Satan und Ischariot II. Karl May

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Satan und Ischariot II - Karl May

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Old Shatterhand fort will, um dem Mimbrenjo zu helfen, so mag er getrost fortreiten. Er braucht nicht zu besorgen, daß wir eine Untreue begehen. Seine Bleichgesichter mögen die Waffen meiner Krieger an sich nehmen und uns bis zu seiner Rückkehr als ihre Gefangenen betrachten.«

      Das war immerhin soviel, wie ich nur verlangen konnte, dennoch ging ich nicht darauf ein, sondern entschied:

      »lch bleibe noch hier. Wenn wir uns beeilen, werde ich wohl noch zur rechten Zeit kommen.«

      »Da muß ich meinen weißen Bruder darauf aufmerksam machen, daß man alles andere eher als eine Beratung oder gar einen Friedensschluß beeilen darf. Es gibt da vieles zu überlegen und zu besprechen, und wenn man das zu schnell tut, kann später leicht eine falsche Auslegung vorkommen. Also ist es besser, mein Bruder reitet fort und wir beraten uns, wenn er zurückgekehrt ist.«

      Da fiel der vorige Sprecher ein:

      »Er wird bleiben können, denn ehe der Mimbrenjo fortritt, hat er gesagt, daß er Weller getrieben bringen will, nicht aber, daß er zu kämpfen beabsichtigt. Er ist noch jung, aber er hat ein ausgezeichnetes Pferd und scheint an Verstand und Überlegung älter als an Jahren zu sein.«

      Als ob sich die Wahrheit dieser Worte im Augenblicke bestätigen sollte, ertönte, als sie gesprochen worden waren, ein Schuß, und im Westen wurde ein Reiter sichtbar, welcher gerade südlicher Linie zu reiten schien. Bald bemerkten wir aber, daß die Linie doch keine gerade war, denn er lenkte bald nach dieser, bald nach jener Seite ab und näherte sich uns dabei immer mehr. Es war klar, daß er vor jemandem floh, der ihn uns zutreiben wollte.

      Bald erblickten wir auch den zweiten. Er war kleiner als dieser erstere und hatte ein weit schnelleres Pferd. Wir hatten also Weller und den Mimbrenjo vor uns. Der erstere gab von Zeit zu Zeit, wenn er wieder geladen hatte, einen Schuß auf den Roten zurück, doch ohne zu treffen, und der letztere schoß auch hier und da, um Weller abzuhalten, rechts oder links auszubrechen. Auch seine Kugeln trafen nicht, obwohl er sich innerhalb Treffweite von dem Weißen befand. Daß keiner von ihnen traf, hatte seine guten Gründe. Der Mimbrenjo schoß mit Absicht daneben; er wollte Weller nicht töten, sondern ihn in unsere Hände treiben. Und daß dieser fehlschoß, hatte seinen Grund, wie sich später herausstellte, darin, daß er falsche Patronen eingesteckt hatte.

      Ich mußte dem Mimbrenjo seine Aufgabe erleichtern, stieg deshalb in den Sattel und ritt den beiden entgegen. Als Weller das sah, strengte er sein Pferd aufs äußerste an, um südwärts zu entkommen, doch nach noch nicht zwei Minuten hatte ich ihn nicht nur eingeholt, sondern war über ihn hinaus, hielt mein Pferd an, nahm das Gewehr an die Wange und rief ihm zu:

      »Herab vom Pferde, Master Weller, sonst wirft Euch meine Kugel herunter!«

      Er ließ ein grimmiges Lachen hören, warf sein Pferd auf die andere Seite, um nach dort zu fliehen, und legte dabei sein Gewehr an, um mir eine Kugel zu geben. Der Mensch konnte bei der Bewegung, welche er machte, unmöglich sicher zielen; ich brauchte also, um nicht getroffen zu werden, nur ganz ruhig da sitzen zu bleiben, wohin seine Kugel bestimmt war. Sein Schuß krachte, aber von seiner Kugel fühlte ich nichts.

      Er hatte sich verrechnet, denn als er gewendet hatte, sah er den Mimbrenjo vor sich, welcher sein Pferd auch angehalten hatte und ihm das Gewehr entgegenhielt. Der auf diese Weise zwischen zwei Feuer Genommene sah nun nur noch einen Ausweg vor sich, nämlich die Richtung, in welcher ihn der Mimbrenjo hatte haben wollen – nach unserm Platze zu. Er schlug dieselbe ein und spornte sein Pferd so an, daß wir es stöhnen hörten. Meine Landsleute trugen keine solche Waffen, mit denen sie ihn hätten anhalten können; der Mimbrenjo hielt weit zurück; ich war also auf mich angewiesen und folgte ihm. Ich hätte das Pferd leicht unter ihm wegschießen können, wollte das aber nicht. Warum ein unschuldiges Tier eines solchen Schurken wegen töten! Ich hätte auch ihm eine Kugel geben, ihn wenigstens durch eine Wunde aus dem Sattel werfen können, wollte ihn aber gern lebendig und unverletzt ergreifen. Auch erschien es mir nichts weniger als wacker, ihn, den abgehetzten Menschen, der mit meinen überlegenen Hilfsmitteln zu kämpfen hatte, durch eine Kugel zu bezwingen. Ich nahm mir also vor, ihn mit der Hand festzunehmen.

      Er besaß einen Doppelläufer, dessen einer Lauf leergeschossen war; anstatt wieder zu laden, verließ er sich auf den zweiten Lauf. Ich jagte hinter ihm her, doch nicht gerade auf ihn zu. Ehe ich ihm so nahe kam, daß ich ihn packen konnte, mußte erst die Kugel aus seinem zweiten Laufe. Darum rief ich ihm abermals zu:

      »Haltet an, Master, sonst schieße ich!«

      Er ließ sich durch die Drohung verleiten, drehte sich um und schoß. Ich sah den Lauf genau auf meinen Oberkörper gehalten; der Schuß war dieses Mal nicht ins Blaue gerichtet; darum warf ich mich augenblicklich nach Indianerart auf die Seite des Pferdes herab, richtete mich, als die Kugel über mir weggeflogen war, wieder auf und jagte auf ihn zu. Da er nun keine Zeit zum Wiederladen hatte, warf er die jetzt nutzlose Flinte weg und zog den Revolver aus dem Gürtel. An diesen hatte ich nicht gedacht. Es wäre die allergrößte Albernheit gewesen, ihn trotz seines Revolvers noch packen zu wollen. Darum gebot ich ihm:

      »Weg mit dem Revolver, sonst schieße ich nun wirklich!«

      Er gehorchte nicht, sondern wartete nur, daß ich noch ein wenig näher kommen möchte, um sicherer treffen zu können. Mein Pferd galoppierte eben, dennoch stellte ich mich in den Bügeln auf, um einem etwaigen Stoße zu begegnen und sicherer zielen zu können, legte den Stutzen an und drückte ab. Weller stieß einen Schrei aus, ließ den Revolver fallen und den Arm sinken. Einige Sekunden später war ich an seiner Seite, warf den Stutzen auf den Rücken und streckte beide Arme nach ihm aus, indem ich mich zu ihm hinüberbog.

      »Herunter mit Euch!« rief ich ihm dabei zu. »Und wenn Ihr nicht freiwillig wollt, so werfe ich Euch herab!«

      Ich faßte ihn, um ihn aus dem Sattel zu reißen. Da zog er mit der Linken einen zweiten Revolver hervor und antwortete hohnlachend:

      »Das geht nicht so schnell, Master Shatterhand. Ihr habt nicht mich, sondern ich habe Euch!«

      Er wollte abdrücken, kam aber nicht dazu, denn ich hieb ihm mit der linken Hand die Waffe aus der seinigen und schlug ihm die rechte Faust von unten her gegen das Kinn, daß ihm der Kopf in den Nacken flog. Zwei schnelle Griffe in meine und seine Zügel – die Pferde standen; sofort war ich aus dem Sattel und riß auch ihn herunter. Er fiel wie ein Sack zur Erde und blieb da liegen. Seine Augen waren geschlossen; aus dem halbgeöffneten Munde lief Blut hervor. Hatte ich ihm das Genick gebrochen?

      Bevor ich ihn daraufhin untersuchte, versicherte ich mich seiner Person, indem ich ihm die Arme mit seinem Gürtel festband, und auch der Sachen, die er bei sich trug. Ich brauchte mich dadurch keineswegs für einen Räuber zu halten. Wer weiß, ob alles, was er bei sich hatte, sein rechtmäßiges Eigentum war. Vielleicht konnte mir etwas davon von Nutzen sein. Ich fand eine Brieftasche und eine aus starker Seide gehäkelte Börse, zwischen deren Maschen Goldstücke hervorglänzten, und steckte beides zu mir. Die Uhr und alles andere ließ ich stecken.

      Da kam der Mimbrenjo, welcher vom Pferde stieg, um die weggeworfene Flinte und die beiden Revolver aufzunehmen. Jetzt begann sich das Gesicht Wellers zu beleben. Er öffnete die Augen und fuhr mich giftig an:

      »Mensch, was habe ich mit Euch zu schaffen! Laßt mich in Ruhe; laßt mich los, sonst kann es Euch schlecht bekommen.«

      Ich hörte es ihm an, daß er sich in die Zunge gebissen hatte; mein Hieb hatte ihm den unteren Kiefer gegen den oberen getrieben, und die Zunge war zwischen die Zähne gekommen.

      »Redensart!« antwortete ich. »Ich möchte wissen, auf welche Art und Weise Ihr mir schaden könntet. Steht auf, und kommt mit mir!«

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