Im Lande des Mahdi III. Karl May

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Im Lande des Mahdi III - Karl May

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aufgehängt werden sollte, so war ich auf eine schnelle Flucht bedacht gewesen. Das Kopftuch, mit welchem man mir die Arme platt um den Leib gebunden hatte, mußte zerrissen werden. Es war nicht neu, aber noch fest. Ich mußte versuchen, es soweit zu bringen, daß man es für einen Augenblick öffnete.

      Auf der Seribah befanden sich unsere beiden Todfeinde und die zwölf Asaker, welche Ibn Asl bei ihnen gelassen hatte. Sie alle waren zwar bewaffnet, legten aber, als wir die Hütten erreichten, ihre langen Gewehre ab. Die Pistolen und Messer, welche sie nun noch bei sich hatten, konnten mir nichts schaden. Etwas seitwärts weideten zwei Ochsen, Reitochsen, wie es schien. Die an den Nasenriemen befestigten Zügel waren ihnen um den Hals geschlungen. Es versteht sich, wie ich kaum zu bemerken brauche, ganz von selbst, daß man uns alle unsere Habseligkeiten abgenommen hatte.

      Der Mokkadem war ganz damit einverstanden, daß wir durch den Strick sterben sollten, doch stellte er den Antrag, wenigstens mich vorher ein kleinwenig zu martern. Während man darüber verhandelte, flüsterte ich meinen beiden Gefährten, welche nahe bei mir standen, zu:

      »Ich schneide euch los. Dann rennt ihr geradewegs, ohne euch umzusehen, nach unserem Boote und steigt ein, um sofort abrudern zu können, wenn ich nach euch komme.«

      »Wie willst du schneiden können!« antwortete Ben Nil, für unsere Feinde unhörbar. »Du bist doch gebunden und hast kein Messer.«

      »Ich mache mich frei.«

      »Werden wir entkommen? Sie werden alle hinter uns her sein.«

      »Hinter euch nicht. Ich schlage zunächst eine andere Richtung ein, und da sie es doch meist auf mich abgesehen haben, werden sie mir nachrennen und nicht euch. Wartet dann aber ja, bis ich komme, sonst werde ich doch noch erwischt!«

      Ich bewegte die Oberarme, um das Tuch zu lockern. Das that ich nicht etwa heimlich, sondern man sollte es bemerken. Der Muza'bir sah es zuerst, trat auf mich zu und sagte:

      »Hund, willst du dich etwa losmachen? Das soll dir nicht gelingen. Ah, das Tuch ist wahrhaftig schon gelockert. Werde es wieder fester binden.«

      Er bedachte nicht, daß er, um dies zu thun, den Knoten aufmachen mußte. Dieser wurde, allerdings nur für einen kurzen Moment gelöst; aber in demselben Augenblicke stieß ich die Ellbogen von mir ab, bekam die Arme frei, drehte mich nach dem Muza'bir um, riß ihm mit der Rechten das Messer aus dem Gürtel, schlug ihm die Linke ins Gesicht, daß er hintenüber stürzte, dann zwei rasche Schnitte – Ben Nils und Selims Banden waren entzwei, und die beiden rannten, was sie nur laufen konnten, davon. Diese Bewegungen waren in größter Schnelligkeit geschehen, aber doch nicht zu schnell für den Mokkadem, welcher herbeisprang und mich beim linken Arme ergriff, um mich festzuhalten. Ich hatte das Messer in der Rechten, mußte von ihm los, wollte ihn aber doch nicht erstechen; darum warf ich es fort und schlug ihn mit der geballten Faust nieder, so daß er meine Linke fahren lassen mußte, und rannte dann auch fort, aber nicht gerade aus, wie meine Gefährten es thaten, sondern nach rechts in die Prairie hinein. Dabei mußte ich an den beiden Ochsen vorüber. Es kam mir ein Gedanke. Ich sprang auf den Rücken des einen, ergriff die Zügel und schlug ihm die Fersen so kräftig gegen die Weichen, daß er augenblicklich mit mir davonrannte. Schon nach den ersten Sprüngen, welche er that, bemerkte ich, daß er den Zügeln gehorchte und mich also, wenigstens in dieser Beziehung, nicht in Verlegenheit bringen werde.

      Hinter mir schrieen die Sklavenjäger wie toll; sie rannten mir nach. Ich sah mich nach ihnen um und bemerkte, daß der Muza'bir sich schnell wieder aufgerafft hatte und soeben den zweiten Ochsen bestieg, um mir auf demselben nachzujagen. Das war mir sehr lieb. Man bekümmerte sich nicht um Ben Nil und Selim, und ich hatte bereits einen solchen Vorsprung, daß ich nicht zu befürchten brauchte, eingeholt zu werden.

      Leider aber erwies diese Zuversicht sich als unbegründet. Mein Ochse trat mit einem Vorderbein in ein Loch, welches ich nicht hatte bemerken können, da es mit Gras bewachsen war, blieb hängen und überschlug sich. Ich wurde abgeschleudert und flog in einem weiten Bogen mit solcher Gewalt zur Erde, daß ich eine kleine Weile wie geprellt liegen blieb. Dann raffte ich mich auf. Ich war unverletzt, aber der ganze Körper »brummte« mir, wie man dieses sonst schwer zu beschreibende Gefühl mit einem volkstümlichen Ausdrucke zu bezeichnen pflegt.

      Der Ochse konnte nicht auf; er hatte den Fuß gebrochen, und ich war also auf die Schnelligkeit meiner eigenen Beine angewiesen. Der Muza'bir war mir bis auf zweihundert Schritte nahe. Er stieß ein Triumphgeschrei aus und schwang die Pistole in der rechten Hand. Weit hinter ihm kam der Mokkadem mit den andern gelaufen. Die letzteren brauchte ich nicht zu fürchten, desto gefährlicher aber war mir der erstere; er holte mich auf alle Fälle ein. War es da nicht besser, ihn stehenden Fußes zu erwarten? Zwar war er bewaffnet und ich nicht, doch glaubte ich, mich auf meinen scharfen Blick und mein gutes Glück verlassen zu können. Ich blieb also stehen. Er kam herangejagt, richtete die Pistole auf mich und rief, wohl noch hundert Schritte von mir entfernt:

      »Stirb, Hund! Willst du dem Stricke entgehen, so trifft dich meine Kugel!«

      Er drückte ab und – traf mich nicht, wie mit fast absoluter Sicherheit zu erwarten gewesen war. Wer aus solcher Entfernung und auf einem Ochsen galoppierend mich treffen wollte, mußte ein besserer Schütze sein und jedenfalls auch eine bessere Waffe haben. Die Pistole hatte nur einen Lauf. Er steckte sie in den Gürtel und zog die andere. Noch einmal schoß er und fehlte wieder. Jetzt gehörte der Mann mir; darauf hätte ich jede Wette eingehen mögen.

      Er steckte auch die zweite Pistole ein und riß das Messer aus dem Gürtel. Aus Wut über die beiden Fehlschüsse und im grimmigen Verlangen, meiner habhaft zu werden, verlor er das richtige Augenmaß und vergaß, sein Tier im richtigen Augenblicke zu zügeln. Es blieb nicht bei mir halten, sondern schoß eine kleine Strecke über mich hinaus. Er riß in die Zügel und versäumte dabei, sich nach mir umzusehen. Es waren nur wenige Augenblicke, welche er verlor, doch genügten sie mir vollständig, seine Unvorsichtigkeit zu benutzen. Ich rannte ihm nach, und noch hatte er den Ochsen nicht vollständig zum Stehen gebracht, so sprang ich hinter ihm auf und preßte ihm mit meinen Armen die seinigen fest an den Leib, das Tier erschrak und rannte in erneutem Laufe weiter.

      »Hund!« brüllte er, »laß mich los, sonst brechen wir beide Hals und Beine!«

      »Ich breche nichts,« lachte ich; »aber dir zerknicke ich die Knochen. Laß das Messer fallen, sonst drücke ich dir die Rippen ein!«

      Er hielt mit beiden Händen die Zügel und nebenbei das Messer in der Rechten. Er ließ es fallen, als ich bei meinen Worten die Arme fester um ihn schlang.

      »Halt ein!« stöhnte er, »du zermalmst mir die Brust!«

      »Falls du gehorchst, geschieht dir nichts; im ersten Augenblicke des Ungehorsams aber zerquetsche ich dich wie eine faule Frucht. Du hast die Zügel. Lenke den Ochsen mehr nach links!«

      Seine Leute waren immer noch so weit zurück, daß ich sie nicht zu beachten brauchte. Meine beiden Begleiter hatten die Savanne durchquert; sie näherten sich, wie ich sah, dem jenseitigen Walde und konnten nicht mehr belästigt werden. Es handelte sich nur noch darum, ihnen zu folgen, und zwar nicht allein; der Muza'bir mußte mit. Darum zwang ich ihn, nach links einzubiegen, in die Richtung, welche mich zu unserm Boote führte. Ich preßte ihm die Rippen so zusammen, daß er gezwungen war, meinen Befehl auszuführen. Er stöhnte laut unter meinem Griffe, gehorchte aber, ohne ein Wort zu sagen.

      Der Ochse stürmte in vollem Laufe über die Prairie dahin und dem Walde zu. Die Sklavenjäger schlugen hinter uns unter der Leitung des Mokkadem dieselbe Richtung ein. Sie schrieen wie besessen, konnten mir aber nun nicht die geringste Sorge mehr machen. Wir hatten beinahe den Wald erreicht, da hob der Muza'bir das eine Bein, um es auf die andere Seite des Ochsen zu bringen und dadurch vielleicht

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