Hilfe, ich hatte eine glückliche Kindheit. Katja Kerschgens

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Hilfe, ich hatte eine glückliche Kindheit - Katja Kerschgens

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und ihren Kleidungsstil bemäkelte. Irgendwann war die Beziehung einfach eingeschlafen, ein letztes gemeinsames Abendessen bei einem billigen Chinesen trennte sie in Freundschaft.

      Davor hatte es noch den Studenten aus Korea gegeben, Yesung hatte er geheißen. Seine ach so lustigen Mitstudenten nannten ihn lieber Jesus. Er konnte darüber nicht lachen. Viele seiner Verwandten vegetierten in Nordkorea. Das wenige, was er über sie wusste, machte ihn immer depressiver. Schließlich kehrte er nach Südkorea zurück.

      In der Schule war Tim eine Weile sehr wichtig für sie. Und natürlich war sie wie alle anderen Mädchen aus ihrer Klasse in Alex verliebt. Ja, und das war es dann. Seit dem Studium lebte sie ohne Beziehung. Litt sie darunter? Ihre Mutter schon, aber war das ihre Baustelle? Andererseits lag jetzt wieder ein einsiedlerisches Wochenende vor ihr, wenn sie von Loriot einmal absah. Er war ein wunderbarer Kamerad, doch Frühstück ans Bett bringen konnte auch er nicht.

      Der Kaffee hier schmeckte formidabel. Na also. Die Welt war es doch ebenso, oder? Im Geiste ging sie ihren aktuellen Noch-nicht-gelesen-Bücherstapel durch und beschloss, sich in diesen Räumen hier mit ein paar weiteren Neuerscheinungen aus der Rubrik historische Romane einzudecken. Sie hatte immerhin ein langes, ruhiges Wochenende vor sich.

      6

      Am Dienstagvormittag tat sich endlich etwas. Nadine bekam die entsprechende E-Mail um Viertel vor zehn. Das neue Manuskript lag vor, ihre Chefin hatte es ihr geschickt. Sie atmete tief ein. Ihr nächster Griff ging zum Telefon.

      »Ja, diese Version gilt«, postulierte Dr. Niefanger, »bitte rufen Sie Herrn Noack und Herrn Kistenfeger an und steigen Sie sofort wieder in die Produktion ein.«

      Und dann kamen im gleichen geschäftsmäßigen Tonfall die schlechten Nachrichten. Nadine schluckte. Das würde nicht lustig werden.

      »In Ordnung, alles klar, Frau Dr. Niefanger«, sagte sie, während sie schon mit flinken Fingern den Text umformatierte, damit er für die Studioarbeit geeignet war. Brigitte war immer noch im Krankenhaus, alle anderen hatten ihre eigenen laufenden Projekte. Sie war wieder im Rennen.

      Michas Handynummer wusste sie auswendig, sie erwischte ihn beim Einkauf an der Supermarktkasse. Grantelnd versprach er, in fünfzehn bis zwanzig Minuten im Studio zu sein. Aber wie lautete die Nummer von Serafin? Sie fingerte nach ihrem Handy. Nein, nichts zu machen, er hatte letztens mit unterdrückter Rufnummer bei ihr angerufen. Sie drehte ihren Schreibtischstuhl zurück zum Computer und rief die Datenbank der Sprecher auf. Er war dort nicht aufgeführt. Es war sein erstes Projekt für diesen Hörbuchverlag, niemand hatte bislang seine Daten in das System aufgenommen. Verflixt. Sie wählte wieder Michas Nummer. Er war gerade dabei, sein Auto mit seinen Einkäufen zu bepacken.

      »Was, wie ...? Der Herr Noack?«, Gerausche und Geknister ließen ahnen, dass er sich das Handy zwischen Ohr und Schulter geklemmt hatte, »ja, ja, ich sag ihm Bescheid.«

      Nadine legte auf. Sie rief das Manuskript noch einmal auf und überflog die ersten Seiten. Das sah nicht gut aus. Sie startete den Druckauftrag und stellte sich an den Drucker auf dem Flur. Sie war nicht allein, drei weitere Kolleginnen standen zusammen, redeten leise, tauschten Blicke. Das hatte sie auch schon am Freitag und Montag beobachten dürfen. Sie hatte so eine Ahnung, dass es wohl um sie ging, aber bisher hatte sie keine Beweise dafür. Das änderte sich in der nächsten Sekunde gravierend.

      Bettina, eine langjährige Mitarbeiterin des Verlags, breit wie hoch und stets ein bisschen zu bunt angemalt, drehte sich aus der Gruppe heraus zu ihr um. Sie kam mit diesem typischen »Ich-hatte-mal-Ballett-und-muss-jetzt-immer-so-gehen«-Watschelgang auf sie zu.

      »Da ist ja unsere Diva«, verkündete sie.

      Nadine wollte die Bemerkung ignorieren, aber die Stille, die sich über den Raum senkte, war nicht zu überhören. Sie blickte auf.

      »Was meinst du damit?«, fragte sie mit dem Versuch, ein Höchstmaß an Souveränität durchklingen zu lassen.

      »Na ja«, Bettina sah sich Beifall heischend um, »die gnädige Frau lässt Herrn Noack in der Dunkelkammer verrotten. Der Micha erzählt uns da ja reizende Geschichten.«

      Irgendjemand gab ein angewidertes Glucksen von sich. Nadine wusste, dass sie die volle Aufmerksamkeit aller Anwesenden hatte. Sie hatte gute Lust, pampig zu werden. Aber nein, das Projekt! Das war ihre erste und, wenn die Kollegen es darauf anlegten, ihre letzte Chance dieser Größenordnung.

      »Dir gefallen also meine Arbeitsmethoden nicht?«

      »Langsam, Nacho«, Bettinas Tonfall wurde unangenehm ernst, »ich weiß nicht, ob du weißt, mit wem du es da zu tun hast. Wenn der Herr Noack von unserem Verlag einen schlechten Eindruck bekommt, dann taucht der hier nie wieder auf. Und dass der neue Blankett für das Hörbuchprojekt an unseren Verlag gegangen ist, meinst du, das fällt so vom Himmel?«

      Das folgende Schweigen hinterließ ein elektrisches Knistern in der Luft. Einzig der Drucker ließ sich nicht stören und rumpelte weiter vor sich hin. Dass für Serafin bereits neue Verträge vorlagen, hatte sich entweder noch nicht herumgesprochen oder das Ganze war bislang nicht spruchreif. Nadine suchte den Gesichtsausdruck überlegener Professionalität für ihr Gesicht, aber es gelang ihr nur bedingt.

      »Diese Vereinbarung ist im gegenseitigen Einverständnis ...«

      Bettinas Lachen schepperte in ihren kopflastigen Satz und triefte vor Hohn.

      »Alles klar. Der große Topspeaker lässt sich mit unserer Nacho auf eine völlig absurde Vereinbarung ein. Aber sicher doch!«

      Bettina hatte die Stimme so weit erhoben, dass sich eine Bürotür öffnete. Nadines Chefin trat mit ihren laut klackenden hohen Absätzen in den Flur.

      »Darf ich fragen, was hier los ist?«, fragte sie weniger interessiert als vor allem genervt. Bettina drehte sich zu ihr um.

      »Unsere Nacho hält sich für etwas Besseres und glaubt, dem Herrn Noack Vorschriften machen zu dürfen.«

      Dr. Niefanger zog eine Augenbraue hoch und fixierte Nadine mit ihren eisblauen Augen.

      »Wie lautet Ihre Version, Frau Walters?«

      Nadine spürte ihre Chance. Sie straffte sich, während der Drucker neben ihr innehielt und die Papierlampe hektisch blinkend um Aufmerksamkeit bettelte.

      »Ich gebe mir alle Mühe, die Unvoreingenommenheit meiner Arbeit zu vervollkommnen.«

      »Nee, is klar!«, lachte Bettina grell, dass es in ihren Ohren klingelte.

      »Sie kommen jetzt lieber mal in mein Büro«, sagte Dr. Niefanger in einem Ton, der jede Widerrede im Keim erstickte. Nadine wollte noch etwas von »Papier nachlegen« faseln, aber ihre Beine waren schon auf dem Weg zur offen stehenden Bürotür, während ihre Chefin an ihrem Schreibtisch Platz nahm. Sie blickte angelegentlich auf ihren Laptop. Nadine schloss leise die Tür und schritt langsam in die Mitte des Raumes.

      Dr. Niefanger bot ihr keinen Sitzplatz an. Ohne aufzuschauen fragte sie: »Nun?«

      »So, wie es Frau Jung darstellt, ist das völliger Unsinn.«

      »Wie stellt sie es denn dar?«

      Nadine setzte zu einer Antwort an, aber dann hielt sie inne. Wieso war hier auf einmal jeder gegen sie? Der Produktionsstopp war nicht ihre Schuld, bis dahin

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