüstung über den Mord ist ungeheuer, und die Schuld wird öffentlich auf James Stuart von der Schlucht, den bereits geächteten Alan Breck und auf einen unbekannten jungen