Das Gespenst von Canterville. Oscar Wilde

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Das Gespenst von Canterville - Oscar Wilde

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einzigen wahren Republikaner in der Familie.

       Da Canterville Chase sieben Meilen von Ascot, der nächsten Eisenbahnstation, entfernt liegt, hatte Mr. Otis nach einem

       Break telegraphiert, sie abzuholen, und frohgelaunt traten sie die Fahrt an. Es war ein wunderschöner Juliabend und die Luft

       erfüllt von dem köstlichen Wohlgeruch der Fichtenwälder. Hin und wieder hörten sie eine Holztaube, die über ihre eigene

       liebliche Stimme nachsann, oder sahen tief in dem raschelnden Farnkraut die brünierte Brust des Fasans. Kleine

       Eichhörnchen guckten von den Rotbuchen auf die Vorbeifahrenden, und die Kaninchen flohen, die weiße Blume in die Luft

       gereckt, durch das Dickicht und über die moosigen Hügel. Doch als der Wagen in die Allee von Canterville Chase einbog,

       wurde der Himmel plötzlich von Wolken verdunkelt, und eine seltsame Lautlosigkeit schien die Luft stillstehen zu lassen; ein

       großer Schwarm Krähen glitt unhörbar über die Köpfe hinweg, und ehe sie das Haus erreichten, waren schon ein paar dicke

       Regentropfen gefallen.

       Auf der Freitreppe stand zu ihrem Empfang bereit eine alte Frau, schmuck in schwarze Seide gekleidet, mit weißer Haube

       und Schürze. Das war Mrs. Umney, die Haushälterin; Mrs. Otis hatte auf Lady Cantervilles anständige Bitte hin eingewilligt,

       sie in ihrer bisherigen Stellung zu behalten. Sie machte, als sie ausstiegen, vor jedem einen tiefen Knicks und sagte auf eine

       wunderliche, altmodische Art: "Ich entbiete Ihnen den Willkommensgruß in Canterville Chase." Sie folgten ihr durch die

       schöne Tudorhalle in die Bibliothek, einen langen, niedrigen Raum mit einer Täfelung aus dunkler Eiche, an deren Ende sich

       ein großes Fenster aus buntem Glas befand. Hier fanden sie den Tee serviert, und nachdem sie sich ihrer Hüllen entledigt

       hatten, setzten sie sich und begannen Umschau zu halten, während Mrs. Umney sie bediente.

       Plötzlich gewahrte Mrs. Otis genau neben dem Kamin einen dunkelroten Fleck auf dem Fußboden, und ohne zu ahnen, was

       er in Wahrheit zu bedeuten hatte, sagte sie zu Mrs. Umney: "Ich fürchte, da ist etwas vergossen worden."

       "Ja, Madam", erwiderte die alte Haushälterin mit leiser Stimme, "Blut ist an der Stelle vergossen worden."

       "Wie grässlich!", rief Mrs. Otis aus, "Blutflecke in einem Wohnraum mag ich ganz und gar nicht! Er muß sofort entfernt

       werden."

       Die alte Frau lächelte und antwortete mit derselben leisen, geheimnisvollen Stimme: "Es ist das Blut Lady Eleanores von

       Canterville, die 1575 genau an der Stelle von ihrem eigenen Gatten, Sir Simon von Canterville, ermordet wurde. Sir Simon

       überlebte sie um neun Jahre und verschwand plötzlich unter höchst rätselhaften Umständen. Sein Leichnam wurde nie

       entdeckt, aber sein schuldbeladener Geist geht immer noch im Schlosse um. Der Blutfleck wurde von Touristen und anderen

       sehr bewundert und kann nicht entfernt werden."

       "Das ist lauter Unsinn", rief Washington Otis, "Pinkertons Qualitäts-Fleckenentferner und -Intensivreiniger wird ihn im

       Handumdrehen beseitigend, und ehe die entsetzte Haushälterin einschreiten konnte, hatte er sich auf die Knie

       niedergelassen und rieb den Fußboden mit einem kleinen Stift ab, der wie schwarze Schminke aussah. Wenige Augenblicke

       später war von dem Blutfleck keine Spur mehr zu sehen."

       "Ich wusste, daß Pinkerton es schaffen würde!" rief er triumphierend und sah sich nach seiner staunenden Familie um; doch

       kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, als ein gewaltiger Blitz den düsteren Raum erhellte und ein schrecklicher

       Donnerschlag alle von ihren Stühlen hob; Mrs. Umney fiel in Ohnmacht.

       "Was für ein scheußliches Klima!" bemerkte gelassen der amerikanische Gesandte und zündete sich eine lange

       Manilazigarre an. "Vermutlich ist das alte England so übervölkert, daß sie nicht genügend anständiges Wetter für alle haben.

       Ich bin stets der Ansicht gewesen, daß Auswanderung für England das einzig Vernünftige ist."

       "Mein lieber Hiram", rief Mrs. Otis, "was sollen wir mit einer Frau anfangen, die in Ohnmacht fällt?"

       "Rechne es ihr wie zerschlagenes Geschirr an", erwiderte der Gesandte, "dann wird sie nicht mehr in Ohnmacht fallen", und

       tatsächlich kam Mrs. Umney wenige Augenblicke später zu sich. Dennoch stand außer Zweifel, daß sie im höchsten Grade

       beunruhigt war, und sie warnte Mr. Otis mit ernster Stimme, er möge auf der Hut sein, daß kein Kummer über das Haus

       käme.

       "Ich habe mit eigenen Augen Dinge gesehen, Sir", sagte sie, "daß sich jedem Christenmenschen die Haare sträuben

       würden, und viele, viele Nächte habe ich kein Auge zugetan wegen der furchtbaren Dinge, die hier geschehen."

       Mr. Otis und seine Frau versicherten der ehrlichen Seele jedoch energisch, daß sie sich nicht vor Gespenstern fürchteten,

       und nachdem die alte Haushälterin den Segen der Vorsehung auf ihre neue Herrschaft herabgefleht und eine Lohnerhöhung

       mit ihr vereinbart hatte, wankte sie davon in ihr eigenes Zimmer.

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